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Bereits vor fünf Jahren ging es in Regensburg um nichts Geringeres als um die Ehre der bayerischen Justiz. Nachdem Gustl Mollath aufgrund diverser Justizfehler für sieben Lebensjahre in der Psychiatrie landete, wurde der Fall am Landesgericht Regensburg unter dem Vorsitz von Elke Escher neu aufgerollt und die Unterbringung Mollaths in der Psychiatrie für rechtswidrig erklärt. Vom 24. September 2018 bis zum 4. Juli 2019 ging es am Landgericht Regensburg erneut um die Ehre – abermals unter dem Vorsitz von Elke Escher. Der Prozess um den vorläufig suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs deckte während der Verhandlung gravierende Pannen und Patzer der Ermittler auf, die wie ein Ruck durch die Stadtgesellschaft gingen und selbst vom Chefermittler als „peinlich“ bezeichnet wurden.

 

„Niemals Fehler zu begehen und alles richtig zu machen, ist das Vorrecht der Götter“, erklärte bereits der griechische „Star“-Redner Demosthenes. Dennoch scheint es in der sogenannten Regensburger Korruptionsaffäre auffallend häufig zu Fehlern gekommen zu sein, die nicht nur von Wolbergs’ Verteidiger Peter Witting als „dramatisch fehlerhaft […] von Anfang an führungslos und völlig daneben“ bezeichnet wurden. Auch die Vorsitzende Richterin Elke Escher rügte die zu Tage getretenen Ermittlungsfehler sowohl während der Verhandlungstage als auch während der Verlesung des (aktuell noch nicht rechtskräftigen) Urteilsspruchs. Die Reihe der erst innerhalb des Prozesses offenbar gewordenen Ermittlungsfehler scheint erdrückend. Zumal sich die Ermittlungspraktiken teilweise außerhalb des geltenden Rechts bewegt hatten: massive Eingriffe in die Grundrechte der Angeklagten (beispielsweise das nicht rechtmäßige Abhören und Verschriftlichen von Gesprächen zwischen Angeklagten und Verteidigern), fehlerhafte Verschriftlichungen von Telekommunikationsüberwachungen, Nichteinhalten der Löschung von unrechtmäßigen Aufnahmen, dafür jedoch die Löschung von unrechtmäßigen Aufnahmen mit entlastendem Inhalt, Auslassungen und Tippfehler bei den Abhörprotokollen sowie unrechtmäßig beschlagnahmte Akten – das sind wohl die gröbsten Schnitzer der Ermittler.

Der Stoff, aus dem Dynamit ist

Das sich stetig wiederholende Auftauchen von immer gleichen Fehlern innerhalb des Ermittlungsverfahrens bot über Monate hinweg genügend Stoff für die Verteidigung, das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als mangelhaft herauszustellen. Der Tenor der Anwälte der Angeklagten: Das Verfahren verletze das Fair-Trial-Gebot und müsse deswegen auch eingestellt werden, und die Staatsanwaltschaft solle ihren „Sauhaufen“ aufräumen. Da Wolbergs laut eigenen Aussagen auch über keinen „Plan B“ verfüge, hingen seit dem Vorwurf der Korruption vonseiten der Staatsanwaltschaft nicht nur Wolbergs’ Amt, sondern seine gesamte Existenz am seidenen Faden. Gerissen ist allerdings nur dessen Geduldsfaden: Seine offensichtlichen, zum Teil persönlichen Angriffe auf die Staatsanwaltschaft sorgten dabei immer wieder für Eklats im Sitzungssaal. So hallten beispielsweise seine Titulierungen für den ab Januar 2019 zusätzlich anwesenden Oberstaatsanwalt Markus Pfaller, „Obergschaftler“ und „Anstandswauau“, mehrfach durch die Presse. Zumal Wolbergs’ komplette Aussage „Jetzt sitzt also ein Anstandswauau dabei“ die Kompetenzen der Behörde zusammen mit den aufgetauchten Ermittlungsfehlern in ein noch zweifelhafteres Licht rückten. Dass Pfallers anschließende Ordnungsversuche nach Ausrastern des Angeklagten Wolbergs von der Vorsitzenden ,zurechtgewiesen‘ wurden, rundete die Außenwirkung ungünstig ab. Laut Prof. Dr. Henning Müller, Lehrstuhlinhaber für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Regensburg, sei hier ein derartiges Monieren oder gar Mokieren der behördlichen Personalentscheidung jedoch unangebracht. Immerhin stelle der Prozess „das längste und auch politisch bedeutendste Verfahren [dar], das je in Regensburg verhandelt wurde“, so Prof. Dr. Müller. Das Aufstocken der Staatsanwaltschaft ist für ihn eher eine Reaktion auf die Anwesenheit „etlicher erfahrener und professioneller StrafverteidigerInnen in der Hauptverhandlung“. Überdies seien die Staatsanwältinnen trotz massiver persönlicher Angriffe ruhig geblieben – was ihm durchaus Respekt einflöße.

Zum Leidwesen der Staatsanwaltschaft wurden die Betitelungen aber keineswegs als verfemend eingestuft, sondern wurden von der Vorsitzenden Elke Escher weitestgehend „geduldet“. Sie machte sich während des Prozesses sogar zur Aufgabe, den Begriff des „Obergschaftler“ mittels Duden auf das Wort „Wichtigtuer“ herunter zu brechen und die Legitimität des Ausdrucks auf Wolbergs’ Recht der freien Meinungsäußerung zu stützen. Feststeht, dass sich derartige Entgleisungen mit einem staatsmännischen Auftreten zwar nur schwer in Einklang bringen lassen, doch auch Elke Escher stellte während ihrer Urteilsverkündung klar, dass Wolbergs’ ausfallendes Verhalten vor dem Hintergrund der Umstände „nachvollzierbar“ gewesen sei. Immerhin habe die Staatsanwaltschaft bis zum „bitteren Ende“ versucht, ihre Vorwürfe der Bestechlichkeit aufrechtzuerhalten. Übriggeblieben ist von den Anschuldigungen allerdings nur sehr wenig: „Lediglich zwei Fälle der Vorteilsannahme im Zusammenhang mit den Parteispenden der Jahre 2015 und 2016 (insgesamt rund 150.000 Euro) [sind ihm] anzulasten“, urteilte Richterin Escher am 3. Juli 2019 (Anm.d.Red.: Die gestückelten Spenden an den SPD-Ortsverein wurden im Anschluss für den Wahlkampf verwendet und nicht zur persönlichen Bereicherung). Die Kosten für den hochkarätigen Rechtsbeistand, der Vollzug der sechswöchigen Untersuchungshaft sowie die Reputationsschäden durch die mediale Berichterstattung hätten den aktuell immer noch suspendierten Oberbürgermeister ruiniert, sodass das Gericht trotz der festgestellten Schuld und Strafwürdigkeit von einer Strafe absah. Das bereits von Cicero als gerecht erachtete Strafmaß „Die Strafe soll nicht größer sein als die Schuld“ findet hier im Rahmen des § 60 StGB „Absehen von Strafe“ Anwendung. Aktuell befinden sich alle Instanzen bis auf eine in Revision – die Höhe der weiterführenden Kosten bleibt noch unklar. (Einen kurzen Kommentar zum Urteil finden Sie auf Seite XX)

Das Abhörfiasko

Doch das war noch lange nicht alles: Auch die Verhandlungen selbst sowie die Ermittlungen im Vorfeld des sogenannten Regensburger Korruptionsprozesses wurden immer wieder von nicht erklärbaren Pannen überschattet. Die meisten Fehler ereigneten sich dabei in einer mit vielen Mängeln behafteten Telekommunikationsüberwachung (TKÜ).

Eine TKÜ wird in der Regel vom Gericht angeordnet. Besteht „Gefahr im Verzug“ ist allerdings auch die Staatsanwaltschaft zur Anordnung legitimiert. Überwacht werden darf hier laut § 100a der StPO derjenige, bei dem „bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen“, dass er eine schwere Straftat begangen hat. Im Falle Wolbergs’ wurde die TKÜ aus Sicht der Staatsanwaltschaft durch den erhärteten Verdacht der Korruption legitimiert. Ausgenommen von der TKÜ sind allerdings die Kernbereiche privater Lebensgestaltung und Zeugnisverweigerungsberechtigte, worunter Verlobte, Ehegatten, Lebenspartner, Verwandte sowie Verschwägerte des Beschuldigten zählen. Auch Gespräche mit dem Verteidiger fallen in diese Kategorie, da er in einem besonderen Vertrauensverhältnis mit seinem Mandanten steht. Werden Gespräche mit diesen Personen abgehört, müssen sie unverzüglich gelöscht werden. Die Erlangung und Löschung ist dabei immer zu dokumentieren – so zumindest schreibt es das geltende Recht vor.

Im Laufe der Ermittlungen innerhalb der sogenannten Regensburger Korruptionsaffäre wurden unter Anwendung der TKÜ insgesamt 2.286 Stunden an Arbeitszeit in die automatische Überwachung der gesamten Telekommunikation der Verdächtigen investiert, 10.465 Telefonate erfasst, 342 Stunden an Telefongesprächen aufgezeichnet und verschriftlicht. Zudem wurden die Aufenthaltsorte dokumentiert und ein umfassendes Bewegungsprofil der Angeklagten erstellt. Während die Verteidigung bereits bei der angefallenen Menge an Daten von einer Rechtswidrigkeit sprach, wurde im Sitzungssaal 104 durch das Abspielen vereinzelter Telefonate erst nach und nach aufgedeckt, wie es um die protokollarische Richtigkeit der dokumentierten Gespräche eigentlich steht und wie viele Fehler sich in die angefertigten Protokolle eingeschlichen hatten. Erst hier zeigte sich nämlich, dass nicht nur kurze und längere Passagen bei der schriftlichen Wiedergabe fehlten, sondern ganze Teile der Inhalte falsch wiedergegeben wurden. Der Chefermittler versuchte indessen die Pannen durch das Anfallen von rund 100 Millionen Datensätzen zu erklären, von denen er nicht sagen könne, ob alle Daten tatsächlich überprüft wurden. Auch habe er die beanstandeten Telefonate nicht auf den Tisch bekommen, da sie als nicht tatrelevant galten.

Die Problematik verschärfte sich jedoch zusehends, als bekannt wurde, dass die Auslassung einiger Passagen zur fälschlichen Belastung der Angeklagten führte. Insbesondere das Nichtlöschen von rechtswidrig aufgezeichnetem Material erhärtete in Kombination mit der Löschung von nicht rechtmäßig aufgezeichnetem, aber entlastendem Material die Vermutung der Verteidigung, die Staatsanwaltschaft habe einseitig und zwar zu Lasten der Mandanten ermittelt. Auch wenn die Staatsanwaltschaft dies vehement dementierte und der Chefermittler vor Gericht aussagte, von der Staatsanwaltschaft mehrfach ermahnt worden zu sein, auch Entlastendes zu ermitteln, könnte die Ermittlungspraxis womöglich ganz anders ausgesehen haben.

Laut Prof. Dr. Müller seien Fehler während des Ermittlungsverfahrens keine Seltenheit. Denn diese „treten auch in anderen Verfahren, teilweise auch gehäuft, auf“. Dass sich ein Vorsitzender Richter mit einer mangelhaften TKÜ auseinandersetzen muss, kommt somit durchaus häufiger vor, als man als Unbeteiligter vielleicht vermuten möchte. Auch „dass Staatsanwaltschaft und Polizei nur in eine Richtung ermitteln, ist relativ häufig der Fall“, quittiert Prof. Dr. Müller, der auch den Fall Mollath mit Kommentaren begleitet hatte. „Im hiesigen Fall hat die gute Verteidigung alles ans Licht gebracht. Ich befürchte, dass im ,Normalbetrieb’ viele Fehler gar nicht aufgedeckt werden“, fügt Prof. Dr. Müller hinzu.

Die Vorsitzende Richterin Elke Escher hingegen rügte nicht nur die Abhörmethoden während des Ermittlungsverfahrens, sondern bezeichnete diese auch als „massiven Verstoß gegen die Grundrechte“ und ordnete sowohl die Löschung von etwa 100 unrechtmäßig aufgezeichneten Gesprächen als auch die Neuverschriftung von 111 Protokollen an. Problematisch empfand sie auch die Nichtinformation von Unbeteiligten, die bei Gesprächen mit den Angeklagten mit abgehört wurden. Darunter befindet sich auch die SPD-Landtagsabgeordnete Margit Wild, die bereits eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Staatsanwaltschaft eingereicht hat.

Neben der Verzerrung von Tatsachen werfen die schlecht protokollierten Telefonate noch ein anderweitiges und viel schwerwiegenderes Problem auf: die von der Verteidigung oftmals harsch kritisierten Haftbefehle. Auch wenn sich die Staatsanwaltschaft zu Recht darauf beruft, dass es sich bei den Protokollen keineswegs um Beweismittel handele, sondern die Telefonmitschnitte als Beweise angesehen werden müssten, fußen sowohl die Haftbefehle als auch die Anklage auf den fehlerhaften Protokollen der Ermittler. Ein Haftbefehl hätte sich wohl allein durch die korrekte Verschriftung aufgelöst. Bedenkt man, dass die Verteidiger erst ein halbes Jahr nach ihrem Antrag auf Akteneinsicht die Unterlagen ausgehändigt bekamen, erscheint die Situation sogar noch prekärer. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft wurde dabei bereits am 24. Juli 2017 vom Gericht kritisiert und die Herausgabe der vorher „faktisch versagten Akten“ an die Verteidigung angeordnet. Bereits drei Tage später erhob die Staatsanwaltschaft Anklage.

Regensburg als geeigneter Verhandlungsort?

Doch hätte der Prozess überhaupt in Regensburg stattfinden dürfen? Diese Frage stellte Heribert Prantl, Journalist, ehemaliges Mitglied der SZ-Chefredaktion und Honorarprofessor für Rechtswissenschaft an der Universität Bielefeld, in seinem Artikel „Ein Bürgermeisterskandal! Ein Justizskandal? Oder beides?“ kurz vor der Urteilsverkündung im Juli 2019 in den Raum. Denn für ihn war und ist die „Wirtschaftswunderstadt Regensburg […] zu klein, zu verbandelt, zu versippt für ein so großes Strafverfahren gegen den eigenen Oberbürgermeister“. Auch wenn er in seinem Artikel durchaus damit Recht behält, dass sich die Verstrickungen durch persönliche Zu- und Abneigungen sowie durch Interessenkonflikte verkomplizieren – von dem im Übrigen auch die Bewertung des Belastungszeugen Schlegl als unglaubwürdig zeugt –, vertritt Prof. Dr. Müller eine gänzlich andere Meinung. Auch wenn er Herrn Prantl schätze, liege er mit seiner Aussage wohl etwas daneben. Denn „der Prozess hätte gar nicht […] vor einem OLG geführt werden dürfen – das wäre ein direkter Verstoß gegen Art. 101 des Grundgesetzes gewesen. Die Ermittlungen hätte man zwar auch von einer Staatsanwaltschaft außerhalb Regensburgs führen können, aber dann wäre erst Recht vermutet worden, die Ermittlungen seien politisch irgendwie ,von oben‘ gesteuert“, kommentiert er die Ausführungen seines Kollegen.

Zulässigkeit der U-Haft?

Größter Zankapfel des Prozesses ist und bleibt jedoch die von der Staatsanwaltschaft geforderte U-Haft aufgrund akuter Verdunkelungsgefahr. Doch nicht allein, weil sie Wolbergs letztendlich die Suspendierung einbrockte. Denn bereits während der Verhandlung stellte sich das Gericht mehrmals gegen die Staatsanwaltschaft: Dort, wo die eine Seite eine für die Anordnung eines Haftbefehls notwendige Verdunklungsgefahr witterte, sah die andere während des Prozesses in wiederholtem Maße keine Gefahr, bis schlussendlich von fünf vermuteten Verdunkelungsgefahren in Summe eine übrigblieb. Was aber bleibt von der Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft nach der Herabstufung der Anklage von Bestechung zu Vorteilsannahme, den überbordenden Ermittlungsfehlern, der „lediglichen“ Vorteilsannahme in zwei Fällen? Zumal die Verteidigung die Untersuchungshaft vielfach als unrechtmäßig kritisierte.

Auch für Prof. Dr. Müller erscheint die U-Haft zumindest rückblickend als „unverhältnismäßig und ungerechtfertigt“. Aber „,rückblickend‘“, erklärt er ferner, „ist hier nicht der zutreffende Bewertungsmaßstab. Man kann die Rechtmäßigkeit einer U-Haft nur aus der Perspektive ,ex ante‘ beurteilen, also mit den Informationen, die dem Gericht zum Zeitpunkt der Anordnung vorlagen“. Und zu diesem Zeitpunkt sei offenbar der Tatverdacht der Bestechlichkeit vorgelegen, der sich aber später nicht bestätigt habe. Überdies sei es häufig der Fall, dass die „U-Haft zu einem Zeitpunkt angeordnet wird, in dem die Frage, ob sich der Verdacht bestätigen wird, noch offen ist“. Ob die Verdunkelungsgefahr damals richtig beurteilt wurde, könne aber auch er ohne Akteneinsicht nicht beurteilen, zumindest sei die Untersuchungshaft vom OLG Nürnberg bestätigt worden. „Wenn dies aufgrund falscher Telefonüberwachungsprotokolle geschah, wie die Verteidigung angedeutet hat, wäre dies in der Tat ein Skandal.“ Seines Erachtens werde die Untersuchungshaft ohnehin zu häufig angeordnet. Denn für erstmals unter Verdacht stehende Beschuldigte stelle die Untersuchungshaft ein einschneidendes Erlebnis dar, und im Falle Wolbergs hätte die Verdunkelungsgefahr wohl „auch ohne Untersuchungshaft eingedämmt werden können.“

Cui bono?

Bereits zwischen Verhaftung und Anklageerhebung rumorte es in der Stadtgesellschaft gewaltig. Immer wieder wurde gemunkelt, dass bei einem möglichen Scheitern der Anklageerhebung wohl oder übel Köpfe in der Regensburger Staatsanwaltschaft rollen müssten. Und wahrlich: Mit dem ersten Akt der sogenannten Regensburger Korruptionsaffäre hat sich die Staatsanwaltschaft einen sagenhaften Bärendienst erwiesen und den Eindruck eines unsachgemäßen Umgang mit der Causa Wolbergs verdeutlicht – und das bereits von Anfang an. Dabei sind die skandalösen Patzer des Ermittlungsverfahrens, die stetigen Rügen durch das Gericht, die Demontage der Anklagepunkte durch die Verteidigung, die Nicht-Verwertung der Verhandlungsergebnisse im Plädoyer der Staatsanwaltschaft und das deutliche Distanzieren des Gerichts von der geforderten Strafbemessung vonseiten der Staatsanwaltschaft nicht nur bei einer Wiederholung im zweiten Akt in der Lage, Zweifel an der gängigen Ermittlungspraxis zu säen. Schon jetzt hat das Vertrauen in die Staatsanwaltschaft eine deutliche Kerbe davongetragen, die sich in den Köpfen der Gesellschaft wohl nur schwerlich wieder ausbügeln lässt.

Denn nicht jeder hat das Glück, sich einen Topanwalt oder gar eine ganze Schar von Anwälten leisten zu können, die hauptsächlich damit beschäftigt sind, unzählige bedeutsame Verfahrensfehler aufzudecken. Die Staatsanwaltschaft steht schließlich vor einer nicht zu vernachlässigenden Verantwortung gegenüber der gesamten Gesellschaft. Mit ihr steht und fällt ein bedeutender Eckpfeiler unseres demokratischen Systems: die im Grundgesetz gesicherte Gleichheit vor dem Gesetz. Doch diese wird augenscheinlich durch fahrlässige Ermittlungsfehler ausgehöhlt, um sich schlussendlich an den zur Verteidigung zur Verfügung stehenden Mitteln zu bemessen. Wer sich keinen Staranwalt leisten, sondern ,lediglich‘ auf den Pflichtverteidiger zurückgreifen kann, muss darauf vertrauen können, dass fair und gründlich ermittelt wird. Dass Belastendes und Entlastendes in ein Plädoyer der Staatsanwaltschaft einfließt. Dass das Gericht, hier durch die Personalie Elke Escher vertreten, in der Lage ist, die Fehler weitestgehend wieder gut zu machen und in die Urteilsfindung miteinfließen lässt – egal ob man mit dem aktuellen Urteilsstand zufrieden ist oder nicht. Wohin die Ansammlung behördlicher Fehler führen kann, hat schließlich Gustl Mollath am eigenen Leib erfahren.

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