section_topline
Redaktions-Hotline: +49 (0)941 59 56 08-0
section_mobile_logo_top
section_header
section_navigation
section_breadcrumbs
section_component

Die Verunsicherung ist groß: Das Coronavirus beherrscht mit einem Mal unser Leben und sorgt für massive Einschnitte. Dr. Volker Busch, Neurowissenschaftler an der Universität Regensburg, erklärt, welche Auswirkungen die ungewohnte Situation auf unsere Psyche hat, warum hamstern menschlich ist und wie wir uns aus dem Klammergriff der Angst lösen können.

Herr Dr. Busch, das Coronavirus ist ein Thema, dass uns alle betrifft und beschäftigt. Was macht das psychisch mit uns?

Sehr viel. Das Coronavirus ist für uns momentan so belastend, weil wir alle keine Erfahrung damit haben. Alles was neu ist, erreicht einen emotional besonders stark: Die erste Liebe genauso wie die Führerscheinprüfung. Was wir zum ersten Mal erleben, hat eine gewisse Wucht. Das ist auch jetzt so, wir alle müssen uns auf etwas Neues gefasst machen: Von der Politik über die Medizin, die Wissenschaft, bis hin zur gesamten Gesellschaft. Das ist ein Faktor, der meiner Meinung nach extrem unterschätzt wird. Ich könnte mir aber vorstellen, dass wir emotional anders reagieren, falls wir nächstes Jahr wieder eine Epidemie haben sollten, weil wir dann schon gewisse Erfahrungswerte haben. Ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Punkt.

Es kommt ja nun z. B. zu Hamsterkäufen. Warum reagieren die Menschen so?

Es ist ein Urinstinkt des Menschen, dass er sich in Situationen, die er als unmittelbar bedrohlich empfindet, auf die Dinge besinnt, die ihn überleben lassen. Dazu gehört auch, dass man Lebensmittel hortet, dass man seine Lieben näher an sich heranholt oder dass manche Leute auf einmal anfangen, zu beten. Wenn alles läuft, kümmert man sich kaum darum. Man geht seiner Karriere und den anderen „unwichtigen“ Dingen des Lebens nach. Aber wenn wir etwas erleben, was vermeintlich unser Leben bedroht, kommen unsere Urinstinkte durch. So gesehen, kann man die Hamsterkäufe ein Stück weit verstehen. Es ist nicht sinnvoll, den Supermarkt für acht Wochen leer zu kaufen und auch anderen gegenüber nicht fair. Aber unterm Strich kann man das nachvollziehen, denn es ist menschlich und ganz natürlich.

Welche Rolle spielt die Angst dabei?

Wir müssen uns klarmachen: Wenn uns die Angst in einem Klammergriff hat, können Gedanken und Entscheidungen kaum vernünftig sein. Die Angst sorgt dafür, dass wir reflexartig handeln, denn sie hat den Sinn, uns überleben zu lassen. Das heißt aber eben nicht, dass uns die Angst kluge Entscheidungen für die nächsten fünf Jahre treffen lässt. Wer unter Angst steht, reagiert im Hier und Jetzt. So kommt es eben auch zu Hamsterkäufen oder dazu, dass man wütend ist oder dass man anderen die Schuld gibt. Das sind Kurzschlusshandlungen, die im Sofort passieren.

Wie können wir denn mit dieser Angst umgehen?

Wir müssen uns aus dem Klammergriff der Angst lösen. Das funktioniert, indem man einen Schritt zurück geht, durchatmet und dann nochmal auf seine Angst schaut. In diesem Moment verändern sich die Botenstoffe im Gehirn. Wir bekommen etwas Abstand und mit diesem Abstand kommt die Reflexion zurück. Nun kann man ganz nüchtern auf die Situation blicken: Was passiert um mich herum? Was ist Fakt und was bilde ich mir ein? Ist die Situation wirklich so schlimm oder übertreibe ich? Diese Trennung zwischen Realität und dem, was ich selbst zu meiner Angst beitrage, kann schon helfen, besonnener zu werden. Die zweite Frage, die man sich stellen kann: Gibt es Möglichkeiten, dass ich selbst etwas an der Situation verbessern kann? Kann ich zum Beispiel mich und andere vor dem Coronavirus durch entsprechende Maßnahmen schützen? Jeder hat da gewisse Stellschrauben zur Verfügung. Auch das beruhigt, weil man das Gefühl der Kontrolle zurückbekommt. Kontrolle ist eine wirksame Waffe gegen Angst. Das sind mentale Techniken, die jeder durchführen kann. Es ist gut untersucht, dass das funktioniert.

So wie es aussieht, wird die Corona-Krise nicht so schnell überstanden sein. Heißt das, die ganze Gesellschaft steht längerfristig unter dieser Anspannung?

Die Situation wird bleiben, aber ich denke, dass die Anspannung sinken wird. Die derzeitige Anspannung wird von einer gewissen Erregung getragen und diese Erregung kocht sich wieder ab. So neu die Situation gerade ist, wird daraus doch eine gewisse Normalität erwachsen – auch wenn wir in den nächsten Monaten vielleicht weniger Veranstaltungen besuchen, weniger ins Kino gehen und weniger Fußballspiele live ankucken können. Im Moment fällt es uns noch schwer, weil es neu ist und weil wir empört, aufgeregt und voller Angst sind. Aber das wird sich legen und in „Normalität“ übergehen. Ich denke, dadurch wird auch die Anspannung nachlassen, obwohl die Situation die nächsten Monate noch anspruchsvoll bleiben wird.

Besteht da nicht die Gefahr, dass sich jeder selbst der Nächste ist?

Wir sind eine Individualgesellschaft und da besteht immer die Gefahr, dass man vor allem an sich denkt. Ich bin aber überrascht und erleichtert, dass unsere Bevölkerung momentan relativ cool ist. Es gibt natürlich ein paar Ausnahmen, die eben übertriebene Hamsterkäufe machen oder in den Sozialen Medien Verschwörungstheorien und Fake News posten. Die meisten sind aber recht cool, unterhalten sich ganz normal, machen das Beste aus der Situation, blicken nach vorne – und machen auch mit: Waschen sich öfter die Hände und sehen ein, dass Großveranstaltungen abgesagt werden. Es ist wirklich Verständnis da. Und ich finde auch, dass die Politik momentan besonnen reagiert: Sie handelt sehr klar und sichert Hilfe zu. Nachdem in den letzten Monaten viele über die Demokratie geschimpft haben, dass jeder nur an sich denkt und nichts vorwärts geht, habe ich das Gefühl, dass nun alle an einem Strang ziehen. So schwer die Corona-Krise ist, kann ich ihr also auch eine kleine positive Sache abgewinnen: Sie gibt mir das Gefühl, wenn wir als Gesellschaft gemeinschaftlich etwas wollen, dann kann das auch klappen. Das finde ich sehr beruhigend.

Haben Sie noch einen Rat?

Besonnen bleiben. Jeder sollte einen Schritt zurücktreten, sich selbst ein bisschen zurücknehmen und an unsere Gesellschaft, an unser Kollektiv denken. Wenn uns das weiterhin gelingt, dann schaffen wir es auch gemeinsam aus der Corona-Krise. Das ist ein Lernprozess, aber ich glaube, dass er uns als Gemeinschaft auch weiterbringen kann.

Eventfilter

section_breadcrumbs
footer
Cookie-Einstellungen
nach oben