section_topline
Redaktions-Hotline: +49 (0)941 59 56 08-0
section_mobile_logo_top
section_header
section_navigation
section_breadcrumbs
section_component

Die Corona-Pandemie trifft alle hart – vor allem auch Unternehmen. Reiseausfälle, finanzielle Einbußen, drohende Insolvenzen, hinzu kommen neue Gesetze und Hilfspakete – kurzum: Es ist ein Wirrwarr, in dem kaum jemand mehr den Durchblick hat. Außer Experten. Rechtsanwalt Dr. Stephan Kolmann von BBL Bernsau Brockdorff Insolvenz- und Zwangsverwalter rät Unternehmen in dieser Sondersituation, mehrgleisig zu fahren.

Viele Unternehmen nutzen derzeit die neuen Instrumente, die der Gesetzgeber zur Verfügung gestellt hat, um die Covid-19-Folgen wirtschaftlich überleben zu können. Erste Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass beispielsweise Kurzarbeit sowie die Stundung von Steuern und Sozialabgaben als Maßnahmen zur Liquiditätssicherung für die Unternehmen grundsätzlich gut funktionieren. Ob es hinsichtlich der Dauer sowie der Höhe einer Nachjustierung seitens des Gesetzgebers bedarf, bleibt dabei abzuwarten. Die Bereitschaft, gerade für die kerngesunden Unternehmen mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell das Notwendige zu tun, ist vorhanden – und das ist auch gut so!
Für solche kerngesunden Unternehmen ist es aktuell auch kein großes Problem, die vielfältigen staatlichen Möglichkeiten – insbesondere das KfW-Sonderprogramm 2020 sowie die entsprechenden Landesmittel – zu nutzen, um zusätzliche Finanzierungen zu attraktiven Konditionen zu erhalten. Das notwendige Rating liegt bei „BB“ oder 2,8 Prozent Ausfallwahrscheinlichkeit – das entspricht einer Eigenkapitalquote von 30 Prozent. Die Unternehmen handeln nach dem Motto, das sich schon in Zeiten der Finanzkrise als die richtige Überlebensstrategie erwies: Flüssig bleiben!  Oder: Cash is not king – cash is emperor! Solche Finanzierungen laufen über die Hausbanken, die sich erfahrungsgemäß auf Bestands- und Kernkunden fokussieren.

Erweitern wir den Blick auf andere Unternehmen, ist zusätzlicher Liquiditätsbedarf und der Wunsch nach weiterer Finanzierung erst recht festzustellen. Zentrale Knackpunkte im Finanzierungsprozess sind vor allem der Nachweis einer positiven Fortbestehensprognose für das Unternehmen sowie die Forderung nach banküblichen Sicherheiten durch die Hausbanken. Denn diese müssen trotz staatlicher Sondermittel teilweise selbst ins Risiko gehen und wollen ihr Risiko natürlich minimieren. Dann ist häufig der Gesellschafterkreis gefragt. Er wird seinerseits abwägen, welche Chancen und Risiken sich aus der weiteren Geschäftsentwicklung (z.B. Dauer des Shut Down; zweite Corona-Welle; Stabilität von Kunden und Lieferanten; Rückführbarkeit der neuen/zusätzlichen Finanzierungen aus künftigen Überschüssen) ergeben. Sind zusätzlich investierte Mittel des Eigentümers dann ebenfalls verloren oder können sie realistisch helfen, die Krise zu überwinden? Reichen also die vorhandenen Kapitalreserven?

Wie aber soll reagiert werden, wenn die Risiken aus der Finanzierung und/oder aus der absehbaren Geschäftsentwicklung als zu hoch oder Chancen als unzureichend plausibel erscheinen? Der Unternehmens-(teil-)verkauf als schneller Exit kann eine Option – häufig die letzte Hoffnung – sein, doch sollten Kaufpreisvorstellungen realistisch bewertet werden. Die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erweist sich entgegen einer weitverbreiteten Fehleinschätzung als trügerisch. Denn sie hilft den Geschäftsleitern nur dann, wenn und solange eine plausible Aussicht auf Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit besteht.

Vapiano, Maredo, Esprit, Hallhuber oder auch Kaufhof sind Unternehmen, die schon in der Vor-Corona-Zeit besonderen Herausforderungen ausgesetzt waren. Mit dem Covid-19-Lockdown spitzte sich die Lage zu. Die genannten Unternehmen traten schon frühzeitig den Weg in ein Schutzschirmverfahren an, um in diesem Rahmen alternative Sanierungsoptionen zu nutzen, sich von Lasten der Vergangenheit zu befreien und insgesamt für die Zukunft neu aufzustellen. Strukturkosten und Kapazitätsüberhänge können aufgrund bestimmter Verfahrensprivilegien reduziert, sonstige Altlasten aus der Vergangenheit können abgebaut werden. Sonderregeln gelten ferner im Bereich der Lohn- und Gehaltskosten. Die Rekapitalisierung des Unternehmens sowie seine Redimensionierung an die künftigen Anforderungen verlangen grundsätzlich nicht, weiter die Vergangenheit mitzuschleppen.

Der eigentliche Vorteil eines Schutzschirmverfahrens besteht jedoch darin, dass die Vorbereitungen in großen Teilen identisch sind mit den Tätigkeiten, die im Rahmen des Finanzierungsprozesses ohnehin zu ergreifen sind. Der Mehraufwand hält sich also in Grenzen. Damit bietet sich die Möglichkeit, Finanzierungsverhandlungen und sonstige Gespräche parallel zu verfolgen, also mindestens zwei- oder sogar mehrgleisig zu fahren und Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Damit werden nicht nur verschiedene Alternativen ausgelotet, sondern es erhöht sich die Chance, die situationsgerecht beste Lösung für das Unternehmen und seine Stakeholder zu finden.

Ein Artikel von Dr. Stephan Kolmann
--------
Stephan Kolmann ist seit 2001 im Bereich der Restrukturierung und Insolvenzverwaltung tätig. Er übernimmt dabei auch Organfunktionen, um eine Sanierung im gerichtlichen Rahmen umzusetzen, etwa mit einem Insolvenzplan, sowie Liquidationen. Weitere Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind die rechtliche Beratung bei Unternehmens(ver)käufen in Krisensituationen, die Abwehr von Anfechtungsansprüchen sowie die Abwehr von Ansprüchen gegen die Mitglieder von Geschäftsführungs-/Aufsichtsorganen und gegen Gesellschafter, regelmäßig mit grenzüberschreitenden Bezügen.

Eventfilter

section_breadcrumbs
footer
Cookie-Einstellungen
nach oben