In 28 europäischen Staaten können Frauen die "Pille danach" rezeptfrei erhalten, in Deutschland nur auf Rezept, in Regensburg teilweise gar nicht. Zumindest dann nicht, wenn frau sie nachts oder am Wochenende braucht und in Regensburger Krankenhäusern nach einem Rezept verlangt. Die Jungen Liberalen in Regensburg möchten mit einer Kampagne auf diesen Missstand aufmerksam machen.
Wie der Name bereits verrät, soll die "Pille danach" die Empfängnis nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr unterbinden, sofern sie innerhalb von 72 Stunden eingenommen wird. Für Frauen in Regensburg könnte es unter Umständen recht schwierig werden, noch rechtzeitig an das Präparat zu gelangen, wenn es denn brenzlig wird.
Kommt eine Frau mit dem Wunsch, die "Pille danach" schnell verschrieben zu bekommen, in die Notaufnahme des Universitätsklinikums in Regensburg, so kann ihr dort jedoch zunächst gar nicht geholfen werden. Was viele Frauen nämlich nicht wissen: Die Universität Regensburg besitzt keine Abteilung für Gynäkologie. Dies bedeutet, dass die betroffene Frau von der Notaufnahme an ein Krankenhaus mit einer Facharztabteilung für Frauenheilkunde weiterverwiesen wird, da sie vor der Verschreibung des Präparats nur von einem Facharzt untersucht und beraten werden sollte.
Allerdings kooperiert das Uniklinikum Regensburg in dieser Angelegenheit mit der Abteilung für Gynäkologie der Krankenhäuser St. Josef bzw. St. Hedwig (Barmherzige Brüder). Beide Einrichtungen befinden sich in katholischer Trägerschaft, was bedeutet, dass die "Pille danach" von den dort ansässigen Ärzten also ebenfalls nicht verschrieben werden kann. Denn diese Grundsätze des katholischen Trägers verbieten den Ärzten das Verschreiben der "Pille danach".
Gerade seit dem letzten Jahr häuften sich derartige Fälle in Regensburg. Verzweifelte Anfragen junger Frauen gingen bei pro familia ein und die Fragen waren stets dieselben: wo und wie man denn am schnellsten an das Präparat am Wochenende gelangen könne. Frau Werle von pro familia bestätigt diese Problematik: "Hier in Regensburg die "Pille danach" wirklich schwer zu bekommen, gerade wenn es Wochenende ist und man nicht einfach zu seinem Frauenarzt gehen kann."
Die Jungen Liberalen (JuLis) in Regensburg möchten nun, etwa ein Jahr nach dem "großen Hype", wie Werle die Vorkommnisse aus dem letzten Jahr bezeichnet, das Thema wieder aufgreifen und weiter an die Öffentlichkeit bringen. Lui Vo, der Vorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis) in Regensburg sieht der Aktion mit Zuversicht entgegen: "Das Thema hatten wir bereits länger im Blick und nun zum beginnenden Semester haben wir uns vorgenommen, sowohl an der Uni als auch in der Innenstadt gezielt auf junge Frauen zuzugehen, um sie über die "Pille danach" und wo sie zu kriegen ist, zu informieren."
Doch nicht nur bei pro familia und den Initiatoren der geplanten Kampagne ist das Problem um die Beschaffung des Präparats bewusst. Auch am Uniklinikum selbst ist das Dilemma der derzeitigen Situation hinlänglich bekannt. Privatdozent Dr. Zimmermann, Anästhesist in der Notaufnahme des Uniklinikums Regensburg, weiß von derartigen Notfällen und erläutert: "Frauen, die hierher zu uns kommen, sind, wenn sie die "Pille danach" möchten, an der falschen Adresse. Zwar könnten wir rein theoretisch das Rezept ausstellen, doch haben wir gleichzeitig die Verpflichtung, den Frauen eine fachärztliche Beratung bereit zu stellen. Denn nur bei den Fachexperten können die Frauen auch wirklich zielgenau beraten werden. Und in unserem Falle sind das eben die Gynäkologen von St. Josef bzw. Klinik St. Hedwig (Barmherzige Brüder), wo das Präparat dann ebenfalls nicht verschrieben wird."
Zwar würden die Patientinnen, wenn sie in oben genannten Kliniken ankommen, nicht ihrem Schicksal überlassen, wie Frau Prof. Dr. Seelbach-Göbel, Gynäkologin in der Abteilung für Frauenheilkunde am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, versichert. Doch den Frauen steht, sofern sie das Mittel nach der dortigen Beratung und Untersuchung durch den Facharzt wünschen, eine erneute, zeitraubende Weiterleitung bevor. "Die Frauen werden bei uns umfassend beraten und bei Bedarf an eine Notfallpraxis weiterverwiesen, wo ihnen weitergeholfen werden kann. Denn grundsätzlich verschreiben wir die "Pille danach" nicht, da wir an die Prinzipien der katholischen Kirche gebunden sind." Erläutert Prof. Dr. Seelbacher-Göbel das Procedere.
Dass es aber auch Unterschiede bezüglich des katholischen Verständnisses um die "Pille danach" gibt, beweist das Beispiel der ebenfalls kirchennahen Beratungsstelle Donum Vitae e.V.. Dort ist das Thema "Pille danach" seit Langem schon Bestandteil der Verhütungsberatung, auch an Schulen. Donum Vitae e.V. nämlich zieht eine klare Trennlinie zwischen der Nachverhütung durch die Pille und dem Abbruch der Schwangerschaft. Ein Detail, das nicht unerheblich ist. Herr Bodensteiner von Donum Vitae in Bayern e.V. erklärt: "Über das Thema Verhütung muss umfassend und offen informiert werden. Im Vorfeld haben wir uns dabei natürlich die Frage gestellt, wo der Unterschied zwischen einem Schwangerschaftsabbruch und einer nachträglichen Verhütung durch die Pille besteht. Bei der "Pille danach" aber handelt es sich nicht um einen Abbruch der Schwangerschaft. Daher ist die "Pille danach" auch Bestandteil unserer Verhütungsberatung, die wir sowohl in Schulen als auch auf persönliche Anfrage hin durchführen."
Im Notfall verschreiben immerhin die Fachärzte des Evangelischen Krankenhaus in Regensburg, das Präparat, allerdings nur nach einer umfassenden Untersuchung. Auch Werle von pro familia rät den Frauen, sich im Zweifelsfalle dorthin zu begeben. "Doch am Besten wäre es natürlich, wenn es das Produkt rezeptfrei gäbe, wie in vielen anderen europäischen Ländern. In Deutschland ist man leider davon noch weit entfernt." so Werle weiter.
Warum dies so ist, darüber lässt sich nur spekulieren, Werle hält "den pädagogischen Aspekt, den erhobenen moralischen Zeigefinger" hier für ausschlaggebend. Die Frauen sollen wohl durch die rezeptfreie Ausgabe des Präparats nicht auch noch zu unverantwortlichem Handeln aufgerufen werden.
Schnell und sicher kann frau an das Präparat aber auch in der Kassenärztlichen Notfallpraxis und Ärztlicher Bereitschaftsdienst im Raum Regensburg kommen. "Zwar befindet sich dieser Notfalldienst der niedergelassenen Ärzte in den Räumlichkeiten des Krankenhauses Barmherzige Brüder, aber wir sind völlig autark und verschreiben das Präparat ohne Probleme und ohne weitere Untersuchungen, oder Kosten," versichert der dort behandelnde Arzt Dr. Peter Eibl. Allerdings hält er die Beibehaltung der Rezeptpflichtigkeit für dieses Präparat für richtig, denn es sei ein Hormonpräparat, das wirklich nur im Notfall genommen werden solle.
Apropos Notfall: Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist ein Angebot der niedergelassenen Ärzte, er ist jedoch täglich lediglich erreichbar bis 21.00 Uhr. Den Notfalldienst ersetze er damit also nicht und ein rund-um-die Uhr Angebot für Patienten sei er ebenfalls nicht, so Frau Kirsten Warwig von der Kassenärztlichen Vereinigung in Bayern. Sollte die die "Pille danach" also dringend gewünscht werden, steht es frau frei, dies als absoluten Notfall zu deklarieren und sich in die Notaufnahme eines Krankenhauses zu begeben, was bedeutet, dass die Odyssee von vorne beginnen könnte. Oder doch zu warten, bis die Bereitschaftspraxis oder der Hausarzt/Gynäkologe seine Praxis öffnet.
Mittelalterliches Regensburg: „Pille danach“ gibt´s nicht!
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