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Corona hat in den letzten eineinhalb das politische Leben bestimmt. Dabei steht der Landkreis vor großen Herausforderungen: Digitalisierung, Breitbandausbau und sozialer Wohnungsbau gehören zu den Entwicklungsschwerpunkten der Region. Wir haben uns mit Landrätin Tanja Schweiger über ebendiese Punkte unterhalten und zudem nachgefragt, wie sie die Pandemie erlebt hat.

Frau Schweiger, wir haben turbulente Zeiten hinter uns. Wie haben Sie die Einschränkungen der Corona-Krise privat erlebt und auf was haben Sie sich nach den Lockerungen am meisten gefreut?

Das gesellschaftliche Miteinander hat mir sehr gefehlt – sowohl im Beruf als auch im Privaten. Ich habe es sehr vermisst, mit den Menschen persönlich in Kontakt zu kommen. Dieses ungezwungene im Dorf spazieren gehen, irgendwo stehen zu bleiben und ein bisschen ratschen zu können. Ich erlebe es daher als große Bereicherung, dass es nun wieder möglich ist, bei meinen Terminen und bei Veranstaltungen die Bürgerinnen und Bürger zu treffen und Gespräche zu führen.  

Als Mutter von zwei kleinen Kindern, eines davon im Grundschulalter, waren auch Sie von der flächendeckenden Schließung der Schulen betroffen. Wie kam Ihre Familie in den vergangenen Monaten mit dem Homeschooling zurecht? Und wie hat sich die Schließung der Schulen in Ihren Augen auf Ihre Familie ausgewirkt?

Es war anstrengender und aufwändiger. Vorher war ja alles eingespielt: Das Kind geht in die Schule, geht nach Hause, macht selbstständig seine Hausaufgaben, geht zum Sport oder trifft sich mit Freunden. Und plötzlich sitzt es zuhause und muss seinen Vormittag mit Homeschooling selbst gestalten. Das schafft ein Kind natürlich nicht ganz alleine und da musste man natürlich da sein. Aber generell waren in dieser Pandemie die Kinder unverhältnismäßig belastet. Sie gehörten mit zu den Ersten, die Maske tragen mussten, konnten ihre Freunde nicht treffen und nicht zur Schule gehen. Auch in meiner Familie war Homeschooling natürlich ein Thema. Gerade für Schulanfänger, die ja gerade erst Lesen und Schreiben lernen, kann Homeschooling den persönlichen Unterricht mit einer Lehrkraft nicht ersetzen. Das muss jetzt nachgeholt werden. Noch viel wichtiger als der Lehrstoff ist es aber, das unbefangene Spielen mit anderen Kindern und Lebensfreude wieder aufzuholen.   

Politiker bieten als öffentliche Personen oft eine große Angriffsfläche für Parodien oder Satire. Was halten Sie von Formaten wie den Landtagslift von Antenne Bayern oder die Superbayern von Bayern 1, in dem auch Ihr Lebenspartner fast täglich auf die Schippe genommen wird?

Ich muss gestehen, dass ich das vom eigenen Hören gar nicht kenne, sondern immer nur darauf angesprochen werde (lacht). Aber das eine oder andere muss man wohl aushalten, wenn man in der Öffentlichkeit steht – zumindest wird das erwartet. Ob das alles nun lustig ist oder nicht, das müssen die Hörer aber selbst entscheiden. Bei mir kommt das eigentlich selten an. Aber wenn was ankommt, dann schreiben mir die Menschen und sagen: „Sorgen Sie mal dafür, dass Ihr Lebensgefährte nicht immer so durch den Kakao gezogen wird!“ (lacht). Aber das Thema ist insgesamt sehr vielschichtig. Man muss wohl auch froh sein, wenn Politik irgendwie rüberkommt und von den Medien aufgegriffen wird. Viele warten auch Jahre lang, um so wichtig zu sein, dass sie in diesen Formaten, wie beispielsweise beim Nockherberg, thematisiert werden.

Durch die Omnipräsenz der Pandemie in den Medien hatte man den Eindruck, dass viele ebenfalls essentielle Themen in den Hintergrund gedrängt wurden. Kamen Ihrer Meinung nach wichtige Felder im Landkreis zu kurz? Und welche Schwerpunkte gab und gibt es im Landkreis vor und nach der Pandemie?

Das war gesamtgesellschaftlich ein großes Problem, dass in den Medien über so lange Zeit nur mehr ein Schwerpunkt herrschte. Dabei gibt es wichtige Aufgaben zu bewältigen und die haben wir im Landkreis auch während der Pandemie weiterverfolgt, bei Energie und Klimaschutz zum Beispiel, dem Ausbau des ÖPNV, der Regionalentwicklung oder dem Thema Digitalisierung. Manches war allerdings auch ausgebremst, in der Kultur, der Seniorenarbeit, dem persönlichen Austausch in den Gemeinden oder der Ehrenamtsarbeit. Dort, wo es möglich war, haben wir Online-Angebote geschaffen. Diese Herausforderung zu bewältigen war auch eine großartige Leistung unserer Mitarbeiter. Was allerdings in den Medien etwas zu kurz kam, waren die Folgen der Corona-Maßnahmen: Wie geht es den Eltern, wenn die Kinder nicht mehr in der Schule und im Kindergarten sind. Wie geht es den Alleinstehenden oder den Rentnern, die ihre sozialen Kontakte verlieren. Das alles wird gerade erst aufgearbeitet.

Hat die Pandemie in Ihren Augen Schwachstellen oder sogar generelle Missstände aufgedeckt, die ohne die Pandemie vielleicht im Verborgenen geblieben oder zumindest nicht ins Licht der Aufmerksamkeit gerückt wären?

Dass wir in der Pflege auf einem ganz schlechten Weg waren und immer noch sind, ist sehr deutlich geworden. Da reicht es nicht, dass die Regierung Besserung gelobt. Da brauchen wir eine bessere Bezahlung und weniger Zeitdruck für die Pflegekräfte, deren Pflichtbewusstsein oft ausgenutzt wird. Dass unsere Krankenhäuser am Limit arbeiten und funktionieren müssen, wurde mehr als deutlich. Dass es großen Nachholbedarf in der Digitalisierung gibt in Deutschland ebenso. Und Familien brauchen mehr Unterstützung. Neben dem Ausbau der Kita-Betreuung kann auch die Förderung von Betreuungsmöglichkeiten zuhause Familien und besonders Müttern dabei helfen, den Alltag mit Kindern, Beruf und vielen anderen Verpflichtungen gut zu bewältigen. Wenn man aber fragt, was hat uns Corona positives gebracht, können wir sagen, dass wir einen Riesenschritt in der Digitalisierung gemacht haben – auch was Online-Meetings, virtuelle Konferenzen und hybride Lernformate betrifft. Ich glaube auch, dass die Kinder durch das Homeschooling viel selbstständiger, strukturierter und medienaffiner geworden sind.

Seit vielen Jahren ist der Breitbandausbau eines der zentralen Themen für den Landkreis. Welche Rolle spielt die Digitalisierung und wie ist hier der Stand im Landkreis, gerade auch in den Schulen?

Der Breitbandausbau ist ein ganz zentrales Thema bei uns im Landkreis Regensburg. Inzwischen haben wir die Schließung „weißer Flecken“, also die Versorgung mit mindestens 30 Mbit/s im Landkreis Regensburg bereits mit einer Erfolgsquote von rund 99,5 Prozent erreicht. 2020 gab es nochmals einen entscheidenden Meilenstein in Richtung flächendeckenden Glasfaserausbau. Der Landkreis hat mit der kommunalen Laber-Naab-Infrastruktur GmbH (LNI) ein Konzept für den Gigabitausbau in den kommenden Jahren erarbeitet. Ergebnis ist eine Infrastrukturgesellschaft, in der Gemeinden mit einem geringen Beitrag Gesellschafter werden können und damit ein „Rund-um-Paket“ für die Planung, Konzeptionierung und Umsetzung des Glasfaserausbaus in ihrer Gemeinde buchen können. Das Entscheidende dabei ist, Eigentümer des Glasfasernetzes bleiben die Gemeinden selbst, die somit für die Zukunft erhebliches Vermögen aufbauen können. Die Mehrheit unserer Landkreisgemeinden hat sich bereits angeschlossen. Insgesamt kooperieren hier bisher 47 Gemeinden aus den Landkreisen Regensburg und Neumarkt in der Oberpfalz. Diese Konstellation ist in Bayern einmalig und hat Vorbildcharakter.

Die digitale Bildung ist seit Jahren einer der Investitions-Schwerpunkte im Landkreis Regensburg. Aktuell sind es knapp zwei Millionen Euro, die wir für Maßnahmen an unseren Schulen einsetzen. Das digitale Lernen wird als Unterrichts-Baustein bleiben und noch an Bedeutung gewinnen. Das heißt, wir werden weiter aktiv unsere Schulen mit einer digitalen Infrastruktur fit machen für die Zukunft.

Wo sehen Sie für die Region Regensburg die größten Zukunftschancen? Und was muss dafür getan werden?

Der Landkreis Regensburg ist ein zukunftsstarker, urban geprägter Landkreis mit derzeit mehr als 194.000 Einwohnern, Tendenz steigend. Als Landkreis, der die kreisfreie Stadt Regensburg umgibt, haben wir die Situation, dass Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen usw. sich bevorzugt in der Stadt angesiedelt haben. Das landschaftlich reizvolle „Umland“ wird dagegen als Naherholungsbereich oder idealer Wohnort wahrgenommen. Immer mehr hat sich in den letzten Jahren aber auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir im Landkreis attraktive Gewerbegebiete, eine ausgezeichnete Infrastruktur und sehr innovative Unternehmen haben. Da müssen wir dranbleiben und das tun wir. Da der Landkreis Regensburg eng mit den Hochschulen (Universität Regensburg, OTH), aber auch mit Handwerkskammer und IHK vernetzt ist, bieten wir Existenzgründern, aber auch Firmennachfolgern umfassend die Möglichkeit, sich auf ihre kommenden Aufgaben vorzubereiten.

Bauland ist begehrt im Landkreis Regensburg. Wie hat sich in den letzten Jahren der (Soziale) Wohnungsbau entwickelt?

Im ersten Quartal 2021 hatten wir einen Rekord bei den Wohnungsbau-Genehmigungen mit insgesamt 603 neuen Wohnungen. Im Jahr 2020 wurden 1.573 neue Wohnungen (Vorjahr 1660) genehmigt. In den Jahren 2016 bis einschließlich 2019 wurden jährlich durchschnittlich 1.371 Wohnungen genehmigt; das bedeutet im Jahr 2020 einen Anstieg von 14,8 Prozent. Dabei fällt auf, dass immer mehr Mehrfamilienhäuser gebaut werden und sich auch der Mietwohnungsmarkt etabliert. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bauamt tun alles, damit Genehmigungen möglichst schnell und reibungslos erteilt werden können.

Beim Sozialen Wohnungsbau haben wir in den vergangenen Jahren die wichtige Trendumkehr geschafft: Seit 2018 steigt die Anzahl der Sozialwohnungen wieder an, die seit 2000 von damals 1369 kontinuierlich zurückgegangen war auf 843 Wohnungen im Jahr 2014. Mit den im vergangenen Jahr neu geschaffenen 298 Sozialwohnungen – bei keiner aus der Belegungsbindung gefallenen Wohnung – und voraussichtlich 29 neuen Wohnungen in 2021 – bei 9 Wegfällen – kommen wir voraussichtlich auf 1.116 Sozialwohnungen zum Ende diesen Jahres.  

An welchen Stellen wünschen Sie sich bei der Eigenentwicklung des Landkreises Regensburg mehr Unterstützung aus München und Berlin? Oder gibt es Punkte, die Sie eher als Einmischung betrachten und die deshalb künftig besser unterbleiben sollten?

Hier wünsche ich mir, dass bei der Verlagerung von Behörden, bei der Vergabe von neuen Standorten der Hochschulen und sonstigen Förderungen auch die sogenannten Sandwich-Landkreise berücksichtigt werden, die bislang als Nachbarn der großen Zentren und der strukturschwachen Regionen durchs Raster fallen.  

Ein Thema, das uns die nächsten Jahre ganz zentral beschäftigen wird, ist die Energiewende. Hier würde ich mir wünschen, dass uns Bund und Freistaat stärker dabei unterstützen, dezentrale Versorgungsstrukturen aufzubauen und Speichertechnologie zu fördern. Mehr Sensibilität, die Bereitschaft den Menschen vor Ort zuzuhören und alternative Ideen zuzulassen, wäre meines Erachtens auch bei der Umsetzung des Projekts Süd-Ost-Stromtrasse und in der Polder-Debatte nötig.

Im September sind Bundestagswahlen. Welchem bisherigen Kanzlerkandidaten drücken Sie die Daumen und welches Koalitionsbündnis halten Sie nicht nur für am wahrscheinlichsten, sondern wäre auch Ihr persönlicher Favorit? 
 
(Lacht) Ich wähle die Freien Wähler und hoffe, dass sie in den Bundestag einziehen können.
Bildquelle: Kamerafoto / sonstige | Lukas Pokorny

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