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Das Handwerk boomt. Schon seit einigen Jahren ist eine Renaissance der lange als antiquiert angesehenen Zunft zu erkennen. Kein Wunder - Können doch nur die in sorgfältiger Einzelproduktion entstandenen Produkte des Handwerks dem modernen Wunsch nach Individualität nachkommen. Denn mit Massenproduktion kann man sich ganz sicher nicht vom Mainstream abheben! Und dann ist da ja auch noch die gewisse Wertigkeit, die das Attribut „selbstgemacht“ verspricht.


Verbunden mit der romantischen Vorstellung, dass durch des Handwerkers Hände Arbeit dessen Schweiß aber auch seine Leidenschaft und Hingabe in das Produkt geflossen sind. Es ist diese liebenswerte Sorgfalt, die den Charme der handwerklich hergestellten Dinge ausmacht, die die Identitätslosigkeit der maschinell erzeugten Produkte kalt und unpersönlich erscheinen lässt.

Auch in Regensburg gibt es zahlreiche handwerkliche Betriebe, die mit Können und kreativen Ideen besondere Produkte erschaffen. Auf diese fleißigen Vertreter ihrer Zunft möchte der filter in den kommenden Monaten seinen Fokus legen. Vorgestellt werden verschiedene alteingesessene Regensburger Betriebe genauso wie neue kreative Kunsthandwerk-Zusammenschlüsse. In dieser Ausgabe soll sich alles um die Kunst des Hutmachens drehen. Stellvertretend für diese werden im Folgenden zwei Regensburger Betriebe vorgestellt.

Lilo Kincaid

Der Hutsalon von Lilo Kincaid befindet sich in Stadtamhof, etwa in der Mitte der Straße, die direkt an die Nordseite der Steinernen Brücke anschließt. Mit ihren bunten Häusern, die sich wie Zuckerperlen an einer Kette aneinanderreihen, bietet die Straße die perfekte Umgebung für die farbenfrohen Kreationen der gelernten Modistin. Seit 2015 erweitert sie mit ihren außergewöhnlichen Hüten, Mützen und Stirnbändern das vielfältige Angebot der Regensburger Schmuckstraße. Schon beim Betreten des kleinen Geschäfts erkennt man, dass die Kopfbedeckungen, die auf dem antiken Holztisch in der Mitte des Ladens und in den hell erleuchteten Regalen  an den Seitenwänden ausliegen, etwas Besonderes sind. Aber erst auf den zweiten Blick offenbart sich, woher diese Besonderheit rührt. Da ist diese kleine künstlerische Eigenwilligkeit, mit der die Hutmacherin die Nähte ihrer Modelle setzt und die unkonventionelle Herangehensweise, mit der sie verschiedene Stoffe und Materialien miteinander kombiniert. Diese machen ihre Kreationen extravagant und originell, ohne dabei ins Kitschige abzudriften.

Dies liegt wahrscheinlich an der Stilsicherheit der Designerin selbst. Was Trends angeht, kennt sich die gelernte Schneiderin und Modistin aus. Meist sind ihre Kreationen den aktuellen modischen Einflüssen sogar zwei bis drei Jahre voraus, wie sie verrät. Inspiration für ihre Hüte findet Lilo auf der ganzen Welt. „Ich bin gerne unterwegs“, schwärmt Lilo. Von ihren Reisen bringt sie allerdings nicht nur zahlreiche Eindrücke mit, die sie in ihren späteren Entwürfen umsetzt, sondern auch Stoffproben oder Möbel, mit denen sie auch ihren Verkaufsraum ausstattet.

Eine Wand des Verkaufsraumes zieren volkstümlich bayerisch anmutende Geweihe. Für Lilo keine Gegensätze, die sich ausschließen, sondern eine Komposition, die sie bewusst wählt und auch in ihren Hutkreationen wieder zu finden sind.  So durchzieht die roséfarbene Mütze aus modernem Webfell, die im Schaufenster steht, eine farbige Tresse, deren Muster an die Saumverzierungen klassischer Trachtenjanker erinnern. Neben diesen traditionellen Elementen finden sich auch Einflüsse der 60er und 70er in den besonderen Entwürfen der Hutmacherin. „Ich habe viele Sachen, die man aus der Kindheit kennt“, verrät Lilo. „Das passt irgendwie, schließlich verbindet man mit keinem anderen Lebensabschnitt dieses besondere Gefühl des Behütetseins“, fügt sie mit einem Lächeln hinzu.

Im Kindesalter saß Lilo auch zum ersten Mal an einer Nähmaschine. „Da hab ich gleich meinen ersten Wutanfall bekommen“, fügt sie mit einem Schmunzeln hinzu. Damals sei sie beim Einstellen der Stichlänge und  Fadenspannung durcheinander gekommen. Dies passiere ihr heute nicht mehr. Und auch sonst bleibt sie mittlerweile gelassen, wenn es mal nicht so läuft, wie geplant. Denn nicht selten kommt es vor, dass sich ein Werkstück während des Herstellungsprozesses in eine andere Richtung entwickle, als geplant. Die Hüte haben eben manchmal ihren eigenen Kopf – wie der Mensch an sich eben auch. „Einzigartig sind sie auf jeden Fall alle, denn nie wird ein Hut, wie ein anderer. Wie die Kopfbedeckung am Ende aussieht, hängt auch von meiner Tagesform ab“, erklärt sie und wendet sich dem Hutausweiter zu, der im hinteren Bereich des Ausstellungsraums steht, wo Lilo ihre kleine Werkstatt hat.

Auch Mützen für Männer sind vereinzelt in der Auslage zu finden. Diese fertigt sie jedoch meist nur auf direkten Kundenwunsch hin an. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der weiblichen Kundschaft. Mittlerweile hat sie einen Stab an Stammkundinnen, die gerne bei ihr im Laden vorbeischauen, um ihre neuesten Kreationen zu begutachten oder um sich mit der freundlichen Besitzerin zu unterhalten. Aber auch Hutneulinge trauen sich in ihren Laden: „Ich hab halt sonst nie was auf dem Kopf“, erklärt eine Kundin skeptisch. Zielsicher wählt Lilo ein Modell aus und zupft den Schnitt gekonnt auf dem Kopf der älteren Dame zu Recht. Das grüne Modell scheint der Kundin auf Anhieb zu gefallen. Trotzdem bleibt sie unsicher. „Ich bin eine schwere Kundin“, gesteht sie unsicher. „Jeder ist halt so, wie er ist“, winkt Lilo alle Zweifel ab. Und auch das ist es, was die Hüte von Lilo Kincaid besonders machen. Dieses Gefühl der Einzigartigkeit und der Akzeptanz dieser. „Jeder ist halt so, wie er ist.“ Mit Lilos Hüten kann man beides, die Eigenwilligkeit in sich nach außen tragen und zugleich gut behütet und geborgen durch den kalten Winter kommen.



Hutkönig am Dom

Seit fast 50 Jahren lassen sich Menschen aus aller Welt von der Hutmanufaktur Hutkönig gegenüber vom Regensburger Dom behüten. Die Brüder Andreas Nuslan und Robert Nuslan führen den Laden in nun schon 5. Generation im Herzen der Donau-Altstadt. Und das ist die Manufaktur auch für die Brüder: eine Herzensangelegenheit, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Doch bei dem Handwerk des Hutmachers handelt es sich um eine Tätigkeit, die am Aussterben ist. Wir haben den Laden der Hutkönige besucht, in dem schon der thailändische König seinen Kopf durch die Brüder hat einkleiden lassen. Der Ventilator rattert unaufhörlich in der ersten Etage des Hutkönig-Ladens im Herzen der Regensburger Altstadt. Es ist ein heißer Tag, an dem die Sonne kräftig auf das Kopfsteinpflaster brennt und Sommerstimmung aufkommen lässt. In dem gelben Haus, gegenüber dem Regensburger Dom, wo die „Hutkönige“ Robert und Andreas Nuslan ihre Hüte beheimaten und verkaufen, ist es an diesem Tag angenehm kühl. Bis unter die Decke sind hier Hüte gestapelt, insgesamt befinden sich dort circa 12.000 Kopfbedeckungen in allen Formen, Größen und Farben.

Das Erste und fast das Einzige, was man in dem Laden sofort sieht, sind Hüte. Der Laden spiegelt wider, dass es sich hier um einen Familienbetrieb in 5. Generation handelt. Es riecht ein wenig nach Museum und nach altem Teppichboden. Im Erdgeschoss werden die Hüte in dunklen Holzregalen präsentiert. Schräg gegenüber der Kasse an der Decke hängt ein alter Fernseher, über dessen Bildschirm eine Reportage über den Hutladen flimmert. Der Weg in den ersten Stock ist durch Rohlinge, die auf den Treppenstufen liegen, geziert. Der erste Stock ist in hellen Farben gehalten. Dort befinden sich die Hüte in weiß angestrichenen Regalen. Durch das schwarze verschnörkelte Geländer und die Diamanten-Lampe an der Decke erhält der Laden dort plötzlich ein elegantes Flair im Gegensatz zum Erdgeschoss. Es scheint, als habe sich, seitdem die Manufaktur 1968 ihren Platz gegenüber vom Dom eingenommen hat, dort im Großen und Ganzen nichts mehr geändert. Der Laden hat etwas Altes und Ehrwürdiges an sich, von dem klinischen Hochglanz wie in den modernen Modeläden ist hier keine Spur zu sehen. Im Mittelpunkt steht das, was hier von Robert und Andreas Nuslan entworfen, produziert und verkauft wird: Hüte.

„Mein Lieblingshut ist der Playboy-Hut“. Robert Nuslans Lippen umspielt ein leichtes Lächeln, während er dies sagt. „Der Playboy-Hut entstand bei einer Reportage des Magazins Playboy, das in mehreren Ausgaben 1996 über ein aussterbendes Handwerk berichtete. So wurde auch eben über uns berichtet. Mein Bruder Andreas hat sich dann den Playboy-Hut einfallen lassen.“ Der Hut hat die Form eines Indiana-Jones-Hutes und ist bis heute Robert Nuslans Lieblingshut. Der Hutverkäufer Robert Nuslan ist ein mittelgroßer, 60-jähriger Mann mit blauen Augen und grauem Haar. Er trägt eine rote Hose und ein weißes Polo-Shirt mit dem Logo der Hut-Manufaktur über der linken Brust. Auf seinem Kopf trägt er einen grauen Trilby Hut mit einem schmalen Rand – ein Klassiker des Ladens. Er wirkt sehr verhalten und ernst, ab und an leuchtet aber doch ein Lächeln über sein Gesicht. Sein Bruder Andreas Nuslan ist Modist und Hutmacher und besitzt in beiden Handwerken den Meisterbrief.

„Mein Bruder ist die meiste Zeit in unserer Hutmacherei im Norden von Regensburg, ich bin hier im Laden und unter anderem für den Verkauf und die Pressearbeit zuständig.“ Die Geschwister führen den Familienbetrieb, der seit 1875 existiert, zusammen fort. Mehrere Kunden huschen durch den Laden und bewundern gebannt die ausgestellten Hüte. Viele schauen sich nur fasziniert um und kaufen nichts, aber das Interesse an einem Hut ist bei jedem unverkennbar groß. Sobald Robert Nuslan Kunden erblickt, erhellt sich sein Gesicht. Er unterstreicht im Gespräch oft, dass es sich hier nicht nur um einen Beruf für ihn handelt, sondern auch um eine Leidenschaft, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Die Hauptkunden des Ladens sind Einheimische.  Jedoch statten auch oft internationale Kunden, besonders Schiffstouristen aus Japan, Kanada oder Amerika dem Laden einen Besuch ab, um sich einen Hut als Souvenir zu sichern.

„Die internationalen Kunden sind das Salz in der Suppe. Sie kommen aus Ländern, in denen viele Hüte getragen werden. Unsere Hüte sind sehr leicht und nicht so schwer wie die meisten Hüte, deswegen sind unsere besonders gut zu tragen.“ Auch prominente Kunden lassen sich von den Geschwistern behüten. Dazu zählen der ehemalige Papst Benedikt, der Schauspieler Jan Josef Liefers, Rallyefahrer Walter Röhrl, Fürstin Gloria oder aber auch der thailändische König.

„Die am weitesten entfernte Kundschaft kommt aus Honolulu.“, Robert Nuslan lehnt sich in seinem Stuhl zurück, der Stolz in seinem Gesicht ist kaum zu übersehen. „Und für den Walt-Disney-Film ‚Der verrückte Hutmacher’ haben wir den Hut gemacht.“  Er spricht nie von sich oder nur von seinem Bruder, sondern immer von einem ‚Wir’. Daran kann man ebenfalls die lange Familientradition des Ladens erkennen und wie wichtig es ihm ist, dass diese auch erhalten bleibt. Auch wenn der Laden prominente Kunden aus aller Welt anzieht, die gerne viel Geld für einen guten Hut ausgeben, gibt es trotzdem Hüte für kleineres Geld. Obwohl sich die Durchschnittspreise für einen Hut zwischen 100 Euro bis 150 Euro bewegen und sogar gerne mal die 1000 Euro Grenze überschreiten, kann man auch Hüte für 10 Euro kaufen. „Wir haben für jeden einen Hut“, sagt Robert Nuslan.



Laut eigenen Aussagen können sich die Regensburger Hutkönige über fehlende Kundschaft nicht wirklich beklagen, jedoch ist das Handwerk des Hutmachers und Modisten am Aussterben. Doch mehr Leute legen wieder Wert auf Qualität und verzichten darauf, einen günstigen Hut in einer Modekette einzukaufen. „Die Menschen wollen wieder mehr Individualität und Qualität, bei der der modische Aspekt aber auch im Vordergrund steht.“ Die Herstellung eines Hutes in der Hutmacherei Regensburg nimmt zwei bis drei Tage in Anspruch. Bei der Herstellung eines Filzhutes wird zuerst der Rohling mit heißem Wasserdampf auf die gewünschte Holzform gezogen. Eine Anformmaschine greift nach dem Stumpenrand, zieht und streckt ihn. Nach dem ersten Trocknen, wird der Stumpen so gebrochen, dass eine Krempe ab der Bandstelle entsteht. Der Filz wird daraufhin gebügelt und getrocknet. Insgesamt fünfzig bis achtzig Mal wird ein Hut in die Hand genommen, bis er fertig ist.

Robert Nuslan blickt nachdenklich auf seine gefalteten Hände. Die Frage, was er sich für seinen Betrieb wünscht, lässt den redseligen Hutverkäufer für einige Sekunden schweigen. Schließlich fängt er langsam an zu sprechen, er wählt jedes Wort mit Bedacht aus. „Wir wünschen uns für die Zukunft, dass jeder wieder einen Hut trägt, wie in den zwanziger Jahren, da ging eine Dame nicht ohne ihre Kopfbedeckung aus dem Haus. Der Hut soll meiner Meinung nach wieder zur normalen Kleidung Pflicht sein. Und die Leute sollen wieder mehr Mut haben, einen Hut zu tragen.“ Der Ventilator rattert immer noch leise im Hintergrund und wirbelt die warme Luft im Raum umher. Robert Nuslan zieht zum Abschied seinen Hut. Er widmet sich mit einem verschmitzten Lächeln wieder seiner selbsternannten Leidenschaft, welche in den Regalen gestapelt ist, zu. Es fühlt sich an, als ob man ein kleines behütetes Paralleluniversum verlässt, sobald man wieder einen Fuß aus dem Laden setzt. Und plötzlich ist man wieder in der Realität angekommen, inmitten der Regensburger Altstadt, direkt gegenüber vom Dom.

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