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Das Fest der Liebe steht vor der Tür, viele feiern bei Familie und Freunden und genießen die stille Zeit im trauten Heim. Doch wohin, wenn man niemanden mehr hat? Wohin, wenn man aufgrund von Sucht, Krankheit oder Alter auf Grundsicherung angewiesen ist? Fernab unserer Wahrnehmung existieren unzählige Lebensgeschichten, die vom Scheitern künden: vom Verlust der Arbeit, der Wohnung und des Selbstwerts. Doch in Regensburg muss niemand frieren, hungern oder schmutzig sein. Schon gar nicht an Weihnachten.

„Schön, dass du noch Mut zum Leben hast“, mit diesen Worten begrüßt Ben Peter, Streetworker bei der Caritas Regensburg, den ein oder anderen seiner Klienten auf der Straße. Seit acht Jahren arbeitet er mit ca. 300 Bedürftigen, Drogensüchtigen und Obdachlosen in Regensburg. Er kennt sowohl die Leute und deren Aufenthaltsorte als auch die Probleme und Geschichten hinter ihrer Fassade. Ein großer Teil seiner Klienten ist beispielsweise durch die unterschiedlichsten Schicksalsschläge in die Alkohol- oder Drogensucht gerutscht – die Drogenkarrieren begännen dabei in der Regel im Alter von 20 Jahren, das Durchschnittsalter der Bedürftigen liege momentan bei ca. 40, verrät Ben. Doch nicht alle Bedürftigen und Obdachlosen sind suchtkrank, viele ertragen ihr Schicksal nüchtern, nicht wenige davon haben sich damit abgefunden, wenn nicht sogar kapituliert.

Die Plätze, an denen sich viele Suchtkranke treffen, um miteinander zu reden, werden von den Regensburgern meist als Angsträume beschrieben. Vor allem die Passage beim Wirsingbau, an der sich auch der Mäc Geiz befindet. Hier werde auch immer wieder offenkundig gedealt, erklärt Ben. Dabei wurden diese Plätze nicht zufällig von den Gruppen ausgewählt. Ben zeigt vom Mäc Geiz aus auf die Bushäuser an der Albertstraße: „Hier vorne rechts ist vor einiger Zeit noch eine Gruppe russischsprachiger Arme gesessen, die hier auch Drogen verkauft haben, um sich etwas Geld zu verdienen. Auf der anderen Straßenseite gab es auch die klassische Bank der Alkoholiker: Männer und Frauen, die sich vor allem gegen Abend getroffen haben.“ Wer an der Albertstraße auf den Bus wartet, kennt die teilweise besetzten Bushäuschen auch. Sie bieten dem Rand der Gesellschaft jedoch nicht nur einen Aufenthaltsraum, um sich zu treffen, sondern auch Schutz bei Wind und Wetter. Früher saßen die Grüppchen jedoch keineswegs so geballt auf engstem Raum, sondern noch verstreut auf verschiedenen Bänkchen beim Peterskirchlein oder den umliegenden Parkflächen. Durch den Abbau von Bänken und Sitzmöglichkeiten wie das Johann Michael Seiler Denkmal wären sich jedoch in eine bestimmte Richtung getrieben worden, damit sich die Aktivitäten der Gruppen auch per Videoüberwachung kontrollieren ließen. Die Frage, ob die Stadt den Aufenthalt dieser Personengruppen bewusst verändert habe, bejaht Ben.

Auch Dekir (42) erinnert sich, wie sich die Sitzmöglichkeiten in der Grünanlage um das Peterskirchlein verringert haben. Er verweist auf die Art und Weise, wie mit den Drogensüchtigen umgegangen wird. „Mit den Drogensüchtigen kann man das ja machen“, beschwert er sich. Er selbst hatte eine Therapie gemacht, kam weg von den Drogen und wurde substituiert, also mit legalen Ersatzstoffen versorgt. Als er vor ein paar Monaten seine Arbeit verlor, ergaben sich jedoch mehrere Missverständnisse mit dem Amt – seit zwei Monaten bleibt das Arbeitslosengeld aus. Er fühlt sich unfair behandelt: Nicht nur, dass er ohne Geld nur mehr mittels Schwarzfahren zu seiner Substitutionsstelle in Regenstauf gelange, sondern durch die ganzen unmittelbar damit zusammenhängenden Repressalien auch zum Klauen gedrängt werde. „Ich weiß nicht mal, wo ich einen Fehler gemacht habe. Und bin dann natürlich wieder rückfällig geworden“, gesteht er. Ben nickt wissend und hatte sich zwischen Dekir und dem Amt eingeklinkt, um zu vermitteln. Er hofft das Beste für ihn, denn er weiß, wie gut es um Dekir stand. Aus eigener Kraft sind die Probleme für viele Betroffene auch kaum mehr zu lösen. Neben immerwährenden Hunger, Geldmangel und Wohnungsnot kämpfen sie auch mit der stetigen Unsicherheit, was die Zukunft mit sich bringt. „Wenn es DrugStop nicht gäbe, den Strohhalm nicht gäbe, wo wir uns Klamotten holen können, wären wir echt arm dran“, fasst Dekir zusammen.

Der rettende „Strohhalm“

Je kälter und dunkler es wird, umso länger werden die Schlangen, die sich morgens und mittags im Strohhalm in der Keplerstraße bilden. Denn dann gibt es neben einem wärmenden Unterschlupf auch ein Essen für hilfsbedürftige Menschen – egal ob mit oder ohne Obdach. Während Ben an die Hilfsbedürftigen in Regensburg auch immer wieder mal Brezen, Semmeln oder ähnliches verteilt, können sie im Strohhalm für 50 Cent ausgiebig frühstücken und für gerade mal einen Euro ein komplettes Mittagsmenü zu sich nehmen – am Nachmittag gibt es für 20 Cent sogar Kaffee und Kuchen. Der Strohhalm versorgt teilweise bis zu 60 Personen mit einem warmen Mittagessen – und das pro Tag! Im Spätherbst und Winter, wenn die Kälte die Menschen in die Wärme treibt, können es noch mehr werden. Der Hintergrund der Gäste ist dabei breit gefächert und reicht vom arbeitssuchenden Volljährigen über Erwerbsunfähige bis zum annähernd mittellosen Rentner.

„So ein Frühstück würde sich wohl der ein oder andere auch für zu Hause wünschen“, sagt Irmi Schwarzbeck-Roth, die sowohl als Ehrenamtliche im Strohhalm als auch in dessen Vorstand aktiv ist. Zum Frühstück gibt es Kaffee, Brot oder Brötchen, eine breite Wurst- und Käseplatte mit Zwiebeln, Radieschen, Gürkchen – eben alles, was der Strohhalm von den Lebensmittel- und Geldspendern zusammentragen und auftischen kann. „Fleisch wird allerdings häufig hinzugekauft“, erklärt Irmi. Im Strohhalm steht immer für alle Gäste kostenlos Tee, Suppe und Brot bereit.

Wenn nicht gerade gegessen wird, knüpfen die Gäste des Strohhalms über verschiedene Spiele, wie „Mensch ärgere Dich nicht“, Dame oder Schach, Kontakte. Nach dem Motto „Aus einsam wird gemeinsam“ sind hier auch schon viele Freundschaften unter den Besuchern entstanden.

Doch nicht nur Essen oder Gesellschaft finden die Bedürftigen im Strohhalm. Hier können sie sich auch neue Kleider in der Kleiderkammer aussuchen oder ihre eigenen waschen lassen. Auch stehen sanitäre Anlagen für alle Gäste zur Verfügung. Selbstverständlich sind Drogen sowie Alkoholika nicht erlaubt.

Seit geraumer Zeit bietet der Strohhalm neue Hilfeleistungen an, z.B. Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen und Bewerbungsschreiben, Begleitung zu Ämtern, Hilfen bei der Wohnungssuche u.v.m. Vielen Gästen konnte so wieder ein „normales“ Leben mit eigener Wohnung und Arbeit ermöglicht werden.

Erfolge, die den 100 % aus ehrenamtlichen Helfern bestehenden Verein in seiner Arbeit bestätigen. „Unsere Spülerin Bruni“, erklärt sie, „ist bereits 87 Jahre alt und kommt seit Jahren täglich. Zu Hause strickt sie sogar Hausschuhe, um diese zu verkaufen und das Geld zu spenden.“ Doch auch die Gäste werden gelegentlich in die Arbeit mit eingespannt. Z.B. wird das Gebäck und Brot, das von der Bäckerei Ebner gespendet wird, täglich von den Gästen geholt. Wer gebraucht wird, fühlt sich schließlich auch wertgeschätzt und als Teil eines Ganzen.

Weihnachten am Rande der Gesellschaft

„Unser Weihnachtsfest ist das beste überhaupt“, strahlt Josef Troidl, Gründer des Strohhalms. „Da gibt es alles: Musik, Essen und Geschenke.“ Gefeiert wird zwar eigentlich am 7. Dezember, da an Heiligabend jedoch niemand alleine und einsam sein möchte, hat der Strohhalm auch an diesem Tag geöffnet. Auch Bischof Vorderholzer kam, um allen Gästen ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen. Die Räume des Strohhalms werden bereits in der Vorweihnachtszeit geschmückt, so gesellen sich zu den Wandmalereien eines Kirchenmalers allerlei Sterne, Kränze, etc.. Denn jeder der Gäste soll sich zum bevorstehenden Fest willkommen fühlen. „Letztes Jahr waren es um die 70 Leute, die zu unserer Weihnachtsfeier erschienen sind“, plaudert Irmi. Damit auch wirklich jeder einen Platz findet, wird die gesamte Einrichtung im Strohhalm umgestellt. Ein zusätzlicher Aufwand, den die ehrenamtlichen Mitarbeiter jedes Jahr gerne auf sich nehmen.

Während es am 07. Dezember traditionell Würstl mit Kraut gibt, erwartet die Besucher an Heiligabend eine ganz besondere Mahlzeit, die seit einigen Jahren vom Kolpinghaus zubereitet wird. Zudem werden die Gäste am Heiligabend allesamt bedient. Doch die Wertschätzung geht noch weiter: Sowohl am 7. Dezember als auch an Heiligabend wartet ein Weihnachtsgeschenk auf die Gäste.

In Regensburg muss niemand hungern, frieren oder schmutzig sein. Und so trostlos die Einzelgeschichten der Bedürftigen sind, so tatkräftig und unermüdlich setzt sich ein Teil unserer Gesellschaft Tag für Tag für die Belange der Menschen ein, die nicht unbedingt auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Ben Peter, die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Strohhalms und die unzähligen Spender sollten uns zum Beispiel gereichen, nicht nur an Weihnachten den sozial Schwächeren zu gedenken. Denn während wir tagsüber zur Arbeit gehen und es uns abends auf der Couch gemütlich machen, suchen sie nach Halt – nicht nur im Leben, sondern auch innerhalb unserer Gesellschaft.

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