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Komponist Ludger Vollmer hat aus Tom Tykwer's Filmrenner "Lola rennt" ein Opernwerk kreiert, das am 28. Februar in Regensburg seine Uraufführung feierte. Allerdings muss sich das Regensburger Publikum an den frischen Wind, der mit Intendant Jens Neundorff von Enzberg aus Braunschweig nach Regensburg wehte, offenbar noch gewöhnen. Zwar war Lola's Opern-Version in 90 Film-Minuten kompakt verpackt. Unter den Zuschauern hinterließ die Inszenierung aber einige fragende Gesichter.

Das war deutlich am Schlußapplaus zu spüren, der eher etwas verhalten einsetzte. Die Reaktionen der Premieren-Gäste konnten unterschiedlicher nicht sein. Von "Sensationell" über "Gewöhnungsbedürftig" bis hin zu "Sehr eigen" oder "Mutig" war wirklich alles zu hören. Warum die Zuschauer das so empfanden, konnten sie unmittelbar nach der Vorstellung nicht wirklich erklären.

Zwar macht ein Intendant allein noch keinen (Theater)-Sommer. Eine neue Handschrift ist im Theater der Stadt Regensburg allerdings deutlich zu spüren. Der Laufweg von Lola wird zeigen, ob das Vertrauen in Ludger Vollmer der richtige Weg vom herkömmlichen Theatermuff direkt zur experimentellen Molekularbühne  war. Der Regensburger Theater-Besucher mag's wohl eher etwas griffiger.

Zum Stück:
Lolas Freund Manni (Seymur Karimov) ist Geldkurier. Doch eines Tages lässt er versehentlich 100.000 Mark in der U-Bahn liegen. Die Tüte mit dem Geld hat inzwischen ein Penner (ein herrlich erfrischender Adam Kruzel, Foto) an sich genommen. Mannis Boss will das Geld wiederhaben und gibt Manni 20 Minuten Zeit, es  zurückzubringen. Schafft er es nicht, hat er ein Problem ? mit garantiert tödlichem Ausgang. Manni gerät in Panik und ruft seine Freundin Lola (Vera Semieniuk) an.

Lola hat eine Idee, zieht sich ihre Laufschuhe an und rennt los. Aber nicht nur einmal, sondern dreimal. Und jedes Mal nimmt die Handlung einen anderen Ausgang. Schuld daran ist der Zufall, der stets seine Finger im Spiel hat, während Lola die Beine in die Hand nimmt. Somit erzählt der Film zwar eine Geschichte aber mit jeweils drei Varianten.

Wie er es schaffte, diesen komplexen Stoff in eine Oper zu "übersetzen", das verrät der Komponist der Oper, Ludger Vollmer.

Herr Vollmer, wie kam es dazu, aus dem Film "Lola rennt", eine Oper zu machen?
Jens Neundorff, der designierte Intendant des Theaters Regensburg, rief mich an und bat mich um eine Oper zum Thema Zeit. Johann Nepomuk Mälzel, der zusammen mit Beethoven das Metronom konstruiert hatte, wurde ja 1772 in Regensburg geboren. - Nach ein paar Themenvorschlägen, die ich Neundorff machte und die er alle ablehnte, sagte ich: "Na, dann bleibt ja nur noch der Film "Lola rennt" - Neundorff war begeistert, und wenige Tage später hatten wir das "Go!" von Tom Tykwer.

Und wie macht man aus einem Film eine Oper?
Was den Film von der Oper unterscheidet, ist das Medium. Grundsätzlich werden also zunächst Film und Drehbuch analysiert. Die Analysen gehen dabei vor allem in Hinblick auf die psychische Entwicklung sowie auf dramaturgische Kniffe. Dann wird das Szenarium für die Oper erstellt, also ein Libretto gemacht und schließlich wird die Musik dazu komponiert.

Film und Oper sind sehr unterschiedliche Medien mit verschiedenen Möglichkeiten und Darstellungsmitteln. Worin unterscheiden sich der Film und die gleichnamige Oper voneinander?
Der Film ist in seiner Art und Weise gebaut wie eine Art Techno-Track. Das sind Tracks, die am Computer montiert wurden und immer wieder gleich ablaufen. Da gibt es keinerlei zeitliche Verschiebung. Das bedeutet, der Zuschauer sieht alles immer zu 100 Prozent in ein- und derselben zeitlichen Abfolge. Das aber geht bei einer Oper nicht. Die Oper ist live, sie ist dargeboten von Darsteller, Orchester, Kapellmeister. Da sind Temposchwankungen vorprogrammiert. Insofern ist die zeitliche Wahrnehmung in der Oper eine ganz andere als die im Film.

Ist Ihre Komposition "Lola rennt" wie eine klassische Oper aufgebaut?
Nein, überhaupt nicht. Die Oper ist ein Experiment. Aber da folge ich Tykwer ? auch er experimentiert viel. Bei Lola rennt wird eine Geschichte erzählt, die dreimal wiederholt wird und ein jedes Mal einen anderen  Ausgang nimmt. So ähnlich wird es in der Oper auch sein.

Welches waren die größten Herausforderung bei der Umwandlung des Stoffes?
Die eine große Herausforderung ist, dass ich in der Oper eine Geschichte dreimal hintereinander erzählen muss. Dabei muss ich die Musik so komponieren, dass einerseits die Abläufe wiedererkannt werden, andererseits die Musik nicht langweilig ist bzw. dem Zuhörer als bloße Wiederholung erscheint. 
Das andere Problem ist die Zeit. Es gibt zwei Grundsituationen in der Oper: Die eine ist die gemessene Zeit. Sie wird rhythmisch dargestellt. Immer, wenn die Oper von der gemessenen Zeit erzählt, wenn Lola rennt oder wenn Konflikte, die das tägliche Leben bestimmen, ausgetragen werden, dann bestimmt der Rhythmus, der Groove das Geschehen. Die andere Grundsituation in der Oper hingegen ist die "Nicht-Zeit". Das sind die Liebe und der Tod. Denn hier spielt die Zeit überhaupt gar keine Rolle mehr. Diese "Nicht-Zeit" wird durch fließende, melodische Klangflächen und Tonfolgen dargestellt.

Im Film rennt Lola fast die ganze Zeit. Wie wird das auf der Theaterbühne szenisch umgesetzt?
Lola wird auf der Bühne mit Sicherheit rennen. Ob sie wirklich wie im Fitnesstudio rennt, oder ob dem Zuschauer ihr Lauf lediglich imaginiert wird, das weiß ich selbst noch nicht. Ich war bei den szenischen Proben noch nicht dabei. Es wird aber gemunkelt, dass es auf der Bühne richtig sausen wird.

Nehmen Sie bewusst Filme als Vorlagen für Ihre Kompositionen, um gerade das junge Publikum für die Oper zu begeistern?
Ich greife gerne auf Filmstoffe zurück, denn ich bin davon überzeugt, dass die jüngere Generation von klassischen Opern nicht so angesprochen wird, wie ich mir das wünsche. Die Oper hat eine Dramaturgie und eine Ästhetik, die das junge Publikum oft nicht anspricht, weil sie seinen Rezeptionsgewohnheiten nicht entspricht. Junge Leute sind heutzutage in schnellen Medien unterwegs. Sie kennen den Film mit all seinen rasanten schnellen Schnitten. Ich verwende für meine Opern daher bewusst eine ähnliche Dramaturgie und Ästhetik, die auf die jugendlichen Hör- und Seherfahrungen Rücksicht nimmt. Ich wähle Themen, die im Leben junger Leute eine große Rolle spielen. Und ich lege stets großen Wert darauf, dass auch jugendliche Darsteller mitwirken. Zudem setze ich Instrumente wie Drum-Sets mit in die gewöhnliche Orchesterbesetzung. Das kennen junge Leute und das finden sie cool. Bislang habe ich damit auch stets gute Erfahrung gemacht.

Was denken Sie, wird die Oper ein ebensolcher Renner wie der Film?
Zunächst muss man ja beachten, dass der Markt der Oper beschränkter ist, als der des Films. Ein Film läuft gleichzeitig in mehreren Städten und Kinos und erreicht somit ein Millionenpublikum. Aber ich kann sagen, dass meine Opern immer sehr gut besucht waren. Ich hoffe, dass es bei Lola auch nach der Premiere genauso wird.

"Lola rennt" läuft seit der Premiere am 28. Februar an augewählten Spieltagen jeweils um 19.30 Uhr im Theater am Bismarckplatz. Infos unter: "www.theater-regensburg.de"

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