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Es ist eine tonnenschwere Last, die sie meist Jahre mit sich herumtragen – ohne Möglichkeit, sich jemandem anzuvertrauen. Opfer von sexuellem Missbrauch schweigen oft ein Leben lang. Anonyme Hilfe bietet der Frauennotruf Regensburg e.V. an. Hier muss sich niemand schämen, weder für seine Geschichte noch für seine Ängste. 

Sie hat noch nie mit jemandem darüber gesprochen. Mittlerweile ist es über 30 Jahre her. Der Täter? Der eigene Vater. Marie wurde in ihrer Kindheit sexuell missbraucht. Über Jahre. Bis heute verfolgen sie die Ängste, die weit tiefer sitzen als sie selbst annimmt. Eine Therapie hat Marie bereits hinter sich. Doch das Thema, das wichtigste von allen Problemen, hat sie ausgelassen. Zu groß ist die Angst, sich irgendjemandem anzuvertrauen. Durch die Geburt ihrer kleinen Tochter kamen alte Erinnerungen aus ihrer Kindheit wieder auf. Verdrängen war sinnlos. Erst jetzt wendet sich Marie an den Frauennotruf, eine Beratungsstelle für Frauen und Mädchen - Er widmet sich ausschließlich dem Problemkreis sexueller Missbrauch in der Kindheit und sexuelle Gewalt im Erwachsenenalter. „Kinder entwickeln schon früh ein hohes Verantwortungsbewusstsein, wollen die Mama nicht noch mehr belasten. Merken, dass auch sie vom Vater unterdrückt wird“, erklärt Andrea Erl, Diplom Sozialpädagogin und Familientherapeutin des Frauennotruf Regensburg e.V.. Das gerade genannte Beispiel ist frei erfunden und doch trifft es bei so vielen Frauen zu. Jedes dritte Mädchen und jeder siebte Junge wurde in der Kindheit sexuell missbraucht, die genauen Zahlen verstecken sich im Dunklen. „Das bedeutet, jeder  von uns kennt jemanden, der mit sexuellen Gewalterfahrungen kämpft. Und jeder von uns kennt einen Täter“, so Erl. „Meistens sind es Familienväter, Großväter, Brüder. Das zieht sich quer durch alle Gesellschaftsschichten. Man sieht es ihnen nicht an.“

Vergewaltigung, Stalking oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sind bei den tagtäglichen Telefonaten der Mitarbeiter des Frauennotrufes an der Tagesordnung. „Die Frauen wollen darüber sprechen und psychosoziale Beratung in Anspruch nehmen. Viele sprechen bei uns das erste Mal über das, was ihnen passiert ist“, weiß Erl. „Oft haben sich über lange Zeit der Verdrängung auch vielfältige Symptome aufgebaut, die das Leben schwer machen. Schlafstörungen, Essstörungen, Ängste, Depressionen, Sucht – die Liste ließe sich lange fortsetzten. Wir suchen mit den Frauen zusammen Lösungen.“ Die Sozialpädagoginnen und Psychologinnen hören zu, unterliegen der Schweigepflicht. „Der sexuelle Missbrauch an Mädchen findet anders als bei Jungs überwiegend im familiären Nahraum statt. Diese Tatsache legt den Opfern oft ein jahrelanges Schweigegebot auf“, weiß Erl.  Auch bei Übergriffen im Erwachsenenalter sind die Täter den Frauen in der Regel bekannt. Nur sechs Prozent sind Fremdtäter. Der Frauennotruf berät nicht nur die Opfer selbst, sondern auch Angehörige, Partner und Freunde, sowie Fachpersonal wie Lehrer, Erzieher, Jugendamtsmitarbeiter und Schulpsychologen.

„Viele schämen sich für das, was ihnen angetan wurde und glauben, sie trügen einen Makel“, erklärt Erl. „Sie beschäftigen sich mit der Frage, was denken dann andere von mir, wenn sie das wissen? Oft möchten Opfer auch Familienangehörige schonen, die diese Nachricht vielleicht nicht verkraften.“  Der Frauennotruf bietet jeder Frau mindestens zehn Beratungsgespräche an, dazu Selbsthilfegruppen. „Seit 32 Jahren gibt es jetzt den Frauennotruf. Die Nachfrage ist über die Jahre gestiegen.“ Die Frauen sind ein klein wenig offener geworden, bereit dafür, sich ihren Ängsten und ihrem Schicksal zu stellen. „Das Thema ist nach sehr langer gesellschaftlicher Aufklärungsarbeit tatsächlich endlich weniger tabuisiert.“

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