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Zwischen Sexualstraftätern, Mördern und Verbrechern: Als Anstaltspsychologe versucht Dr. Oliver Hauser die Häftlinge in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing wieder auf die richtige Bahn zu lenken. Zusammen im Team wird entschieden, wer frühzeitig entlassen und wer seine Strafe bis zum bitteren Ende absitzen muss. Persönliche Gefühle sperrt der Psychologe aus, nur Nüchternheit und Professionalität sind erlaubt. Ein Job, der Spuren hinterlässt und ihn im Laufe der Jahre ein Stück weit verändert hat.


Sein Büro liegt im ersten Stock der JVA, Haus zwei. Dort kümmert er sich um rund 400 Häftlinge, alles „langstrafige Jungs“, die teilweise bis zu 40 Jahre im Gefängnis sitzen. Dr. Oliver Hauser begegnet seinen Strafgefangenen ruhig, sachlich und mit zwei offenen Ohren.  „Der Strafvollzug ist keine Gerichtsverhandlung. Es steht mir nicht zu, meine Klienten zu verurteilen“, erklärt der 40-Jährige.  Auch wenn das oft schwer fällt. „Je nach dem, welchen persönlichen Bezug man zu den verschiedenen Delikten hat, ist es schwierig die Gefühle komplett zu unterdrücken. Aber die dürfen auf keinen Fall auch nur irgendeinen Einfluss auf Entscheidungen oder die Gespräche mit den Häftlingen haben.“ Mit der Zeit lernt man, die Emotionen zu kontrollieren. Seit sechs Jahren arbeitet Dr. Hauser in der JVA in Straubing und gibt sich mit der ganzen Palette an Delikten ab, von der Bierzeltschlägerei bis hin zu langstrafigen Sexual- und Gewaltstraftaten. Die meisten Häftlinge sind Wiederholungstäter.

Vor seiner Arbeit im Gefängnis hatte Dr. Hauser mit Kindern, die Opfer von Sexualstraftätern wurden, zu tun. Jetzt kennt er die andere Seite der Medaille. Behandelt die Täter, nicht die Opfer.  „ Hier ist ein ganz anderer Umgang notwendig, trotzdem gibt es in gewisser Weise Parallelen“, so Dr. Hauser. „ Egal wie krass oder abstoßend ein Fall ist, ich muss immer professionell bleiben.“ Doch der Job hinterlässt Spuren. Verändert die Lebenseinstellung und ein Stück weit seine Persönlichkeit. „Als ich mit meinem Beruf im Gefängnis angefangen habe, meinte ein Kollege zu mir, der schon 40 Jahre lang im Amt war: Der Vollzug wird Sie verändern, Sie werden misstrauisch. Jetzt weiß ich, was er damals meinte“, so Dr. Hauser. „In diesem Job wird man oft angelogen. Viele Gefangenen versuchen in bestimmten Situationen alle Tricks anzuwenden, um die Mitarbeiter im Gefängnis zum Teil gegeneinander auszuspielen oder für ihre Zwecke zu benutzen.“ Sie testen ihre Grenzen gerade bei neuen Kollegen aus. Nicht immer gelingt es dem Psychologen das tägliche Misstrauen im Beruf, in seiner Freizeit auszuschalten.

„Man muss den Job vom eigenen Familienleben abgrenzen, die engsten Angehörigen können und wollen mit den schlimmen Delikten und Tätern nicht umgehen. Für mich ist das mittlerweile Alltag.“ Trotzdem gibt es Fälle, die ihm im Gedächtnis bleiben, die ihn beschäftigen. In solchen Situationen helfen Gespräche mit Kollegen, um andere Meinungen zu hören und mit allem besser umgehen  zu können. Dr. Hauser führt mit den Häftlingen Einzelgespräche und bietet Gruppenmaßnahmen, aber auch viel Dokumentation und Schreibarbeit, wie ein Vollzugsplan (eine Art Stundenplan für die Gefangenen),  Stellungnahmen von Anfragen Dritter wie zum Beispiel dem Gericht oder dem Justizministerium verfassen, Verhaltenstraining, Anti-Gewalt-Training und Problemlösetraining zählt zu seinen Aufgaben. Vor allem bei den Einzelgesprächen kommt es auf die Gesprächstechnik, Empathie und lösungsorientiertes Denken an. Rückfallprävention ist das Hauptziel.

Dabei arbeitet er mit den verschiedensten Berufsgruppen zusammen – u.a. mit Juristen, Lehrern, Sozialpädagogen, dem  allgemeinem Vollzugsdienst, Kollegen aus der  Seelsorge, und dem Verwaltungsdienst. „Gerade das macht die Arbeit so spannend. Ich habe mit den verschiedensten Menschen zu tun.“ Diskutiert und entschieden wird dann in Konferenzbeschlüssen, zusammen mit zehn bis fünfzehn Kollegen,  über das Schicksal und die Zukunft der Strafgefangenen.

Während sich ein Psychologe mit eigener Praxis vor allem mit Patienten beschäftigt, die freiwillig zur Therapie kommen, gestaltet sich die Arbeit eines Anstaltspsychologen schwieriger. „In erster Linie leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe. Wir motivieren die Häftlinge, die Therapieangebote zu nutzen.“  Und zwar aus innerer Überzeugung und nicht, weil sie sich einen Vorteil erhoffen, zum Beispiel früher entlassen zu werden. Die intrinsische Motivation ist hier besonders wichtig, die Häftlinge müssen an sich arbeiten. Zeigen, dass sie etwas an sich verändern wollen. Einsehen, dass ihre Einstellung nicht in Ordnung ist. Das Problem erst einmal erkennen. „Nur dann, kann ich ihnen auch wirklich helfen. Es ist schwer, einem Suchtkranken zu erklären, dass er ein ernsthaftes Problem hat. Viele spielen ihre Situation einfach runter.“ Oder schieben die Schuld auf andere, weit weg von sich. „ Solche Sitzungen sind besonders schwierig, weil sie den Ernst der Lage nicht erkennen wollen.“ Gerade bei Sexualstraftätern ist die Hemmschwelle hoch, sie reden selten über ihre Neigungen. Versuchen sogar, es vor ihren Mithäftlingen geheim zu halten. Doch das gelingt selten. Gerade wer Kinder als Opfer auswählte, genießt im Knast kein gutes Ansehen. Das spricht sich schnell rum.

 Niemand bekommt Therapiestunden aufgezwungen. Alle sechs Monate gibt es ein Gespräch mit den Gewalt- und Sexualstraftätern, ein Versuch, sie zur Therapie zu bewegen. In der JVA können sie auch ihre Lehre nachholen, eine Ausbildung abschließen- um später im Leben ein wenig leichter wieder Fuß fassen zu können. „Wer hier sitzt, hat oftmals eine verkorkste Biografie hinter sich. Hier haben sie Zeit diese wieder ein klein wenig gerade zu biegen.“

Sorgen um die eigene Sicherheit braucht sich Dr. Hauser nicht machen, es kommt selten  zu Handgreiflichkeiten. Falls doch, dann genügt ein Klick auf die Personennotrufanlage, ein kleines Gerät, das jeder Mitarbeiter bei sich trägt und innerhalb von kürzester Zeit ist Verstärkung bei dem Betroffenen. Ein System, das in einer JVA wie in Straubing dringend notwendig ist, um den Mitarbeitern den nötigen Grad an Sicherheit zu garantieren. Das Ziel ist es, die Strafgefangenen wieder so auf die Spur zu bringen, dass im Falle zum Beispiel einer anschließend angeordneten Sicherungsverwahrung, diese nicht mehr nötig ist. Eine wahre Herausforderung. „Schließlich hat es seinen Grund, warum es zu diesem Urteil kam.“

Psychologen  versuchen zu verstehen, was im Kopf der Gefangenen vorgeht. Sie müssen ständig auf der Hut sein, trotzdem ehrlich und authentisch bleiben. „Es geht nicht darum, Sympathie aufzubauen, man hat es konzentriert mit psychischen Abgründen zu tun.  Das darf man alles nicht so nahe an sich herankommen lassen. Abstand halten. Das ist zwingend notwendig.“  Psychologie, eine Arbeit zwischen Wissenschaft und Handwerk. „Spannend, wie Tatort –  nur real. Natürlich bewegt man sich in einem traurigen und ernsten Umfeld, aber ich habe das Gefühl, ich bin angekommen. Ich bin zufrieden mit meinem Beruf“, so Dr. Hauser. „Trotz allem, habe ich Spaß an der Arbeit und habe meinen Humor nicht verloren.“ Das ist eine Möglichkeit, mit den schlimmen Schicksalen von Tätern und Opfern umzugehen. „Ein Gefangener gehört trotzdem zu der Gesellschaft dazu, wir können ihn nicht auf eine einsame Insel verbannen. Im Gegenteil, er braucht die Chance, sich wieder einzugliedern.“ Nach Feierabend gibt Dr. Hauser seinen Schlüssel bei der Torwache ab und versucht damit auch einen Teil seines Kopfes, die wirbelnden Gedanken, im Gefängnis zurück zu lassen.

 

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