Frühe Erkennung von Wissenslücken, neue Förderungsmaßnahmen und ein Zusatzjahr machen das Konzept der neuen Lernkultur aus, das ab Herbst auf die Gymnasien in Regensburg zukommt. Ziel dabei ist, die Schüler optimal auf die Oberstufe vorzubereiten, damit sie letztendlich das Abitur erfolgreich meistern.
Ab dem nächsten Schuljahr werden an den regensburger Gymnasien, sowie an allen Gymasien bundesweit neue Förderungsmaßnahmen getroffen. Lernen soll in Zukunft nicht mehr starr von statten gehen, sondern individueller werden.
Neben der Förderung von Schülern mit starken Leistungen sollen vor allem leistungsschwache Schüler unterstützt werden.
Deshalb setzt sich die neue Lernkultur aus folgenden drei Komponenten zusammen: dem Frühwarnsystem, neue Förderangebote und das Flexibilisierungsjahr.
Das Konzept richtet sich vor allem an Schüler der Mittelstufe, um zum einen eine bessere Grundlage für die Oberstufe zu schaffen und zum anderen um individuelle Begabungen zu vertiefen.
Probleme frühzeitig beheben und beseitigen
Das Frühwarnsystem soll dazu dienen, die Schwachstellen eines Schülers so früh wie möglich zu erkennen. Dazu bespricht die Klassenleitung dessen Leistungsstand mit den jeweiligen Fachlehrern. Nach Absprache mit der Schulleitung werden die Eltern informiert und es wird entschieden, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um weiteren Leistungsabfall zu vermeiden und die bereits entstandenen Mängel behoben werden können.
Hier greifen die neuen Förderangebote. Sie bestehen in Zusatzstunden in ausgewählten Fächern, Blockseminaren zur intensiven Aufbereitung von fachlichen Lücken und im Angebot zusätzlicher Lernmaterialien, die die Schüler zum selbstgesteuerten Lernen nutzen können. Hilfreich ist eine kontinuierliche Begleitung von einem Lerncoach, der den Schüler mit Rat und Tat zur Seite steht, ihn ermutigt und unterstützt. Die leistungsstarken Schüler kommen hier auch nicht zu kurz: Es sollen zukünftig spezifische Zusatzangebote wie Pluskurse angeboten werden, um individuelle Interessen und Fähigkeiten zu vertiefen und zu fördern.
Selbstständigkeit ist das A und O
Das eigenständige lernen liegt auch dem BLLV, dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband sehr am Herzen. Es sollten nur wirklich relevante Inhalte an die Schüler weitergegeben werden, die sie im Leben weiterbringen. Um sich selbstständig weiterbilden und tiefgründigere Recherche betreiben zu können, müssen die Schüler "mit einem Methodenrepertoire an Strategien und Lerntechniken ausgerüstet werden, mit denen sie zum selbständigen Lernen in die Lage versetzt werden und schließlich die Studienreife oder Ausbildungsreife erlangen können", sagt Christoph Vatter, Leiter des Kreisverbandes Regensburg des BLLV. Die Schüler müssten demnach nicht jede Jahreszahl wichtiger geschichtlicher Ereignisse im Kopf haben, aber Bescheid wissen, wie sie sich die Informationen schnell und gezielt beschaffen können.
Speziell am Albertus-Magnus-Gymnasium in Regensburg wird es neben Blockkursen in den Ferien, in denen ein Fachlehrer mit einer kleinen Gruppen von Schülern die problematischen Themengebiete des vorangegangenen Schuljahres in Angriff nimmt, auch verpflichtenden Zusatzunterricht geben. Das besondere an diesem Zusatzangebot ist die Hop-on-hop-off-Methode: Ist eine Verbesserung des Schülers klar zu erkennen, ist es ihm möglich, den Förderunterricht einfach wieder zu verlassen.
Das Konzept der beliebigen Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten solcher Kurse findet auch Christoph Vatter sinnvoll. Ferien- oder Wochenendkurse findet er allerdings übertrieben, da ständiger Druck den Schülern oft schaden kann ? anstatt ihnen zum Erfolg zu verhelfen. Neben außerschulischen Aktivitäten in Jugendgruppen und Vereinen "benötigen Schüler auch Phasen des Ausruhens und der Stille, damit Dinge auch geistig verarbeitet werden können", stellt Christoph Vatter fest. Leider werde das im heutigen Schulbetrieb oft vergessen.
Dass Förderunterricht aber auch angenehmer gestaltet werden kann, hat sich bereits in Schwandorf bewährt: Hier wurde ein Tutorensystem eingeführt, bei dem Oberstufenschüler den jüngeren Schülern Tipps zur Bewältigung des Stoffes geben, Unklarheiten aus dem Weg schaffen und ihnen ihre Fragen beantworten. Da der Altersunterschied zwischen den "Lehrer" und Schüler nicht so groß ist wie bei den angestellten Fachkräften, öffnen sich die Schüler mehr und können sich dadurch besser auf den Aufgabenbereich einlassen. Die Unterstützung auf Augenhöhe stellt auch für die Oberstufler eine Bereicherung da: sie frischen ihre eigenen Kenntnisse auf und können ihr Talent mit anderen teilen.
Durch ein Zusatzjahr zum Erfolg
Die letzte Säule des individuellen Lernens bildet das Flexibilisierungsjahr. Hier bietet sich die Möglichkeit, in die acht Jahre andauernde Schulausbildung bis zum Abitur individuell ein Zusatzjahr einzuschieben. Dazu gibt es zwei Varianten: Bei der ersten Variante entscheidet sich ein Schüler am Ende der Jahrgangsstufe 8, 9 oder 10, die jeweilige Stufe in modifizierter Form noch einmal zu wiederholen. Nicht-Kernfächer können auf wenige Wochenstunden reduziert werden, sodass mehr Zeit für die Problemfächer bleibt. Bei Variante zwei können Schüler der angehenden 8. oder 9. Klasse die Gelegenheit nutzen, das Schuljahr in zwei Etappen mit entzerrten Stundenplan zu absolvieren. Dazu werden ausgewählte Fächer nur in einer Teiljahrgangsstufe belegt, was mehr Zeit für die übrigen Fächer schafft. Im zweiten Halbjahr werden die restlichen Fächer belegt und am Schuljahresende wird über die Vorrückung entschieden.
Das neue Konzept hört sich im Großen und Ganzen gar nicht schlecht an. Ob und inwiefern sich Umsetzungsschwierigkeiten ergeben, wird sich in den kommenden Jahren erst noch zeigen. Christoph Vatter weist schon jetzt auf die Probleme des Lehrermangels und der geforderten Fachkräfte hin. Zum anderen fehlt für das so sehr angestrebte individuelles Lernen einfach oft die Zeit. Und Zeit ist Geld, welches nicht nur an Gymnasien fehlt, sondern laut Christoph Vatter an allen Schulen.
(Vorschaubild: Dieter Schütz/pixelio.de)
Lernen wird individuell
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- Kategorie: Junges Regensburg
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