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Candis, Karmeliten, Galgenberg: In Regensburg schießen Neubauten aus dem Boden. Graue, blockartige Kästen, die nicht so recht zum Bild der mittelalterlichen Welterbestadt passen zu scheinen. Einheitsbrei statt Individualismus ist das Prinzip. Aber warum entscheidet sich die Stadt für eine solche Bebauung? Aus Kostengründen? Oder weil die Umsetzung in Zeiten mangelnden Wohnraums besonders schnell geht? Ist das moderne „Baukastenmodell“ sogar gewollt?

Von den regionalen Architekten wird die bauliche Entwicklung in Regensburg kritisch angesehen. Wolfgang Brandl sieht dabei weniger den einheitlichen Stil, als vielmehr die Qualität der Gebäude verbesserungswürdig. „Konformität muss nicht schlecht sein, mangelnde Qualität schon. Das Monopol weniger Bauträger in Regensburg verhindert einen Wettbewerb der Qualität. Das Erscheinungsbild ist oft das Ergebnis renditeoptimiertem Bauens und das ist offensichtlich erfolgreich“, erklärt der Architekt.

Einen „Schuldigen“ gibt es für Brandl dabei aber nicht, das moderne Stadtbild sei vielmehr dem Einfluss vieler verschiedener Faktoren geschuldet. „Architektur ist immer der Spiegel der Gesellschaft und wächst im Nährboden der sie beeinflussenden Parameter in die dritte Dimension. Besteht der Nährboden aus der unreflektierten Einhaltung von Vorgaben, Profitgier, Rendite und Angepasstheit, werden Gebäude ein anderes Erscheinungsbild bekommen, als wenn soziale, ökologische und ökonomische Faktoren frei von Stilfragen die Grundlagen für eine architektonische Haltung bieten“, führt Brandl aus.

Christine Schimpfermann ist Planungs- und Baureferentin der Stadt Regensburg und berufsmäßige Stadträtin. Auf die Frage, ob Regensburg durch den konformen Baustil immer profilloser wird, wehrt sie ab. „Die genannten Bauvorhaben oder Quartiere wurden allesamt über Wettbewerbsverfahren entschieden, so dass schon im Planungsprozess sichergestellt werden konnte, dass von mehreren eingereichten Vorschlägen der Beste zur Umsetzung kommt. Bei dem Ersatzbau für das Karmelitenhotel bestand die Aufgabe darin, die Proportionen des ursprünglichen Gebäudes wiederaufzunehmen und das historische Ensemble zu stärken.“ Deshalb sei die Denkmalpflege auch immer im Preisgericht der Wettbewerbe vertreten. Das Karmeliten-Palais am Dachauplatz stellt, so Schimpfermann, einen „gelungenen Beitrag für zeitgemäßes Bauen im historischen Kontext dar.“ Außerdem müssen bei den jeweiligen Gestaltungskonzepten Umgebung und Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. So verfolgt die Bebauung auf dem Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik einen eigenständigen urbanen Ansatz, der dem überwiegend gewerblich geprägte Umfeld geschuldet ist. Die Mehrfamilienhausbebauung im Bereich des Galgenbergs dagegen schließt an vorhandene Wohnquartiere an und auch die künftige Bebauung am Brandlberg wird wieder andere Strukturen aufweisen, da sie sich eher auf Einfamilienhausbau bezieht. „So entsteht ein Mix, der auch verschiedenen Wohnansprüchen der künftigen Nutzer gerecht wird.“ Laut Schimpfermann geben die Bürger dem Baustil recht. „Wenn man sieht, mit welcher Geschwindigkeit neue Quartiere besiedelt werden, kann man das nicht allein auf einen Nachfragedruck zurückführen. Die Angebote treffen wohl auch die Bedürfnisse der Käufer oder Mieter.“

Auch wenn der Baustil unserer Gesellschaft geschuldet ist, muss an der Nachhaltigkeit gezweifelt werden. Was heute noch praktisch ist und zu funktionieren scheint, kann bereits morgen wieder überholt sein. „Ob der Baustil zukunftsfähig und nachhaltig ist, muss oft bezweifelt werden, weil er nicht flexibel genug an sich ändernde Lebensverhältnisse – Stichwort Demographie – angepasst werden kann“, sagt Brandl. Demnach wäre großflächiger Wohnraum viel zukunftssicherer, könnten dort doch sowohl Familien, als auch Wohngemeinschaften Platz finden. Allerdings scheitert ein solcher Ansatz an der mangelnden Rentabilität für die Bauherren.

Zumindest das Äußerliche wird allerdings auch sehr oft von den Auflagen der UNESCO geprägt. Diesen Einfluss auf das Bauen in der Stadt sieht der Architekt kritisch: „Die Vorgaben der UNESCO sollten einer Weiterentwicklung der Stadt nicht im Wege stehen, eine fachlich qualifizierte, interdisziplinäre Diskussion mit anderen Fachrichtungen wäre wünschenswert.“ So könnte auch das klassische Stadtbild mit modernen Gebäuden aufgewertet werden. Schließlich sei gerade das Nebeneinander von Bauwerken aus völlige unterschiedlichen Jahrhunderten faszinierend.

Auch Schimpfermann räumt ein, dass in einer Welterbestätte, die eine ganze Innenstadt umfasst, neue Entwicklungen ermöglicht werden und die Funktions- und Zukunftsfähigkeit der Altstadt sichergestellt werden müssen. Für das Welterbegebiet „Altstadt Regensburg mit Stadtamhof“ gibt es daher einen international anerkannten Welterbemanagementplan, in dem Strategien festgelegt sind, die das Welterbe schützen und bewahren sollen. „Regensburg darf daher keine „Glasglocke“ übergestülpt bekommen. Wir wollen ja nicht, dass die Altstadt zu einem Museum wird.“ Daher zerstören die Neubauten laut Schimpfermann das mittelalterlich geprägte Stadtbild Regensburgs auch nicht. Im Gegenteil: „Es kommen dabei so unterschiedliche und jeweils qualitativ hochwertige Ergebnisse heraus, wie das Parkhaus am St.-Peters-Weg, der Ersatzbau für das Karmelitenhotel am Dachauplatz oder das Wohn- und Geschäftshaus am Peterstor. Diese Vielfalt stärkt das Welterbegebiet sogar. Wichtig ist dabei, dass eine der jeweiligen Situation angemessene und gestalterisch hervorragende Bebauung umgesetzt wird.“

Überhaupt gibt es für Schimpfermann nicht „das typische Neubaugebiet“. Sicherlich gäbe es Übereinstimmungen, wenn man die Gestaltung der Baugebiete der letzten Jahre ansehe, aber unter den Bauten seien auch stets andere Beispiele. Das Bauen in Bestandsgebieten rücke etwa immer mehr in den Fokus. Als besonders gelungen empfindet Schimpfermann hier die Transformation der Ganghofer-Siedlung zu einer zeigemäßen Siedlung, die den Charakter der ursprünglichen Bebauung bewahrt hat.

Um die Stadt auch für die Zukunft optisch und wohnlich attraktiv zu gestalten, müssen wieder Werte im Vordergrund stehen. Egos und Profitgier verändern die Architektur zum Negativen. Brandl wünscht sich dafür auch die Einsicht der Ämter: „Die Stadt ist bei der Grundstücksvergabe gefordert, öffentlicher Raum muss von der Stadt und nicht mit minimalem Aufwand vom Bauträger geschaffen werden. Jeder Bauwillige sollte Alternativen zum Bauträgermodell, wie private Baugruppen, prüfen. Diese müssten wiederum von der Stadt berücksichtigt werden.“ Schimpfermann wünscht sich, dass Private gerade im Hinblick auf neue Wohnungsformen wie generatinsübergreifendes oder inklusives Wohnen neben der Stadtverwaltung gefordert sind. Außerdem hofft sie bei Neubauten auf mehr Experimentierlust. „Bei den Dachformen könnte man u. a. das Motiv des geneigten Dachs wieder einmal aufgreifen – und nicht nur dort, wo es durch das denkmalgeschützte Umfeld vorgeschrieben ist.“

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