Als Josef Mulzer und Martina Fehrenbach im August die filter-Redaktion betreten, verändert sich sofort die Stimmung: Es wird laut, bunter, lebendiger. Er – wie gewohnt braun gebrannt, perfekt rasiert und in einem auffälligen blau-weißen Outfit mit rot-karierter Hose. Sie trägt ein knallgrünes Oberteil, kombiniert mit einer orangefarbenen Kette – passend zu ihrem unverwechselbaren Pilzkopf in leuchtendem Orange. An den Handgelenken funkeln bunte Armkettchen. Schon beim ersten Blick ist klar: Dieses Duo ist alles andere als gewöhnlich.
Die beiden gehören zu den wohl außergewöhnlichsten Influencern Regensburgs. Josef, auf Instagram als j.-r.-m. bekannt, startet mit 69 in Social Media durch und begeistert seit acht Jahren seine mittlerweile 11.800 Follower – und das weit über die Stadtgrenzen hinaus. Seine 18 Jahre jüngere Ehefrau Martina war anfangs skeptisch, persönliche Informationen online zu teilen. Mittlerweile ist sie nicht nur selbst als martina1.9. mit knapp 4.000 Followern aktiv, sondern – was viele nicht wissen – auch der kreative Kopf hinter beiden Profilen. Während er vor der Kamera posiert, filmt, schneidet und postet sie den Content – gleichzeitig managed sie Veranstaltungs- und Reiseplanungen. All das macht sie neben ihrem Vollzeitjob in einer Regensburger IT-Firma. Sie steht jeden Tag um halb fünf auf, um mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, ihr Auto hat sie bereits vor über zehn Jahren verkauft.
Ob in Regensburg oder Berlin – Josef und Martina sind längst gern gesehene Gäste auf exklusiven Events. Selbst renommierte Zeitungen und TV-Formate holen sie immer wieder vors Mikrofon.
Mit uns sprechen sie offen und ehrlich darüber, wie sich ihr Leben seit Instagram verändert hat, und warum sie jetzt nicht mehr damit aufhören können. Josef gibt zu, dass er fast süchtig nach Instagram war und diesen Sommer ernsthaft plante, für immer mit Instagram aufzuhören.
Wir dürfen auch 40 Jahre zurückreisen, in die Zeit, als sich das stadtbekannte Regensburger Pärchen kennengelernt hat.
„Dann ist im Hausgang das Licht ausgegangen und wir mussten von vorne beginnen“
Auf der einen Seite wirken sie wie routinierte Medienprofis, auf der anderen erzählen sie so locker von ihrem Leben, als säßen wir mit Freunden in einem Café. Genau mit dieser Attitude erzählen sie von ihren Instagram-Anfängen, in denen sie im Hausgang eine Leinwand als Kulisse aufgebaut haben – einfach mit einem doppelseitigen Klebeband an die Wand geklebt und unten schwarze Leintücher drapiert. Beleuchtet wurde das Ganze mit einer Taschenlampe auf einem Stativ – das ist übrigens bis heute so geblieben. „Dann ist im Hausgang immer wieder das Licht ausgegangen und wir mussten wieder von vorne beginnen“, erzählt Josef lachend. Heute shooten sie in der Stadt oder in speziellen Locations. Gefilmt wird immer noch mit dem Handy – allerdings mit einem besseren Modell.
Jeden Sonntag gibt es mittlerweile ein neues Reel – von der Location bis zum Outfit, jedes Detail sitzt perfekt. Josef führt Regie, Martina setzt alles um. Viele Stunden wendet sie jede Woche für ihre Instagram-Accounts auf. Aber sie macht es gerne: „Das hat uns viele Türen geöffnet“. Jetzt genießen sie ihr Leben als „Geschäftspartner“. Sie haben Spaß daran, ihren Content zu drehen. Instagram ist für sie nicht nur ein Job, sondern eine Lebensweise.

Josef Mulzer und Martine Fehrenbach lieben es bunt und auffällig. © Stanislav Akimkin, Instagram: ©stanislav.akimkin
Fashion-Week oder Underground-Fashion?
„Durch Instagram erleben wir Dinge, die wir sonst nie erlebt hätten“, ist sich Martina sicher. Die Fashion-Week in Berlin ist für die beiden zur Pflicht geworden. Doch besonders lieben sie es, auf die teils ungewöhnlichen Shows aufstrebender Designer eingeladen zu werden. „Einmal waren wir in einer Galerie in einem Kellergewölbe. Dort sind die Leute auf dem blanken Boden gesessen, vereinzelt war mal ein Stuhl. Ein DJ hat aufgelegt und die Atmosphäre war einfach mega. Entsprechend waren auch die Klamotten.“, schwärmt sie.
Während Josef auch Luxus liebt und lebt, besitzt Martina zwar eine Louis Vuitton-Tasche, fühlt sich aber eher unwohl damit: „Fashion muss mir einfach gefallen. Wenn ich ein Stück bärig finde, ziehe ich das einem großen Designer vor.“
„Dass wir zu Events eingeladen werden, von Menschen, die uns wertschätzen – auch das ist Luxus“, beschreibt Josef. „Oder wenn junge Mädchen zu mir kommen und ein Selfie mit mir möchten, dann denke ich mir, das ist ja mein dritter Frühling“, fügt er lachend hinzu.
Sie erzählen aber auch, dass sie in Regensburg immer wieder angepöbelt oder gefragt werden, wie man nur so rumlaufen könne – sogar von Freunden. „Früher haben wir darauf reagiert, mittlerweile schenken wir den Menschen ein Lächeln und gehen weiter. Freunde müssen uns so nehmen, wie wir sind.“

Das Paar trägt, was ihnen gefällt und das ohne auf die Meinung von anderen zu hören. © Josef Mulzer und Martina Fehrenbach
#NoInfluencer
Was viele nicht wissen: Josef ist pensionierter Lehrer, er hat Sport und Technik an der Mittelschule unterrichtet. Zu der Zeit trug er seine außergewöhnlichen Styles jedoch nur in seiner Freizeit, in der Schule traf man ihn zumeist im Trainingsanzug an. „Eine Schülerin kam mal in der Pause zu mir und erzählte ganz aufgeregt, dass sie gestern in der Stadt meinen Bruder gesehen habe. Ich habe allerdings keinen Bruder.“, lacht Josef. Bis heute hat der früher strenge Lehrer Kontakt zu seinen Schülern – sogar Sport machen sie gemeinsam.
Heute ist er Influencer – auch wenn er den Begriff nicht mag: „Wir möchten niemanden beeinflussen, sondern Geschichten erzählen. Wir möchten das Verrücktsein nach der Mode nach außen tragen, aber keine Trends setzen.“ Geld verdienen stehe dabei nicht im Fokus, Kooperationen gehe er nach wie vor nicht ein. Trotzdem sagt er: „Ich bin süchtig nach Instagram.“ Besonders Kommentare liegen ihm am Herzen, teilweise sind es 600 pro Reel – „und zum Teil so liabe“, zeigt er sich gerührt. Deshalb hat er es sich zur Aufgabe gemacht, jedem einzelnen zu antworten.
„Ich hatte vor, diesen Sommer ganz mit Instagram aufzuhören“
Diese Sucht führte soweit, dass er im vergangenen Sommer kaum noch aus dem Haus ging: „Instagram war mir damals das Wichtigste“, so Josef. Auch für die Beziehung mit Martina war Instagram zeitweise eine echte Herausforderung. „Wir haben uns oft gefetzt – auch weil ich so ein Perfektionist bin“, gibt er zu.
„Diesen Sommer hatte ich mir deshalb fest vorgenommen, ganz mit Instagram aufzuhören“, stellt Josef klar. Er sei jedoch zur Entscheidung gekommen: „Ich darf es nicht.“ Als Grund nennt er die vielen Kontakte, die sie über Instagram halten und sonst verlieren könnten.
Zudem habe sich Josef weiterentwickelt, er sei gelassener geworden: „Likes interessieren mich nicht mehr, weil ich weiß: Ich bin gut.“ Sein großes Selbstbewusstsein hat ihm geholfen: „Ich war in meinem Leben immer überzeugt: Ich bin der Beste.“
„Meine Mutter war eine Modeikone“
Josefs Affinität für Mode wurde ihm bereits in die Wiege gelegt: Seine Mutter war Schneiderin im Spanischen Hof, und bereits mit sechs Jahren streifte der kleine Josef mit ihr in der Maximilianstraße in München durch die Boutiquen. „Meine Mutter war eine Modeikone. Ich eiferte ihr nach und war dadurch seit jeher sehr modebewusst“, erinnert er sich.
Räume voller Kleidung – Kleiderschränke bis zum Umfallen
„Mode leben und erleben“ war eben schon immer ein Traum von Josef – und auch von Martina. Bis sie heute das richtige Outfit gewählt haben, dauert es Stunden, manchmal sogar Tage. Und dann muss die gewünschte Kleidung erst noch gefunden werden. „Wir haben Schränke und ganze Räume voller Kleidung.“ Sogar mehrere Speicherräume haben sie zusätzlich angemietet, um die Kleidung unterzubringen. „Ich habe allein circa 160 Paar Schuhe“, gibt Josef einen Einblick. Wo sich jedes Teil befindet, hält Martina mittlerweile akribisch in ihrem „Archiv“ – einem kleinen handgeschriebenen Büchlein – fest. Das anschließende Styling kostet auch noch einmal Zeit, doch beide sind sich einig: Josef braucht länger. Auf die Frage, wer mehr Klamotten hat, zeigt Martina nur mit den Worten „Josef ist die Frau im Haus“ auf ihren Ehemann.
„Goggi‘s Museum“
Doch wie kann man sich die vier Wände von Josef und Martina vorstellen? Sie haben uns verraten, dass sie seit 25 Jahren eine Wohnung im Regensburger Villenviertel bewohnen. Auf 125 Quadratmetern mit Terrasse, die einmal um das Gebäude reicht, und sechs bis sieben Meter hohen Decken lässt es sich aushalten. Wenn man die Wohnung betritt, kommt man in ein riesiges Wohnzimmer mit offener Küche inklusive großer Kochnische. Im großzügigen Bad steht die Badewanne auf einer Stufe erhöht. „Das Schlafzimmer ist zugebunkert mit Schränken bis zum Umfallen“, beschreibt Josef. Die Einrichtung ist wie sie – außergewöhnlich. Exklusive Möbel, zum Teil echte Unikate. „Goggi‘s Museum“ – so nennen Freunde die extravagante Wohnung. Warum Goggi? „Meine Freunde haben mich schon immer Gockel genannt“, erinnert sich Josef, „wahrscheinlich weil er als Jugendlicher schon so braun war“, vermutet Martina.
„Unsere Modewelt spiegelt sich sowohl durch die Möbel als auch unsere Puppen wieder“, erklärt Josef. Gleich sieben Puppen, die saisonal ihre Outfits wechseln, dürfen sich als die glücklichen Mitbewohner der beiden bezeichnen. Einige davon sind Original-Nachbildungen von Models. Häufig gehen Martina und Josef nur für die Puppen zum Shoppen.

Gestylt und in pose gesetzt: Die Puppen des Paares haben es auf jeden Fall gut. © Josef Mulzer und Martina Fehrenbach
In Berlin wird ihnen der rote Teppich ausgerollt
Während sie in Regensburg die schöne Umgebung und die Ruhe reizen, kann es auf ihren Reisen nicht laut genug sein. Am liebsten sind die beiden in Berlin und genießen dort den Trubel der Straßen und wilde Partynächte. Hier sind die Outfits nochmal crazier. Dafür haben die beiden vier Koffer à 22 Kilogramm dabei.
„Wenn ich in Berlin aussteige, dann sage ich, jetzt bin ich dahoam“, beschreibt er. Sie sind immer im gleichen Hotel, wo sie eine Terrassenwohnung mit Blick auf den Potsdamer Platz beziehen. „Dort angekommen kommt es schon mal vor, dass der Manager uns mit einem roten Teppich und einem Sektempfang erwartet“, lacht Martina. Beim Frühstück steht jeden Tag ein Glas Champagner bereit. „Das brauche ich im Urlaub, um in Schwung zu kommen“, schmunzelt Josef.
Regensburg den Rücken zu kehren und ganz nach Berlin zu gehen, können sie sich nicht vorstellen. „In Berlin stehen wir nach dem dritten Tag vor dem Spiegel und sagen: Sind wir alt geworden – einfach weil jeden Tag Action ist“, beschreibt Josef. So sind die beiden häufig in bekannten Clubs unterwegs, auch im Berghain waren sie schon. Einmal wären sie fast im KitKatClub gelandet. Auf einer Aftershowparty schlug ein anderer Gast vor, noch gemeinsam dorthin zu gehen.
Martina fragte sich, ob sie dafür nicht overdressed sei. Die Antwort: „Kein Problem, du musst dich ja sowieso ausziehen.“ Den beiden wurde erklärt, dass es dort Schließfächer für Kleidung und Handy gibt, einen Pool – und Räume, in denen es „zur Sache geht“. Sie hätten sich auf das Abenteuer eingelassen – doch an diesem Tag war der Club geschlossen. Vielleicht klappt es beim nächsten Mal.
Sexy, leicht und locker durch den Influencer-Alltag
Wie sieht das Leben als Fashion-Influencer aus? „Mein Alltag ist natürlich sexy, leicht und locker – ganz nach meinem Lebensmotto“, erzählt Josef. „Ich stehe auf, wann ich will – aber meistens spätestens um acht“, schmunzelt er. Als erstes werden im Bett die Nachrichten auf NTV gecheckt, und – ganz wichtig – der Blick aufs Handy: Martina schreibt ihm jeden Morgen, wenn sie gut in der Arbeit angekommen ist. Dann geht es für ihn ins Bad: „Ich rasiere jeden Tag meinen kompletten Körper und die Glatze. Dann frühstücke ich schön, bevor es auch schon mit Instagram losgeht“, gesteht Josef. „Mittags warte ich dann immer auf den täglichen Anruf der gnädigen Frau.“ Ob es dann weiter zum Einkaufen geht oder in die Stadt, macht er spontan. Sonne genießen, Zeitung lesen und ratschen – das mag Josef am liebsten. Auch im Haushalt hat er seine festen Aufgabenbereiche.
Wenn Martina gegen vier von der Arbeit nach Hause kommt, wird bald gegessen. Zum Entspannen legt sie sich gerne auf die Terrasse zum Lesen – „das ist die einzige Beschäftigung, bei der ich richtig abschalten kann“, gibt sie zu. So etwas wie Couchtime gibt es nicht im Hause Mulzer: „Da liegt ja die Schaufensterpuppe“, berichtet Martina ganz selbstverständlich.
Mehrmals pro Woche wird Sport gemacht: von Wandern über Rennradfahren bis hin zu Autogenem Training. Kurz nachdem Josef in Rente ging, waren es vier Stunden Sport TÄGLICH. Mit Instagram wurde der Sportkonsum etwas humaner. Aber der Eindruck bleibt, dass die beiden das Extreme lieben.

Seit 40 Jahren sind die beiden unzertrennlich. © Stanislav Akimkin, Instagram: ©stanislav.akimkin
Die Love Story beginnt im Novelle
Nicht nur in ihren Erzählungen, sondern auch im Umgang miteinander wirkt das Paar sehr vertraut – kein Wunder, schließlich kennen sie sich seit 41 Jahren und sind seit 40 Jahren ein Paar. Damals hatte Martina gerade ihr Abitur gemacht und Josef war Lehrer.
An ihr erstes Treffen erinnern sich die beiden noch ganz genau – sogar daran, was der andere getragen hat. Es war in der Regensburger Diskothek „Novelle“ beim Obermünsterplatz. Martina ist Josef sofort ins Auge gestochen: „Sie war anders als all die anderen“, beschreibt er. So sprach er – damals noch mit Vollbart und Wuschelmähne – seine Martina mit den Worten: „Hast du Lust auf einen Café?“ an.
Sie erinnert sich genau: „Er war sehr edel angezogen: Ein kariertes Sakko, eine beige Cord-Hose, tolle qualitativ hochwertige Schuhe, eine Cartier-Uhr, einen Siegel-Ring und eine auffällige Brille mit Eisengestellt hatte er an.“ Josef erzählt, dass Martina eine graue, kürzere Hose trug, eine graue Jacke, eine „ganz konservative Brille und dazu einen blonden, kurzen Stiftelschnitt“.
Noch am selben Abend tauschten sie Festnetznummern aus. Kurz vor Weihnachten klingelte Josefs Telefon – Martina war dran. So trafen sie sich am 06. Januar zu ihrem ersten Date im Peaches. Auch ein echtes Schneegestöber konnte ihn nicht davon abhalten, in die Stadt zu fahren „Ich kann mich noch genau an ihn erinnern, als er aus seinem gelben Mercedes stieg“, schildert Martina – und es war um sie geschehen.
„Ein bisschen verrückt sind wir ja schon“, resümiert Martina am Ende des Gesprächs. Und genau das macht die beiden so einzigartig und sympathisch. Sie haben uns gezeigt, dass sie über sich selbst lachen können, und uns einen wunderbaren Einblick in ihre Welt gegeben – eine Welt, die Instagram ihnen eröffnet hat. Aber auch eine Welt, die sie zugleich selbst gestalten, nach ihren eigenen Vorstellungen. Wild, selbstbewusst und einfach crazy.
Ein Portrait von Marina Triebswetter I filterMagazin