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Natürlich bekommt man bei dieser Schlagzeile ein eher unschönes Bild in den Kopf. Wenn Ihnen bei einem anderen Filmtitel als Metapher wohler wäre, können wir die Story auch "Schlaflos in Regensburg" nennen. Das Problem bleibt aber das gleiche: Jugendliche, die die Nacht in der Innenstadt verbringen müssen, weil ein U(ntergrund)-Bus wichtiger zu sein scheint als ein N(acht)-Bus.

"Es ist nun mal das Schicksal einer schönen Altstadt wie der unseren, dass die Menschen dort gerne ausgehen ? und das müssen wir akzeptieren", so Oberbürgermeister Hans Schaidinger. Wer allerdings mit dem Nachtzug aus Hamburg am Sonntag früh gegen 4:30 Uhr in Regensburg ankommt, dem bietet sich ein erster Eindruck von der Welterbe-Stadt, den er so schnell nicht vergessen wird. Leider lassen sich dabei die Wörter Nacht und Untergrund nicht wirklich trennen.

Als erstes sticht einem das Grillrestaurant einer US-Kette ins Auge ? übrigens der einzige gastronomische Betrieb in der Innenstadt, der um diese Zeit Essen verkaufen darf. Das Fast Food Restaurant ist bis auf den letzten Stehplatz gefüllt. Vor allen Kassen eine Warteschlange von etwa sieben Metern. Gestrandete Teens und Twens aus dem Regensburger Nachtleben versammeln sich hier zum Late-Snack und zum Aufwärmen. Denn egal, wo sie hin wollen - der erste Bus oder Zug fährt nicht vor 6 Uhr morgens.

"Für uns sind die Nachtstunden am Wochenende die absolut umsatzstärksten überhaupt", betont die Betriebsleiterin. Außer zur Dult und bei Fußballspielen gibt es keine anderen derartigen Stoßzeiten. Nach der gesetzlich vorgeschriebenen "Putzstunde", in der das Restaurant von 1 bis 2 Uhr nachts geschlossen hat, ist der Fast-Food-Betrieb an Nachtschwärmer-Tagen 23 Stunden täglich geöffnet. Gäbe es das Restaurant nicht, würden etwa 300 bis 500 Jugendliche in der Kälte am Bahnhof stehen und auf die erste Möglichkeit warten, wieder nach Hause zu kommen.


Friseur-Lehrling Helene (18) müsste nach Neutraubling, ihre Freundin Jutta (21) ist Krankenschwester und wohnt in Oberisling. An Wochenenden bilden die beiden meist schon Schlafgemeinschaften, damit sie sich ein Taxi teilen können. "Wir können auch immer nur mit angezogener Handbremse feiern, weil wir darauf achten müssen, dass immer noch genug Geld für das Taxi nach Hause übrig bleibt. Das nächste Taxi gehört den beiden und glücklicherweise haben sie im Burger-Restaurant noch Bernd und Stefan kennengelernt, die nach Barbing müssen. "Geteiltes Taxi bedeutet einen Rest im Geldbeutel".

Wie gerne würden sie um 4 Uhr morgens in den Nachtbus steigen. Den gibt es in Augsburg, in Salzburg in Bielefeld ? in vielen Städten und Gemeinden ? nur nicht in Regensburg. Die Diskussion ist nicht neu. Neu allerdings ist, "dass für manche Politiker sogar dreistellige Millionenbeträge möglich wären, um einen Untergrund-Busverkehr fahren zu lassen statt die jungen Leute sicher nach Hause zu bringen", weiß Bernd und steigt ins Taxi.

Vor knapp einem Jahr gründeten die scheidenden Stadträte Ludwig Simek und Dr. Ewa Tuora-Schwierskott die Facebook-Initiative "Nachtbus für Regensburg" (wir berichteten ausführlich" - und erhielten jede Menge Zuspruch). "Doch Zuspruch allein reicht halt nicht", seufzt Tuora-Schwierskott. Unterstützung bekam sie daraufhin ausgerechnet von der Partei, der sie in der laufenden Stadtratsperiode den Rücken kehrte. "Der Nachtbus soll aber kein Partybus werden", betont Christiane Fuchs von der Grünen Jugend. "Er soll Menschen die Möglichkeit geben, auch nachts sicher nach Hause zu gelangen." Mit nächtlichen Infoständen wollten die jungen Grünen Befürworter einer Nachtbuslinie finden. Und sie bekamen reichlich Zuspruch.

RVV und RVB zeigen sich von derartigen Ideen weiterhin wenig begeistert. Laut RVV-Geschäftsführer Karl Raba sei der Einsatz von Nachtbussen zu teuer für das Unternehmen. Eine entsprechende Kosten-Nutzen-Rechnung habe ergeben, dass eine Abdeckung für das Hauptgebiet zu teuer wäre. Ein entsprechendes Nachtbussystem würde mehrere 100.000 Euro kosten, wobei nicht einmal klar sei, ob es den Bedarf dafür überhaupt gebe.
Vielleicht sollten Raba und U-Bus-Befürworter einfach mal Sonntag morgen gegen 4.30 Uhr am Regensburger Hauptbahnhof vorbei kommen. Discos und Bars längst geschlossen, eine günstige Heimfahrt nicht möglich. "Den Nachtschwärmern bleibt nichts anderes übrig, als diese Zeit in der Regensburger Innenstadt totzuschlagen", weiß Ludwig Simek. Dass es dabei dann auch Ausschreitungen gebe, sei beinahe vorprogrammiert.

"Denn nicht nur dem Partyvolk wäre mit einem funktionierenden nächtlichen Nahverkehrssystem geholfen, sondern auch den Anwohnern, vor deren Fenster sich die Menschen sammeln, die nicht mehr heim kommen", so die Grünen. Bei den Salzburger Verkehrsbetrieben hat man sogar 30 Nachtbuslinien im Einsatz. Natürlich könne das Angebot nur durch finanzielle Beteiligung der Kommunen funktionieren, da die Kosten durch die Fahrgäste nur mit etwa 20 Prozent gedeckt wären. "Die Nachtbusse leisten allerdings einen entscheidenden Beitrag für den sicheren Heimweg der Jugendlichen", stellt Johannes Gfrerer vom Salzburger Verkehrsverbund klar. Diese Meinung teilen beinahe unisono viele Städte in der Größenordnung Regensburgs, in denen ein derartiges System angeboten werde.

"Wenn schon alle Parteien im Wahlkampf immer und immer wieder betonen, wie lebenswert und attraktiv unsere Stadt ist, dann soll das bitte auch rund um die Uhr gelten", fordert Dr. Ewa Tuora-Schwierskott. Sie fordert eine aktuelle, verlässliche und umfassende Berechnung der Kosten für die Einführung einer Nachtbus-Linie. "Der Regensburger Nachtbusinitiative geht es gehörig auf dem Leim, dass sich der RVV immerzu mit irgendeiner (Fantasie-)Kostenberechnung ausredet und dies als einziges Argument gegen die Einführung eines Nachtbussystems in Regensburg anbringt."

"Ein rein finanzieller Verlust des RVV muss in Relation mit dem immateriellen Gewinn für die Stadt Regensburg gesetzt werden" wie Ludwig Simek ergänzt. "Weniger Lärm und damit mehr Lebensqualität in der Altstadt, ein sicherer Heimweg, weniger Autofahrten unter Alkoholeinfluss, allgemein weniger Autofahrten, keine nächtlichen Ausschreitungen am Taxistand und den Anschluss an urbane Standards, wiegen einen möglichen Verlust des RVV mehr als auf!"

Im Jahr 2011 (aktuellere Zahlen sind nicht veröffentlicht) hat der RVV einen Verlust von insgesamt 14,36 Mio. ? eingefahren, wobei 14,383 Mio. Wagenkilometer und 4,426 Mio. Zugkilometer zurückgelegt wurden. "Wir wundern uns daher, wie der RVV angeblich ohne Mehrkosten das Gewerbegebiet Haslbach besser anbinden konnte, wenn für jeden gefahrenen Wagenkilometer ein Verlust von ungefähr einem Euro entsteht. Es bleibt nur zu hoffen, dass der RVV nicht mit zweierlei Maß misst. Für Gewerbegebiete werden die Kosten kleingerechnet damit die Taktung erhöht werden kann, aber für das Regensburger Nachtleben hat man nichts übrig", so die beiden Initiatoren.

Um gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie ein gutes Miteinander von Altstadtbewohnern und Nachtschwärmern zu erreichen ist, setzten sich Mitte März rund 40 Vertreter der Stadt, der Regensburger Szene-Gastronomie, Anwohner, Polizei und Studierendenvertreter im Alten Rathaus an einen Tisch. "Denn wir müssen auch akzeptieren, dass in der Regensburger Altstadt rund 12.000 Menschen wohnen und dass sie nachts schlafen wollen", erinnert OB Schaidinger.

"Aber wie soll das möglich sein, wenn die Altstadt selbst um 4 Uhr morgens keine Chance hat, sich des Besucher-Ansturms zu entledigen?" Die aktuelle Polizei-Statistik gibt Dr. Ewa Tuora-Schwierskott dabei natürlich Recht: Nachdem in Regensburg die Gewaltkriminalität dreimal hintereinander zurückging, ist im letzten Jahr ein Anstieg um 36 Fälle bzw. 8,9 % auf 441 Delikte zu verzeichnen. 73,2 % entfallen auf die gefährliche oder schwere Körperverletzung. 39 % bzw. 172 Fälle ereigneten dabei sich in der Innenstadt. Im Vergleich zu 144 Fällen im Jahr 2012 stellt dies einen Anstieg um 28 Fälle dar.

Eine Anhäufung sei vor allem in den Nächten von Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag zu verzeichnen. "Dafür gibt es sicherlich auch andere Gründe als die Feierszene", räumt Polizeipräsident Rudolf Kraus ein. "Aber immerhin rund 50 Prozent der Tatverdächtigen standen unter Alkoholeinfluss. Und was uns in diesem Zusammenhang besondere Sorgen bereitet, ist die vermehrte Aggression gegenüber Rettungsdiensten, Feuerwehren und Polizeibeamten."

Sollte aber tatsächlich ? je nach Stichwahl-Ausgang ? eher ein unterirdische Bustrasse unter der Altstadt für einen dreistelligen Millionenbetrag möglich werden als eine überirdische Nachtbuslinie für einen kleinen, fünfstelligen Betrag, haben wir die ideale Empfehlung zur Lösung des Problems: Da Busse dann weiterhin nur tagsüber durch Regensburg fahren, könnte man den Bustunnel zwischen 0 und 6 Uhr am Wochenende für ein mobiles Feldbetten-Lager umfunktionieren. Und oben in der Altstadt wäre Ruhe. Und der Bahnhof wäre wieder ein idyllisches Kleinod. Zumindest nachts.
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Vorschaubild: Sascha Böhnke / www.pixelio.de;

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