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Zierlicher Körper, großer Kopf und glänzende Knopfaugen: Gerade dann, wenn Haustiere am verletzlichsten sind, lösen sie mit ihrem Kindchenschema den Pflegetrieb im Menschen aus. Insbesondere Kinder werden von der natürlichen Niedlichkeit eines Welpen oder eines Babykätzchen geradezu überwältigt. Einmal auf den Hund gekommen, wird so lange gebettelt, bis die Eltern dem Drängen ihrer Schösslinge nachgeben und ein Tier ins Haus holen. Speziell zur Weihnachtszeit häufen sich in Zooläden, Baumärkten oder dem Internet Anzeigen mit lebendigen Weihnachtsgeschenken. Auch dieses Jahr werden wohl wieder zahlreiche Pfoten unter den Weihnachtsbäumen hervorlugen – um später wohl oder übel im Tierheim zu landen.


Folgende Geschichte wird auch dieses Jahr wieder tausendfach zu Weihnachten geschrieben werden: Ein Kind wünscht sich ein Haustier, das nach langem hin und her dann doch unter dem Weihnachtsbaum landet. Zu Beginn ist die Freude darüber groß, sind die kleinen Fellnasen doch noch flauschiger als das Lieblingskuscheltier und noch süßer anzuschauen als eine Eiskugel bei sommerlichen Temperaturen. Nach kurzer Zeit schlägt die anfängliche Euphorie aber meist in Ernüchterung um: Die kleine Mietzekatze entwickelt sich binnen wenigen Wochen zur Kratzekatze, der Kaninchenstall beginnt streng zu riechen und der anfänglich ach so tapsige Welpe hinterlässt überall Pfützen, Häufchen und angekaute Gegenstände im Haus. Kurzum: Der freudige Traum wird für viele zum nervigen Albtraum.

Plötzlich sehen sich die frischen Tierhalter nämlich nicht mehr mit einem putzig-flauschigen Mitbewohner konfrontiert, sondern stattdessen mit einem hohen Zeitaufwand für Pflege und Erziehung, von den erheblichen Kosten für Nahrung und Tierarztbesuchen für Routinekontrollen und Impfungen mal ganz zu schweigen. Erkrankt ein Jungtier, wie es oft bei Auslandswelpen binnen weniger Tage nach der Anschaffung geschieht, werden die Veterinärkosten über Nacht zum unkalkulierbaren Kostenfaktor. Nach mangelhafter Auseinandersetzung mit der Thematik im Vorfeld steht schnell fest: Das Tier macht mehr Arbeit als gedacht und weder der mittlerweile interesselose Beschenkte, noch die unbescholtenen Eltern sind bereit, die täglich anfallenden Aufgaben langfristig zu übernehmen. Jahr für Jahr wandern somit tausende Haustiere kurz nach dem Weihnachtsfest in die ohnehin überfüllten Tierheime.

Ab ins Heim

Christine Hirschberger, zweite Vorsitzende des Tierschutzvereins Regensburg und Umgebung e.V., kennt diese Problematik. Auch im Tierschutzverein Regensburg landen nach den Feiertagen viele Jungtiere – insbesondere nach den Ferien, wenn die Halter ihren neuen Mitbewohner plötzlich in ihren normalen Tagesablauf integrieren müssen. Von der Idee, Tiere zu Weihnachten zu verschenken, hält sie jedoch auch aus anderen Gründen überhaupt nichts: „Gerade Weihnachten ist ein Riesenstress für die Tiere. Viele Leute haben Besuch, und das Kind bekommt ja noch andere Geschenke. Zuerst wird also die Katze angesehen, aber danach die Eisenbahn, dann der Computer und so weiter.“ Aus diesem Grund heraus gilt für die Tage vor Weihnachten auch ein konsequenter Vermittlungsstopp in den Tierheimen – selbst wenn das Adoptieren eines bedürftigen Hundes anstelle des Welpenkaufs natürlich hoch anzurechnen ist.

Obwohl sich diese Herausgabesperre bereits in Stadt und Land herumgesprochen hat, bekommt Hirschberger jährlich neue Anfragen zur Weihnachtszeit. Unter den gewöhnlichen Adoptionsanfragen haben sich in den letzten Jahren aber auch etwas seltsame Erkundigungen gemischt. „Wir hatten auch schon Anfragen, ob man sich einen Esel für ein Kripperl im Garten ausleihen kann“, erzählt Hirschberger. Doch auch bei den normalen Vermittlungsanfragen versucht der Tierschutzverein den Eltern und Kindern zu erklären, dass ein Tier als Geschenk völlig ungeeignet sei. Manchmal würde die Menschen aber auch einfach nur anrufen, um sich ein Tier über Weihnachten auszuleihen, da sie gerade Zeit hätten, sich darum zu kümmern, führt Hirschberger fort. Da dieser Vermittlungsstopp letztendlich das Tier schützen will, würden manche auch diese Vorgehensweise der Tierheime verstehen.

Tiere kosten

Anstelle eines Tieres rät Hirschberger zu Zubehör oder zu einem Buch über das Wunschtier, damit sich die potentiellen neuen Halter nicht nur über das Tier informieren, sondern sich auch mit den damit verbundenen Basiskosten auseinandersetzen. Dass sich Kinder ein Tier wünschen und dann energisch zu betteln beginnen, ist für die Vorsitzende einerseits etwas ganz Natürliches, andererseits würden viele aber oft nicht weiter überlegen, beginnt Hirschberger. „Wenn ich einem sieben- oder achtjährigen Kind heute einen Hundewelpen schenke, dann muss ich damit rechnen, dass das Kind nicht dreimal am Tag mit ihm spazieren geht.“ Natürlich würden sich Kinder über ein Tier freuen, aber nicht jeder Nachkomme hat die Ausdauer dazu, zumal diese auch eine Altersfrage sei. Dass die Arbeit, die Kosten und die Verantwortung im Endeffekt bei den Eltern bleiben, würde bei der Anschaffung oft nicht bedacht. Deswegen sollten sich die neuen Tierhalter auch darüber im Klaren sein, dass jeder in der Familie sich für dieses Tier entscheiden muss. Und wenn sich alle mit dem Thema beschäftigt haben, können sie sich nach Weihnachten gerne gemeinsam ein Tier im Tierheim aussuchen, so die Doktrin des Tierschutzvereins.

Das Tier als Ware

Andere hingegen verstehen das Brimborium, das die Tierheime um das lebendige Weihnachtsgeschenk machen, allerdings überhaupt nicht. „Und irgendwo bekommt man immer ein Tier her“, weiß Hirschberger aus Erfahrung. Katzen gibt es oftmals beim nächstgelegen Bauernhof, Kaninchen und andere Nagetiere in Zooläden und mit Welpen wird seit Jahren ein Riesengeschäft im Internet und an Wühltischen kurz nach der Grenze gemacht – oftmals illegal. Genaue Angaben zum seit Jahren florierenden Schwarzmarkt in Europa gibt es zwar nicht, aber das Geschäft mit Welpen und Co. ist mittlerweile genauso lukrativ wie mit Kokain. In England hatte eine 2015 aufgeflogene Bande illegaler Händler beispielsweise 44.000 Euro mit dem Verkauf totkranker, aber vor dem Verkauf fitgespritzter Hundewelpen verdient – pro Woche!

Die in Deutschland zu erwerbenden Kofferraumwelpen stammen in der Regel allesamt aus Osteuropa. Alleine in Bayern wurden seit 2011 rund 2.000 illegale Hundewelpen von der Polizei sichergestellt – fast 500 davon in Passau. Die Anreise aus Osteuropa ist für die Tiere eine Tortur. Werden diese bei Kontrollen sichergestellt, findet man in der Regel zusammengepferchte Tiere, weder geimpft, noch sozialisiert und stierend vor Kot und Urin. Auch im Tierschutzverein Regensburg landen immer wieder Tiere in einem derartig miserablen Zustand. Sie werden dann gewaschen, geschert und bestenfalls gesund gepflegt. Von einem Kauf aus dem Kofferraum rät nicht nur Hirschberger, sondern auch die Tierschutzorganisation PETA ab, zumal der „Freikauf“ aus Mitleid das System der „Ware Tier“ weiter am Leben erhalte.

Reines Leid

Hirschberger kennt den Leidensweg der Tiere: Nachdem die Welpen im Ausland ohne Rücksicht auf ihr Wohl unter miserabelsten Zuständen produziert und vermehrt werden, werden sie in kleinen überfüllten Käfigen über hunderte Kilometer nach Deutschland transportiert. Kommen die zumeist krank, verdreckt und ausgehungerten Tiere am Bestimmungsort an, werden sie hübsch gemacht und für drei Tage fitgespritzt, damit sie gesund und lebhaft aussehen. Holt man sich ein solches Tier als Weihnachtsgeschenk ins Haus, hat man nach wenigen Tagen einen Hund, „der vorne kotzt und hinten Durchfall hat“. Spätestens dann ist Schluss mit der Freude. Und dann? „Dann kommt das schreckliche Ende“, fasst Hirschberger sichtlich betrübt zusammen.
 
Gelockt werden die unbedarften Tierhalter zumeist mit günstigen Preisen für reinrassige Züchterwelpen auf ebay-Kleinanzeigen. Dass sich dahinter mafiöse Strukturen und ein perfides Geschäftsmodell verbergen, ahnen aber die wenigsten. Selbst dann nicht, wenn sie einen Welpen direkt aus dem Kofferraum auf einem Autobahnrastplatz beziehen, weil die Verkäufer dem Käufer „netterweise“ Fahrweg ersparen wollen. Dass der Ausweis und Chipnummern gefälscht sind, ist für den Käufer nicht zu erkennen.

Wenn man sich für ein reinrassiges Tier von einem Züchter entscheidet, gibt es deswegen einiges zu beachten. Zuallererst sollte man sich im Vorfeld darüber informieren, was einen guten Züchter ausmacht. Zudem sollte man sich den Zuchtort ansehen – und das sogar mehrmals. Im Normalfall lässt der Züchter sowohl die trächtige Mutter, als auch das drei bis vier Wochen alte Baby ansehen und die Abgabe erfolgt erst frühestens zehn Wochen nach der Geburt. Nur so lässt sich erkennen, ob es sich tatsächlich um einen guten Züchter oder einen „Hinterhofvermehrer“ handelt. „Diese Tiere kosten dann aber auch entsprechend“, erklärt Hirschberger. Dafür sind diese Welpen gesund, entsprechend gut sozialisiert, entwurmt, zumindest das erste Mal geimpft und in der Regel auch gechipt. „Bei einem Kofferraumwelpen vom Parkplatz bekomme ich das natürlich nicht“, betont Hirschberger.

Tierfreundliche Alternativen

Für Tierfreunde, die aufgrund des Alters die Voraussetzungen für ein eigenes Tier noch nicht erfüllen, gibt es aber auch tierfreundliche Alternativen, mit denen man sich auch an ein potentiell eigenes Haustier herantasten kann. So verfügt der Tierschutzverein Regensburg über eine Jugendgruppe, bei der alle vierzehn Tage unter Aufsicht von Erwachsenen mit freundlichen Hunden Gassi gegangen werden kann. Ebenso lassen sich dort Katzen streicheln und Nager wie Kaninchen ausmisten. So erhalten Kinder ein erstes Gefühl für die Tiere. Ähnliches ist auch bei der Kinder- und Jugendfarm Regensburg in der Taunusstraße 5 möglich.

Um herauszufinden, ob man bereit für ein eigenes Tier ist, schlägt Hirschberger vor, sich für zwei Wochen den Nachbarshund auszuleihen. „Da sieht man schnell, ob das mit dem regelmäßigen Gassigehen klappt oder ob es am zweiten Tag heißt: ,Nein, heute regnet’s.‘“ Selbst wenn der Nachbar – verständlicherweise – seinen Hund nicht zu Testzwecken abgeben möchte, gäbe es weitere Möglichkeiten. Beispielsweise suchen viele Hundehalter eine „Urlaubsvertretung“. Früher gab es auf der Internetseite des Tierschutzvereins Regensburg auch die Rubrik „Nimmst du mein Tier, nehm’ ich dein Tier“. Diese ist allerdings eingeschlafen, weil viele Tierhalter zwar gerne ihr eigenes Tier für die Dauer eines Urlaubs abgeben würden, aber nicht bereit sind, im Gegenzug auch ein andere aufzunehmen. Wer sich freiwillig anbietet, könnte somit durchaus gute Chancen haben.

Hilfe!

Wer sich aus unterschiedlichen Gründen oder Umständen kein eigenes Tier adoptieren kann oder möchte, kann Gutes tun – und das nicht nur zu Weihnachten. Eine Möglichkeit ist eine Patenschaft für ein schwervermittelbares Tier, das seine restliche Lebenszeit womöglich im Tierheim fristet. Ebenso ist der Tierschutzverein Regensburg im Allgemeinen abhängig von Mitgliedschaften und Spenden. Denn herrenlose Tiere zu pflegen, kostet nicht nur Zeit und Personal, sondern auch Futter, Strom und Wasser. Und selbst dann ist man noch nicht am Ende der Wunschliste eines Tierherzes angelangt. Tiere brauchen neben einer Beschäftigung und Spielzeug auch eine bequeme Liegenschaft. „Was wir immer brauchen können, sind Bettwäsche, Decken oder Ähnliches“, zählt Hirschberger auf.

Wer den Tierschutzverein unterstützen will, aber generell nichts von Geldspenden hält, kann diese Sachen immer gerne vorbeibringen. Sogar selbst Futter zu kaufen, ist möglich. Allerdings sollte man in diesem Fall zuvor im Tierheim nachfragen, welches Futter und welche Marke genau benötigt werden, damit die Tiere nicht querbeet gefüttert werden. „Was wir auch haben“, erzählt Hirschberger, „ist diese Amazon-Liste, wo wir einstellen, was wir brauchen. Die Leute können dann selbst entscheiden, was sie kaufen wollen.“ Die Idee ist pfiffig wie effizient: Produkt auf der Wunschliste auswählen, mit dem eigenen Amazon-Account bezahlen und direkt an das Tierheim liefern lassen. Fertig.

„Die Abgabezahlen an Tieren hat sich in den letzten Jahren glücklicherweise verringert“, erklärt Hirschberger abschließend. Zum einen durch eigenes Zutun und zum anderen durch das Sensibilisieren der Gesellschaft: Tiere sind einfach keine Geschenke, sondern Lebewesen mit all ihren bunten Facetten, die von liebenswert und treu über kuschelig und süß, aber eben auch bis hin zu kostspielig und erziehungsintensiv reichen können.

Unabhängig von Weihnachten sehen sich die Tierheime nicht nur regional, sondern deutschlandweit mit einem großen anderen Problem konfrontiert: die steigende Anzahl an frei lebenden und nicht kastrierten Katzen.

Als zweite Vorsitzende des Tierschutzvereins Regensburg hat Hirschberger zu Weihnachten deshalb vor allem einen Wunsch: „Es hat schon lange nicht mehr so viele Katzen gegeben wie in diesem Jahr. Wir haben alle gehofft, dass es mal ein bisschen besser wird, aber leider ist es zurzeit in jedem Tierheim dasselbe. Also bitte unbedingt kastrieren, kastrieren, kastrieren!“

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