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Seit März dieses Jahres verbreitet sich das Ebola-Virus in Afrika in einem noch nie dagewesenem Maße. Vor allem der westliche Teil, Guinea, Liberia und Sierra Leone sind betroffen. Mehr als 17290 Menschen sind mittlerweile erkrankt, insgesamt 6126 gestorben. Dr. Thomas Kratz, seit 2007 Mitglied der Organisation Ärzte ohne Grenzen, war dieses Jahr in Sierra Leone im Einsatz. In einem Vortrag am Uniklinikum Regensburg schilderte er seine Erlebnisse.

Dr. Thomas Kratz studierte Medizin in Marburg, reiste um die Welt und erkannte früh sein Interesse für andere Kulturen. Diese war, neben seiner Neugier und hohen Hilfsbereitschaft der Grund, wieso er sich 2007 dazu entschloss, bei der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen teilzunehmen. "Ich finde es faszinierend, wie man mit einfachen Mitteln eine so große Wirkung erzeugen kann", erklärte der Berliner Allgemeinarzt. Seitdem war er unter anderem bereits im Kongo und Niger tätig. Auch als dieses Jahr im März die bisher größte Ebola ?Epidemie ausbrach, brachen er und drei weitere Mitglieder Mitte Juni nach Sierra Leone auf, um den dortigen Patienten zu helfen.

Hygienische Missstände und Fachkräftemangel

Als sie in Kailahun, im Osten von Sierra Leona ankamen, war die Lage bereits sehr ernst: Ganze Nachbardörfer waren wie leergefegt, die medizinische Versorgung katastrophal, ein Behandlungszentrum gab es noch nicht. "Die Schutzanzüge waren nicht durchgängig, die nötige medizinische Ausrüstung nicht vollständig, alles lag auf dem Boden, es war sehr chaotisch. Teilweise gab es nicht einmal ausreichend Gelegenheit, sich die Hände zu waschen. Noch dazu kamen die schlechten Arbeitsbedingungen", schildert Kratz seine ersten Eindrücke.

Seine Aufgaben in Westafrika lassen sich in zwei Phasen aufteilen: In der ersten bildete Kratz hauptsächlich medizinisches Personal aus, in der zweiten Hälfte praktizierte er als Arzt. Zunächst in einem Center an der Grenze zu Guinea, nach der Eröffnung des Behandlungszentrums in Kailahun.

"Ein eindrucksvoller, aber zugleich sehr anstrengender Einsatz", formuliert der Arzt seinen Aufenthalt in Afrika. "Dieser Einsatz lässt sich nicht mit vorherigen vergleichen."

Das Virus wurde 1976 in Yambuku, Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) zum ersten Mal entdeckt. Bis 2013 trat das Virus in den tropischen Teilen Afrikas seitdem in Form sporadischer Ausbrüche auf. Im März 2014 kam es in Westafrika zur bisher größten Ebolafieber-Epidemie.

Übertragung des Virus

Im Verdacht als Hauptwirt des Virus stehen Nilflughunde, welche aus einer Gegend, in der zuvor Schimpansen und Gorillas an Ebolafieber verendet waren, stammten. Diese werden vor allem von Menschen in West- und Zentralafrika als "Buschfleisch" verzehrt.

Die Übertragung auf den Menschen erfolgt demnach entweder durch den Kontakt und Verzehr mit diesem rohen Fleisch oder kann von Mensch zu Mensch weitergegeben werden, sobald infizierte Körperflüssigkeit auf eine Wunde oder Schleimhaut trifft.

"Das Hauptrisiko, sich anzustecken, liegt vor allem in der Pflege von Erkrankten und in den ungeschützt ablaufenden Beerdigungen, vor allem wie sie in Afrika Tradition sind", erklärt Kratz. Eine traditionelle Beerdigung erfolgt in drei Phasen: In der ersten waschen die engsten Verwandten den Leichnam, der an Ebola erkrankt ist. Durch den direkten Kontakt ist die Ansteckungsgefahr sehr hoch. Auch in der zweiten Phase ist eine Infizierung sehr wahrscheinlich: Die Leiche wird aufgebahrt, die Dorfgemeinschaft versammelt sich, um den Toten mit Umarmungen und Küssen zu verabschieden. In der letzten Phase besteht kein direkter Kontakt mehr zum Toten, eine Ansteckungsgefahr ist nicht mehr gegeben. "Je weiter das Virus fortgeschritten ist, desto leichter ist es übertragbar", warnt Kratz.

Verlauf der Krankheit und Behandlung

"Die Symptome sind relativ unspezifisch und treten plötzlich auf. Sie ähneln sehr einer Grippe: Man fühlt sich schlapp, hat Gelenkschmerzen, ist müde. Im weiteren Verlauf zeigen sich rote Augen, Cholera-artige Durchfälle und Schluckauf, der in der Regel kurz vor dem Tod einsetzt. Äußere Blutungen treten eher selten auf, meistens handelt es sich um innere Blutungen, die ja nicht sichtbar sind. Die Erkrankten sterben an Multiorganversagen", so der Arzt.

"Eine zugelassene kausale Therapie gibt es bisher nicht. Behandelt werden können nur die krankheitsbedingten Begleiterscheinungen, der Virus selbst kann noch nicht geheilt werden. Vor allem supportive Therapien, das heißt zum Beispiel die Zufuhr von ausreichend Flüssigkeit ist sehr wichtig. Die Patienten bekommen Infusionen für die Stabilisierung des Flüssigkeitshaushaltes, Antibiotika und Antimalariamittel, um mögliche begleitende Infektionen zu behandeln, Glukoselösung, da viele Patienten unterzuckert sind, Schmerzmittel und fiebersenkende Mittel."


Prävention und Risiko einer Ansteckung

Das A und O im Umgang mit Ebola-Patienten ist eine komplette Schutzkleidung, die sich wie folgt zusammensetzt: Über der Standard-OP-Kleidung wird ein Overall aus Plastik übergestülpt. Gummistiefel, Schutzmasken, -brillen, Handschuhe und eine Gummischürze komplettieren den Anzug. "Das Anziehen kann je nach Geübtheit fünf bis 15 Minuten dauern, das Ausziehen sogar noch länger", erklärt der Arzt. "Bei den extrem hohen Temperaturen vor Ort hält man es in dieser Kleidung maximal eine Dreiviertelstunde aus", fügt er hinzu. Dementsprechend oft muss das Personal ausgetauscht werden. Beim Ausziehen der Schutzkleidung ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren, denn die äußere Schicht darf nicht mit der Haut in Kontakt treten, circa sechs Tage können die Erreger an der Luft überleben. Das Ablegen erfolgt in 18 bis 19 Schritten, nach jedem wird das Material mit einer 0,5 prozentigen Chlorlösung abgespritzt. "Besonders schwierig auszuziehen ist der Overall, weil man ihn nur von Innen anfassen darf. Ebenfalls problematisch sind sie Schutzbrille, die Haube und die Gesichtsmaske", berichtet Kratz von seinen Erfahrungen.

Außerdem als Gefahrenquelle einer Ansteckung für das Pflegepersonal ist der Umgang mit Spritzen: "Jede benutzte Nadel muss sorgfältig entsorgt werden, damit sich niemand damit verletzt und somit eine Übertragung ausgeschlossen wird." Wenn alle Hygienevorschriften eingehalten werden, könne eigentlich nichts passieren, fügt er hinzu.

Aufklärung vor Ort

Während eine Ansteckungsgefahr in Isolierstationen für die Mitarbeiter geringer ist, ist das Risiko bei Dorfeinsätzen umso höher, denn dort trete man den Einwohnern oft ungeschützt entgegen. "Die Schutzkleidung macht den Einwohnern Angst. Wichtig ist aber, dass kein körperlicher Kontakt erfolgt, die Häuser sollten nicht betreten werden und ein Abstand von zwei Metern zu den Personen kann vor einer Ansteckung schützen", vermerkt Kratz.

Neben der Krankenversorgung ist eine Aufklärung über Infektionswege und Symptome wichtig. Hierfür wurden hauptsächlich zusätzlich zu den Psychologen und Anthropologen einheimische Helfer zu sogenannten "Health Promotern" ausgebildet, die die Bevölkerung für die Krankheit sensibilisieren sollen. Eine "Herkulesaufgabe", schildert Dr. Thomas Kratz: "Zum einen mangelt es an ausgebildeten Gesundheitshelfern, zum anderen sind viele Menschen in den betroffenen Gebieten Analphabeten."

Lage heute und Probleme

Die personale Besetzung habe sich mittlerweile zwar verbessert, allerdings müssten, so Kratz, die medizinischen Ressourcen besser verteilt werden. So seien manche Regionen überversorgt, während in anderen, wie beispielsweise in der Hauptstadt Sierra Leones, Freetown, immer noch Unterversorgung herrscht.

Ein weiteres Problem: "Die Zahl derjenigen, die an anderen weit verbreiteten Krankheiten wie Malaria sterben, steigt. Wahrscheinlich sind es sogar weit mehr Todesfälle als bei Ebola", befürchtet Kratz. Die Fallzahlen an Ebolapatienten sind zwar gesunken, sodass die Behandlungszentren nicht mehr überlastet sind, allerdings befürchten die Menschen, in eines dieser Ebola-Behandlungszentren zwangseingewiesen zu werden. Sie haben Angst, sich mit Ebola anzustecken oder dass bei ihnen Ebola diagnostiziert wird.

Das Ebola auch nach Deutschland kommt, wäre prinzipiell zwar möglich, Kratz hält dies aber für ausgeschlossen: "In Europa und in den USA gibt es Hygienevorschriften und ein gutes Gesundheitssystem. Hier würde ein erkrankter Patient vermutlich sehr schnell identifiziert und auf einer Isolierstation behandelt." Dennoch gilt es, Menschen, die sich in einem dieser betroffenen Gebiete aufgehalten haben, über einen Zeitraum von mindestens drei Wochen zu beobachten. Die Inkubationszeit, das ist die Zeit zwischen Infizierung und dem Auftreten der ersten Symptome, kann nämlich zwischen zwei bis 21 Tagen betragen.























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