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Die nächste Ausstellung aus der Reihe SCHAUFENSTER zeigt eine Besonderheit aus der Grafischen Sammlung des Kunstforums: Hugo Steiner-Prags Lithografie-Folge zu dem bekannten Prag-Roman "Der Golem" von Gustav Meyrink, die der Autor eigenhändig mit den jeweiligen Textstellen versehen hat.

Meyrinks 1913/1914 erschienener Roman gehört zu den wichtigsten literarischen Beiträgen, die das Bild der sagenumwobenen Stadt aufgegriffen und geprägt haben. In seinen Illustrationen von 1916 lässt Steiner-Prag die unheimlich-düstere Atmosphäre des alten Judenviertels wiederaufleben: Viele der dargestellten Orte gab es zu der Zeit nicht mehr, da der Stadtteil um 1900 abgerissen und überbaut worden war.

Als der 20-jährige Hugo Steiner (1880?1945) im Jahr 1900 Prag verließ, um an der Kunstakademie in München sein Studium fortzusetzen, ergänzte er seinen Namen um den seiner Heimatstadt. Das alte Prag mit seinen verwinkelten Gässchen und prunkvollen Barockpalästen hat ihn sein Leben lang fasziniert. Es war Inspirationsquelle für seine Illustrationen, unter denen die zu Gustav Meyrinks Roman "Der Golem" zu den bekanntesten gehören.

 Bereits als 16-Jähriger zog Steiner durch die Stadt und zeichnete. Zu diesem Zeitpunkt ? Mitte der 1890er Jahre ? hatte man mit dem Abbruch der ehemaligen Judenstadt begonnen, die im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem Armen- und Gaunerviertel geworden war, in dem katastrophale hygienische Bedingungen herrschten. Nun sollte hier ein moderner Stadtteil entstehen. Die so genannte Assanierung veranlasste eine Reihe von Künstlern und Fotografen, die durchaus malerischen Orte festzuhalten, bevor sie endgültig verschwanden.

Auch in Gustav Meyrinks bekanntem Roman, der 1913/1914 erstmals veröffentlicht wurde, spielen das Ghetto und sein Untergang eine wichtige Rolle. Er greift darin die Legende vom Lehm-Menschen Golem auf, den Rabbi Löw, der zwischen 1597 und 1609 in Prag wirkte, geschaffen haben soll. Meyrinks Golem ist jedoch vielmehr ein Phantom, das die  verschiedenen Alter Egos des Protagonisten personifiziert und die mystisch-unheimliche Atmosphäre der Judenstadt versinnbildlicht. Die phantastische Erzählung beinhaltet zudem zahlreiche Verweise auf die jüdische Kabbala sowie Elemente des damals modernen Spiritismus und Okkultismus.

Hugo Steiner-Prag fand in dem Buch das ihm vertraute Milieu wieder. An Meyrink, den er von spiritistischen Sitzungen kannte, schrieb er später: "Ihr Buch war das alte Prag, seine Gestalten geschaffen nach den Menschen unserer Zeiten."

 In der 25 Lithografien umfassenden Folge von 1916 schöpft Steiner-Prag aus seinem eigenen intensiven Erleben der Stadt. Für die topografisch lokalisierbaren Orte des Ghettos, die 1916 bereits nicht mehr existierten, griff er wahrscheinlich auf eigene frühe Zeichnungen zurück. Er konnte sich dabei auch auf die zahlreichen Darstellungen anderer Künstler sowie Fotografien stützen. In der Ausstellung sind als Beispiele Blätter von Emil Orlik und Carl Thiemann von 1898 bzw. 1906 zu sehen, die die Situation während des Abbruchs des Ghettos festhalten.

Auch in Hugo Steiner-Prags späterem Schaffen blieben die Prager Stadtszenerien ein zentrales Motiv, das er etwa in den expressionistisch geprägten Radierungen aufgriff, die er 1922 zum Roman "Tod des Löwen" der deutsch-böhmischen Schriftstellerin Auguste Hauschner (1850?1924) anfertigte. Eine großformatige Gouache mit einer Prager Häuserzeile, entstanden im Jahr 1940, bildet den Schlusspunkt der Präsentation.

Die Prag-Motive standen insbesondere nach der Rückkehr in seine Heimatstadt 1933 wieder im Mittelpunkt. Steiner-Prag suchte dort Zuflucht vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Mit deren Machtübernahme hatte der jüdischstämmige Künstler seine Professur an der Akademie für Grafische Künste und Buchgewerbe in Leipzig verloren, die er seit 1907 inne hatte. In Prag gründete er die private Kunstschule Offizina Pragensis. Diese war das Vorbild für eine weitere, von ihm initiierte Kunstschule in Stockholm; dorthin war Steiner-Prag 1938 ausgewandert. 1941 folgte er einer Berufung an die Division of Graphic Arts an der Universität in New York, wo er 1945 starb.
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Bild: Kunstforum Ostdeutsche Galerie

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