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Stürme, Starkregenfälle, Hitzewellen – das Klima gerät aus den Fugen. Um die Erde auch für zukünftige Generationen  zu erhalten, muss das Fortschreiten des Klimawandels in den kommenden Jahrzenten gestoppt werden. Damit der globale Temperaturanstieg weit unter der kritischen 1,5 Grad Celsiusmarke gehalten werden kann, müssen Alternativen für fossile Brennstoffe als Energieträger gefunden und alltagstauglich gemacht werden. Gerade im Bereich der Mobilität zeigt sich, dass der weltweite Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlenstoffdioxid (CO2) aufgrund eines permanenten Anstiegs des Verkehrs stetig anwächst. Um den Ausstoß von verkehrsbedingten Treibhausgasen zu reduzieren, warten die Autobauer mit milliardenschweren E-Mobilitätsoffensiven auf. Im brandenburgischen Grünheide nahe Berlin fallen für den Bau von Teslas Gigafabrik dafür knapp 92 Hektar Wald. Ab nächstem Jahr sollen dort 500.000 Fahrzeuge pro Jahr vom Band rollen. Doch sind Elektroautos tatsächlich der heilige Gral einer umwelt- und klimaverträglichen Mobilität?

Die Umweltziele der Bundesregierung sind klar: Die künftigen CO2-Emissionen in der Bundesrepublik sollen im Jahr 2030 nur mehr 45 Prozent des Gesamtausstoßes von 1990 betragen. Bis ins Jahr 2050 soll die BRD durch weitere Reduktionen eine weitgehende Treibhausgasneutralität erreichen. Dazu muss der Ausstoß von 1.248 Millionen Tonnen CO2 aus dem Jahr 1990 in Zukunft auf nahezu Null reduziert werden. Während sich in anderen Sektoren wie Energiewirtschaft und Industrie bereits deutliche Emissionsverringerungen abzeichnen, blieb der Ausstoß von circa 163 Tonnen CO2 im deutschen Verkehr seit 1990 nahezu unverändert. Dass die Emissionswerte trotz einer enormen Steigerung des Verkehrsaufkommens in den letzten 30 Jahren stabil bleiben konnten, ist dabei durchaus der Optimierung von Otto- und Dieselmotoren geschuldet. Um Deutschland oder auch die gesamte EU bis 2050 weitestgehend klimaneutral zu machen, reichen Verbesserungen von Verbrennungsmotoren allerdings nicht mehr aus. Selbst wenn in der Entwicklung noch an einigen Stellschrauben zu deren Wirkungsgraderhöhung gedreht werden kann, ist das Maximum annähernd erreicht.

PROJEKT 263

Um die Emissionswerte in Deutschland zu senken, verfolgt die Bundesregierung ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2030 sollen zwischen sieben und zehn Millionen vollelektrifizierte Elktro- und Hybrid-Autos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Da die Anschaffungskosten für ein Elektroauto noch über dem Preis eines vergleichbaren Verbrenners liegen, lockt die Bundesregierung beim Kauf eines Elektroautos mit attraktiven Zuschüssen und einer Steuerbefreiung von reinen Elektroautos bei Erstzulassung. Da sich die Anträge auf Bezuschussung in Grenzen hielten und das für 2020 formulierte Ziel von einer Million zugelassenen Elektrofahrzeugen in Deutschland weit unterschritten werden dürfte, erhöhte die Bundesregierung die Zuschüsse am 19. Februar 2020 auf bis zu 6.000 Euro beim Kauf eines Vollstromers. 2019 lag die Zulassung von reinen Elektroautos gerade mal bei 63.300 Fahrzeugen – und das bei 3,6 Millionen Pkw-Erstzulassungen insgesamt. Auch wenn der Anteil der zugelassenen Stromer im Jahr 2019 nur bei knapp zwei Prozent lag, haben sich die Zulassungszahlen von 2018 auf 2019 um 75 Prozent erhöht – 2019 wurden damit insgesamt mehr Elektrofahrzeuge zugelassen als in den Jahren 2003 bis 2016 zusammen. Aktuell dürften rund eine Viertelmillion Elektroautos in Deutschland unterwegs sein.

Da Steuervorteile und Zuschüsse den Gebrauch eines Vollstromers zwar attraktiver machen, aber die Verwendung bei Langstrecken noch lange nicht erleichtern, setzt die Bundesregierung zusätzlich auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Eine Million Ladepunkte in Deutschland sollen den Autofahrern die sogenannte „Reichweitenangst“ nehmen und dem geplanten Verkehrsaufkommen gerecht werden. Bei genauerem Hinsehen steht die Bundesregierung trotz Investitionen in Höhe von mehreren Hundertmillionen Euro vor einer kaum zu stemmenden Mammutaufgabe. Denn aktuell beträgt die Zahl der in Deutschland verfügbaren Ladepunkte (laut der Stromstellen Statistik von GoingElectric, einem Partner von des Magazins auto motor sport) gerade mal 55.000 Stück. Durch das Fehlen von 945.000 Ladesäulen entpuppt sich das Ziel von einer Million Ladepunkte bis 2030 als Projekt „263 neue Ladesäulen pro Tag“.

EU MACHT DRUCK

Auch die EU verfolgt das Ziel, bis 2050 nahezu emissionslos zu sein. Seit dem Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls im Jahr 2005 und dem Pariser Abkommen 2015 hat sich in Hinblick auf die Herstellung oder Umstellung auf emissionslose Antriebe in Europa allerdings nur wenig getan. Auch wenn hier und da das ein oder andere Elektroauto vom Stapel lief, setzten die Autokonzerne in den vergangenen Jahren hauptsächlich auf die Weiterentwicklung und den Absatz ihrer Verbrenner. Um mehr Druck auf die Autohersteller ausüben zu können, hat die EU sukzessive Emissionsgrenzen für neuzugelassene Autos eingeführt.

Standen bis 2012 noch Emissionswerte von 130 g CO2/km auf der Umweltagenda der EU, werden ab 2020 und insbesondere 2021 die Daumenschrauben für die Automobilkonzerne deutlich angezogen. Bereits seit Januar 2020 gilt, dass 95 Prozent der Neuwagenflotte eines Herstellers im Durchschnitt nur noch 95 Gramm CO2/km ausstoßen dürfen. Ab 2021 gilt dieser Durchschnittswert für 100 Prozent der gesamten Neuwagenflotte. Die angedrohten Strafzahlungen von 95 Euro je Gramm Zielverfehlung pro Fahrzeug haben im Jahr 2019 für eine zunehmende Dynamik in der Produktionsumstellung von Verbrenner auf elektrische Antriebe gesorgt. Bei jährlichen Zulassungszahlen von 3,4 Millionen Stück alleine in Deutschland könnten die überschrittene Emissionszahlen immerhin zum wesentlichen ökonomischen Faktor eines jeden Automobilherstellers werden. Zumal der verordnete Emissionswert einem durchschnittlichen Verbrauch von 3,6 Litern Diesel und 4,1 Litern Benzin pro 100 Kilometer entspricht.

Brenzlig wird es hier vor allem für jene Hersteller, deren Portfolio hauptsächlich aus hochmotorisierten Fahrzeuggruppen wie SUVs oder Sportwagen besteht. Da gerade die Autohersteller mit der künftig geltenden Emissionsgrenze zu kämpfen haben, sehen sie sich gezwungen, die weitaus höheren CO2-Ausstöße der hochmotorisierten Fahrzeuggruppen durch den Bau von „klimaneutralen“ Elektroautos zu kompensieren. Weitere verordnete Emissionsreduktion von 15 Prozent bis zum Jahr 2025 und 37,5 Prozent bis zum Jahr 2030 dürften die anfängliche Ausgleichsproduktion hin zu einer bevorzugten Produktion von Elektroautos verschieben. Dass der größte deutsche Automobilhersteller VW ab 2026 keine reinen Verbrenner mehr bauen, BMW bis 2023 über 25 elektrifizierte Modelle und Audi bis 2025 über 20 reinelektrische Modelle verfügen will, zeigt, wie stark sich die Wegmarken der Emissionsreduktion auf die Firmenausrichtung auswirken – zuletzt wohl auch aufgrund eines immer weiter steigenden ökonomischen Drucks, ausgelöst von potentiellen Strafzahlungen.

Diese Kennzahlen stellen allerdings eine systemimmanente Frage in den Raum: Wie klima- und umweltfreundlich sind Elektroautos im Vergleich zu Verbrennern und alternativen Antrieben wie dem Brennstoffzellenauto?

EMISSIONSFREI VOR ORT?

Elektroautos werden gerne als „emissionsfrei“ bezeichnet. Im Grunde stimmt diese Aussage auch, da sie im Gegensatz zum Verbrennungsmotor keine direkten Emissionen erzeugen. Dennoch entstehen sowohl bei der Produktion des Autos als auch bei der Bereitstellung des getankten Stroms durchaus Schadstoffe und Treibhausgase. Damit unterschiedliche Antriebskonzepte fair vergleichbar werden, müssen die gesamten Energieverbräuche von der Kraftstoffquelle bis zum Rad (Well-to-Wheel) in die CO2-Bilanz eines jeden Antriebstyps integriert werden. Bei der Lebenszyklus-Analyse werden die bei der Autoproduktion anfallenden CO2-Emissionen zusätzlich mit eingerechnet. Hier zeigt sich, dass gerade Elektroautos im Vergleich zu alternativen Antrieben über sehr hohe CO2-Emissionen vor der Betriebsaufnahme verfügen.

Grund hierfür ist die energieaufwendige Produktion der Batteriezellen, die häufig mit Kohlestrom in Asien – vornehmlich in China – hergestellt werden. 40 Prozent der gesamten Vorketten-Emissionen eines Elektroautos entfallen allein auf diesen Bereich. Nach der vernichtenden Studie „The Life Cycle Energy Consumption and Greenhouse Gas Emissions from Lithium-Ion Batteries“ des IVL Swedish Environmental Research Institute (2017), die der Herstellung der Lithium-Ionen-Batterien einen CO2-Ausstoß von 150 bis 200 Kilogramm Kohlendioxid pro Kilowatt produzierter Batterie-Kapazität attestierte, wurde die Sauberkeit der Elektromobilität weltweit infrage gestellt. Immerhin suggerierten die Ergebnisse der Studie, dass Elektroautos kaum bis gar nicht klimafreundlicher als Benziner oder Diesel seien. Da die Ergebnisse der Studie aufgrund einer fehlerhaften und intransparenten Datenerhebung vielfach in Zweifel gezogen wurden, wollte das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) mit einer eigenen Studie für Klarheit sorgen. Das Fazit der Studie „Die aktuelle Treibhausgasemissionsbilanz von Elektrofahrzeugen in Deutschland“: Ein heute in Deutschland erworbenes Elektroauto weist über seine durchschnittliche Nutzungsdauer von 13 Jahren eine deutliche Einsparung von Treibhausgasen auf. Ihren Berechnungen zufolge werden bei der Batterieproduktion im Mittel nur 61 bis 106 Kilogramm CO2 pro Kilowatt ausgestoßen. Unter Berücksichtigung nicht-transparenter Daten, hier dürften wiederrum die wichtigsten chinesischen Hersteller gemeint sein, erreicht die Batterieproduktion mancherorts ein Maximum an 146 Kilogramm pro Kilowattstunde.

Konkret heißt das für die Klimabilanz von Elektrofahrzeugen, dass sie für eine CO2- Einsparung von 28 Prozent gegenüber einem vergleichbaren Oberklassewagen Diesel und bis zu 42 Prozent gegenüber einem Kleinwagen Benziner innerhalb ihres Lebenszyklus sorgen – und das mit dem aktuellen deutschen Strom-Mix. Laut dem Fraunhofer Institut hat der Gebrauch von Elektrofahrzeugen bereits nach wenigen Jahren einen positiven Effekt aufs Klima. Bei Klein- und Mittelkassenfahrzeugen spätestens nach zwei bis drei Jahren und bei Oberklassen-Fahrzeugen nach drei bis sechs Jahren Betrieb. Die Ergebnisse der Untersuchung sind dabei „sehr robust“, heißt es vom Institut. Nur wenn man extreme Annahmen treffe, beispielsweise eine sehr hohe Batteriekapazität in Kombination mit einer geringen Jahreslaufleistung, würde ein Elektrowagen schlechter als ein vergleichbarer Verbrenner abschneiden. Auch das Heidelberger Institut für Energie und Umweltforschung (Ifeu) kommt mit seiner aktuellen Studie „Agora Verkehrswende: Klimabilanz von Elektroautos. Einflussfaktoren und Verbesserungspotenzial“ auf ein entsprechendes Urteil. Doch auch diese Studie betont, dass es insbesondere darauf ankomme, welches Auto durch welches Elektroauto ersetzt wird. Hierbei komme es nicht nur auf die Motorleistung des ersetzten Verbrenners an, sondern ebenso um die Kilowattstundenleistung der verbauten Batterie. Eine Batterie mit 50 Kilowattstunden würde seine Vorkettenemission demnach bereits bei einer Laufleistung von 50.000 Kilometer im Vergleich zu einem Benziner und 60.000 Kilometer im Vergleich zu einem Diesel kompensieren. Eine 100-kWh-Batterie allerdings erst nach 75.000 Kilometern oder 95.000 Kilometern Laufleistung.

Dennoch sind sich beide Institute sicher, dass sich die Klimabilanz von Elektroautos in Zukunft noch weiter verbessern wird. Zum einen durch optimierte oder neue Zell-Chemien innerhalb der Batterieproduktion und zum anderen durch eine Reduzierung der Vorkettenemission durch die Verwendung von Ökostrom innerhalb der Batteri eproduktion. Zugleich dürfte in Zukunft auch ein Umstieg von Lithium-Ionen-Akkus auf alternative Batterien erfolgen, da die für die Reichweite maßgebliche Energiedichte der Akkus aus Forschersicht nahezu erschöpft ist. Das Fraunhofer Institut für Silicatforschung (ISC) und die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) forschen seit Februar 2019 beispielsweise an einer Festkörperbatterie, die eine um 50 Prozent höhere Energiedichte als heutige Lithium-Ionen-Akkus aufweisen soll. Toyota ist bei der Erforschung der Festkörperbatterie sogar schon einen Schritt voraus und hat für Mitte 2020 erste konkrete Infos zum Ist-Stand angekündigt. Ginge es nach VW, soll Mitte dieses Jahrzehnts die Serienproduktion von Feststoffkörpern in Deutschland anlaufen.

Ausschlagend für die aktuelle CO2-Bilanz von Elektrofahrzeugen bleibt jedoch – so kommen beide Studien überein – der aufgewendete Strommix während des Betriebs. Werden die Elektroautos zu 100 Prozent mit Ökostrom betankt, reduziert sich ihr berechneter Gesamtausstoß um 65 bis 75 Prozent, was sie noch klimafreundlicher werden lässt. Zehn Millionen Elektroautos könnten sich also durchaus positiv auf die durch den Straßenverkehr verursachten Emissionswerte auswirken. Die Effektgröße einer Bestromung mit reinem Ökostrom zeigt dabei, wie eng die Mobilitätswende mit der Energiewende verwoben ist. Doch wie wirken sich Zehn Millionen E-Autos auf das deutsche Stromnetz aus? Und woher kommt der dafür benötigte Strom?

WECHSELWIRKUNGEN ENERGIEWENDE UND MOBILITÄTSWENDE

Genügend Strom für zehn Millionen Elektroautos zu produzieren, klingt im ersten Moment nach einer astronomisch hohen Strommenge, würde im Alltag allerdings nur einen zusätzlichen Strombedarf von 5,6 Prozent beziehungsweise 30 Terrawattstunden (TWh) mehr bedeuten. Ein Blick auf die notwendigen Stromexporte von 49 TWh im Jahr 2018 zeigt hierbei klar: Den Strom zu produzieren, stellt in Deutschland schon mal kein Problem dar. Sogar eine vollelektrifizierte Autoflotte mit einem Verbrauch von circa 105 TWh könnte mengenmäßig wohl ohne weiteres Aufheben bestromt werden. Die Probleme bei der Versorgung von Elektroautos sind eher praktischer Natur. Anstelle zu fragen, ob alle Elektroautos mit Strom versorgt werden können, muss die Frage „Wann können die einzelnen Autos geladen werden?“ lauten. Schuld daran sind vier maßgebliche Faktoren, die in einer engen Wechselwirkung zueinanderstehen: Die prognostizierten Ladegewohnheiten der Deutschen, das Endverteilernetz, der Atomausstieg im Jahr 2020 und die Zunahme der regenerativen Energien.

Bei der bevorzugten Ladeweise von Elektroautos ist beispielsweise von einer nächtlichen Ladung an der heimischen Stromquelle auszugehen. Stecken nun alle ihr Elektroauto zur gleichen Zeit an, ist das Verteilernetzwerk nicht mehr in der Lage, den dafür benötigten Strom im vollen Umfang bereitzustellen. Begrenzende Faktoren sind hier sowohl die Verteilerkästen, an denen zwischen 50 und 200 Privathaushalt angeschlossen sind, als auch die Stromkabel, die vom Trafo zum Hausanschluss führen. Im Trafo wird die Mittelstromspannung von 10.000 bis 20.000 Volt auf die haushaltübliche Spannung von 230 Volt transformiert. Zum Haus fließt er im Regelfall über ein Erdkabel. Sowohl Transformator als auch Erdkabel sind jedoch für eine bestimmte Verbrauchsmenge ausgelegt. Klinkt sich nun eine Großzahl an Elektroautos ins Netz ein, reicht die zur Verfügung stehende Strommenge nicht mehr aus – das Stromnetz ist überlastet. Stromeinsparungen in den privaten Haushalten haben in den letzten Jahrzehnten dafür gesorgt, dass die Anzahl der Trafos in Deutschland abgebaut wurde – für eine E-Mobilitätswende müssen diese wahrscheinlich wieder her. Und das kann durchaus teuer werden – auch für den Verbraucher. Damit die Versorger besser planen können, gelten häusliche Ladestationen bis elf kWh-Leistung als meldepflichtig, Ladestationen über 12 kWh bedürfen sogar bereits heute einer Genehmigung.

Ähnlich vertrackt verhält es sich mit dem Atomausstieg und der verstärkt dezentralen Stromproduktion mittels regenerativer Technologien. Da der 2022 aus dem Netz ausscheidende Atomstrom in Deutschland 31 Prozent der gesamten Grundlast trägt und regenerative Energien von natürlichen Faktoren wie Wind und Sonne abhängen, dürfte sich das Ausbalancieren des Stromnetzes ab 2022 deutlich schwieriger gestalten. Will man einen deutlichen Anstieg der Kohlekraft zur Grundlastdeckung vermeiden – diese tragen aktuell immerhin 60 Prozent der Grundlast – müssen zahlreiche Gaskraftwerke zugeschaltet oder Strom aus dem Ausland importiert werden. Dieser Importstrom besteht aber wiederrum aus Atom und Kohlestrom. Doch gerade für eine positive Umweltbilanz benötigen Elektroautos Strom aus regenerativen Energiequellen.

Um den künftigen Strombedarf emissionsfrei und unabhängig von ausländischen Stromquellen zu sichern, müssen neben einem Ausbau der regenerativen Energien zusätzliche Speicherlösungen für zwar bereits produzierten, aber nicht benötigten Strom gefunden werden. Eine Möglichkeit wäre es, die Elektroautos selbst als mobile Zwischenspeicher zu betrachten, die beim Einloggen in das Stromsystem nicht nur Strom tanken, sondern bei Bedarf auch wieder abgeben können. Hierfür wäre allerdings ein intelligentes Stromnetzwerk nötig, das miteinander kommuniziert und anhand von Verbrauchsprognosen die Stromverteilung weitestgehend selbst reguliert. Dass Elektrofahrzeuge mitsamt ihrer Ladeinfrastruktur im Stande sind zum Lastenmanagement beizutragen, konnte bei lokalen Feldversuchen bereits gezeigt werden. Doch was passiert, wenn mehr Strom produziert wird, als von den mobilen Stromspeichern aufgenommen werden kann? Bis dato wird überschüssiger Strom entweder billig ins Ausland verkauft oder die Anlagen werden zum Schutz des Stromnetzes abgeregelt – der Strom geht also verloren. Da sich die Stromproduktion mittels erneuerbarer Energien nicht steuern lässt, steigt die Menge des überschüssigen Stroms zwangsläufig mit der Zunahme erneuerbarer Energiequellen an.

Im Jahr 2007 lag der Anteil der erneuerbaren Energien im deutschen Strom-Mix beispielsweise noch bei 14 Prozent. Die dabei produzierte, einzuspeisende Strommenge stellte für das Netz keinerlei Probleme dar – die Ausfallarbeit durch abgeregelte Anlagen war verschwindend. 2018 lag der Anteil der regenerativen Energien beim Bruttostrom allerdings bereits bei 40 Prozent mit einer Ausfallarbeit von zwei Prozent. Das klingt zunächst wenig, verursachte aber Entschädigungskosten von 635 Millionen Euro an die Netzbetreiber, die ihre Anlagen 2018 aufgrund einer Überproduktion vom Netz nehmen mussten. Alleine die Entschädigungszahlungen der letzten fünf Jahre (ohne 4. Quartal 2019) summieren sich dabei auf über 2,64 Milliarden Euro. Die verlorengegangene Menge an Strom belief sich auf 24,2 Terawattstunden – dem Jahresverbrauch von 8.600.000 Zwei-Personen-Haushalten.

Was also tun mit dem überschüssigen Strom? Hier könnten alternative Antriebe wie das Brennstoffzellenauto auf Wasserstoffbasis oder Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen ins Spiel der Verkehrswende kommen.

DIE ZUKUNFT DES VERBRENNERS?

In der Well-to-Wheel-Analyse schneiden alternative Antriebsstoffe wie Power-to-Liquid, Power-to-Gas oder auch Wasserstoff weitaus schlechter ab als Elektroautos. Laut der Studie der Agora Verkehrswende liegt der aufgewendete Strombedarf für eine Bewältigung von 100 Kilometern beim Elektroauto bei rund 15 kWh, bei einem Brennstoffzellenauto bei 31 kWh, bei Verbrennern mit Power-to-Gas bei 93 kWh und bei Verbrennern mit Power-to-Liquid sogar bei 103 kWh. Trotz der doppelt bis sechsmal so hohen Energieverluste im Vergleich zum Elektroantrieb sind die alternativen Antriebe aus mehreren Gründen trotzdem für eine grüne Verkehrswende geeignet. Fahrzeuge, die auf der Verbrennung dieser Kraftstoffe basieren, haben gegenüber Elektroautos nämlich einen entscheidenden Vorteil: die Reichweite. Denn die Energiedichte elektrisch hergestellter Brennstoffe ist um ein Vielfaches höher als die von Batteriezellen. Während aktuelle Akkus eine Energiedichte von rund 150 Wattstunden (Wh) pro Kilogramm aufweisen, besitzt Wasserstoff eine Energiedichte von 33.3300 Wh pro Kilogramm, E-Fuels und E-Gases dürften dabei an die Energiedichte der herkömmlichen Treibstoffe heranreichen – sprich auf eine Energiedichte 13.900 Wh von Methan und auf 12.000 Wh von Benzin kommen. In einen LKW Tank werden zwischen 150 Liter Diesel aufwärts getankt, in einen Sattelzug im europäischen Fernverkehr sogar bis zu 1.000 Liter. Wollte man die damit angestrebten Reichweiten mit Batterien erreichen, müsste man Batteriezellen mit einem Gewicht zwischen zwölf und 80 Tonnen im Lkw verbauen. Deswegen verwundert es auch nicht, dass der Fern- und Lastenfernkehr in den kommenden Jahren auf Wasserstoff-Lastwagen setzen werden.

Zudem haben E-Fuels und E-Gases ebenso wie Wasserstoff den Vorteil, dass sie den erzeugten Strom aus regenerativen Energiequellen – wenn auch mit Energieverlusten innerhalb der Produktion – speichern und lagern können. Das haben auch die norddeutschen Bundesländer erkannt, die ein Groß der in Deutschland produzierten Windenergie erzeugen und mit der Problematik der Ausfallarbeit bestens vertraut sind. Um die potentielle Energieproduktion nicht vollständig verpuffen zu lassen, haben sich im vergangenen Jahr Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein dazu entschlossen, gemeinsam den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zu forcieren. Immerhin hätte man mit der verloren gegangenen Energie von 5,4 TWh im Jahr 2018 so viel Wasserstoff produzieren und speichern können, um über 16.000 Wasserstoffbusse über ein Jahr lang zu betreiben. Neben dem Aufbau einer Elektrolyseleistung von fünf Gigawatt bis ins Jahr 2035 wollen die beteiligten Bundesländer ein Netz aus 250 Wasserstofftankstellen errichten. Allein am Hamburger Hafen soll eine Elektrolyseanlage mit einer Leistung von 100 Megawatt installiert werden und nach Abschluss der Bauarbeiten zwei Tonnen Wasserstoff pro Stunde produzieren – Weltrekord.

Der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur ist auch für die Produktion von E-Fuels und E-Gases von enormer Wichtigkeit. Denn diese Kraftstoffe werden durch eine Synthese von Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid aus der Luft hergestellt. Der enorme Vorteil dieser synthetisch hergestellten Kraftstoffe besteht in der einfacheren Verwendbarkeit: Im Gegensatz zum Wasserstoff müssen erstens keine neuen Transport- und Infrastrukturen aufgebaut werden und zweitens können vorhandene Motorentechnologien an die Eigenschaften der neuen Brennstoff angepasst werden – ohne eine neue Technologie von Grund auf zu erforschen. So könnten ohne große Umwege auch Schiffe und Flugzeuge mit den elektrisch produzierten Kraftstoffen betankt werden und den Handels-, Kreuzfahrt- und Flugbetrieb deutlich umweltfreundlicher gestalten.

REICHWEITE UND KAPAZITÄT ALS KLIMAKILLER?

Die Kritikpunkte der Elektroautogegner sind trotz der erwiesenen Klimafreundlichkeit weder von der Hand zu weisen, noch leicht zu entkräften. Das Hauptargument der Skeptiker betrifft die Kapazitätsverluste und Lebensdauer der Akkuzellen. Denn ähnlich wie bei einem Handyakku sinkt die Leistung der Batteriezellen sowohl aufgrund Überladungs- oder Tiefenentladungsschäden als auch durch elektrochemische Umwandlungen nach mehreren hundert Ladezyklen. Doch wie viele Ladezyklen bedarf es eigentlich, damit eine Batterie nicht mehr für den mobilen Gebrauch geeignet ist? Und wieviel Kilometern Fahrleistung entspricht das? Genau hier liegt auch die Krux: Die Lebensdauer und Kapazitätsverluste hängen von der Fahrweise, den zusätzlichen Stromverbrauch durch elektrische On-Board-Systeme oder der Außentemperatur.

Als Faustregel gilt: Verfügt die Batterie eines Elektroautos nur noch über 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität, kündigt sich sein Ende im mobilen Bereich an. Denn sobald sie diese Marke unterschreitet, nehmen die Kapazitätsverluste in der Regel rapide zu und mit ihnen die Reichweite rapide ab. Damit ein Elektroauto eine im Vergleich zum Verbrenner bessere Klimabilanz aufweist, muss es in Deutschland allerdings bis zu 95.000 Kilometern gefahren werden – Kleinwagen einmal ausgenommen.

Um der landläufigen Meinung, die Batterie eines heutigen Elektroautos gebe nach circa 100.000 Kilometern Laufleistung den Geist auf, etwas entgegenzusetzen, garantieren die meisten Autohersteller ihren Kunden mittlerweile eine Laufleistung/-zeit von 160.000 Kilometern oder acht Jahren, in der die Reichweite der Batterie einen bestimmten Grenzwert nicht unterschreitet. Diese Garantie könnte in den Jahren aufgrund der Zykluserhöhung der neuen Batteriegenerationen sogar noch weiter ansteigen. Ließen die Kapazitäten der Akkus der ersten Generation noch nach 500 Ladezyklen deutlich nach, kommen heutige Batterien auf 1.500 Ladezyklen. Bei einer Reichweite von 200 Kilometern wären dies immerhin 300.000 Kilometer Laufleistung insgesamt.

Ein Manko besitzen aktuelle Elektroautos trotz allem: ihre Leistungsbeeinflussung durch die Umgebungstemperatur. Werden die Batteriezellen aufgrund eines technischen Defekts oder der Außentemperatur zu warm, nehmen sie Schaden, was sich augenblicklich an der Performance und der maximalen Kapazität ablesen lässt. Werden sie aufgrund winterlicher Temperaturen zu kalt, lässt sich das ebenfalls an ihrer akut abrufbaren Kapazität ablesen. Im Gegensatz zur zyklischen stellte die kalendarische Lebensdauer noch ein weitgehend unerforschtes Gebiet für die Hersteller dar. Überhitzungsschäden zu vermeiden, ist dabei einfacher als Leistungseinbrüche durch eine massive Kälte zu reduzieren. Während die Batterien mittels gut durchdachter Kühlungen auf niedrigen Temperaturen gehalten werden können, lässt sich die Batterie nur schwerlich warmhalten.

Bei minus 20 Grad Außentemperatur kommen Lithium-IonenBatterien aufgrund einer Verdickung oder einem Erstarren der Elektrolytlösung in der Batterie nur noch auf 50 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität. In Regionen, in denen sich derartige Temperaturen immer wieder einstellen, könnte dieses Kriterium tatsächlich ein Argument gegen den Gebrauch eines Elektroautos sein. Vor allem weil sich die Reichweite analog zur Kapazität reduziert. Reichten 200 Kilometer Reichweite locker zur Alltagsbewältigung, können situative Außentemperaturen von minus 20 Grad Celsius die Reichweite halbieren und den Gebrauch deutlich einschränken. Speziell Pendler dürften dann ein Problem haben. Doch auch hier wird bereits an einer Lösung geforscht: Chinesische Wissenschaftler arbeiten beispielsweise an einer Lithium-Ionen-Batterie, die selbst bei minus 70 Grad noch 70 Prozent seiner ursprünglichen Kapazität besitzt. Doch auch wenn irgendwann eine Festkörperbatterie in Elektroautos zum Einsatz kommen sollte, hat sich das Kälteproblem erübrigt. Im Gegensatz zu Lithium-Ionen-Batterie enthält die Festkörperbatterie, wie ihr Name bereits andeutet, einen Festkörper und keine Elektrolytlösung, die bei Minustemperaturen erstarren könnten.

Was mit einem ausgedienten Lithium-Ionen-Akkumulator nach seinem Ausdienen in Verkehr geschieht, wird im Übrigen die Zukunft zeigen. Da fast alle Hersteller weitgehend darauf verzichten, eigene Akkus zu entwickeln, hält sich die Kompetenz defekte oder angeschlagene Batterien in Deutschland zu reparieren leider noch in Grenzen. Gerade einmal eine Hand voll Firmen sind hierzulande im Umgang mit Lithium-Ionen-Akkus geübt, sodass die mehreren hundert Kilo schweren Akkus in der Regel zurück ins überwiegend asiatische Produktionsland geschickt werden müssen.

Aktuelle Lösungen im Umgang mit ausrangierten Batterien schlagen hier allerdings zwei Wege vor. Erstens: Ein Recycling der verwendeten Ressourcen – vornehmlich Lithium. Zweitens: die Verwendung der Batterien als stationäre Stromspeicher, um kleinere Mengen produzierten Ökostroms zwischen zu speichern, zum Beispiel bei privaten Photovoltaik-Anlagen. Ausrangierte Akkus verfügen schließlich noch über rund 80 Prozent ihrer Kapazität, was bei einer 100 kWh Batterie eine beträchtliche Menge darstellt. So lange der Lithiumpreis am globalen Markt noch niedrig liegt, dürften ausgefeilte Recyclingtechnologien allerdings noch auf sich warten lassen. Schon alleine deswegen, weil sich das Rückführen von Lithium in den Werkstoffkreislauf als äußert umständlich und kostspielig erweist.

KLIMAGRAL ELEKTROMOBILITÄT?

Heute erworbene Elektroautos können sich laut neuesten Studien durchaus positiv auf das Klima auswirken. Zugleich bietet ihr emissionsloser Betrieb im Gegensatz zu den fossilen Verbrennern nicht nur die Möglichkeit, die globalen CO2-Emissionen zu reduzieren, sondern auch den Schadstoff- und Stickoxid-Ausstoß in den Großstädten einzudämmen. Die Verwendung von in Deutschland produziertem Strom macht den Verkehr in der Bundesrepublik überdies unabhängig von Kraftstoffimporten aus dem Ausland. Zehn Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen würden allerdings zahlreiche Umbaumaßnahmen im Stromnetz bedeuten, deren Kosten von den Netzbetreibern wohl auf den Endkunden übertragen werden könnten. Um eine vollumfängliche emissionslose Mobilitätswende herbeizuführen, bedarf es aufgrund des engen Zusammenhanges mit der Energiewende dennoch zusätzliche, synthetisierte Kraftstoffe, die in der Lage sind, bereits produzierten Ökostrom dauerhaft lagerfähig zu machen. Diese elektrisch erzeugten Substitute können ihren Vorteil dabei sowohl in Langstreckenfahrzeugen als auch in bereits entwickelten Antriebs-, Lager- und Transportsysteme ausspielen. Gerade hier wird sich zeigen, welche Technologie das Rennen macht. E-Fuels und E-Gases sind dabei zwar teurer in der Produktion als Wasserstoff, zumal sie auf Wasserstoff basieren, können aber auf bereits entwickelte Antriebsstränge zurückgreifen. Vor allem für den Luft- oder Schiffsverkehr stellen sie die grüne Alternative dar.

Der Klima-Gral Elektromobilität wird sich somit nicht nur auf die Elektroautos beschränken, sondern wird sich in Zukunft im engeren Sinn auf alle Antriebsarten mit elektrisch produzierten Kraftstoffen beziehen müssen – Verbrennungsmotoren inklusive.

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