Das Tanzverbot am Karfreitag
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Es ist unübersichtlich, einschränkend und laut Angaben vieler junger Menschen schon lange überholt: das Tanzverbot in Bayern und anderen überwiegend katholischen Bundesländern Deutschlands. Auch am Karfreitag und Karsamstag ist es wieder soweit: Ganztägiges Tanzverbot schließt jegliche Art von Musikdarbietung in öffentlichen Schankbetrieben aus. Ein Überblick der stillen Tage in Bayern und Meinungen verschiedener Bevölkerungsgruppen.
Neben den kommenden Feiertagen, an denen das Tanzverbot ganztägig wirkt, gibt es noch weitere Stille Tage, bei denen die Regelungen zum Tanzverbot bereits 2013 gelockert wurden. An Aschermittwoch, Gründonnerstag, Allerheiligen, dem Volkstrauertag, Totensonntag und Buß- und Bettag müssen Clubs und Bars in ganz Bayern ab 2 Uhr den Betrieb einstellen. An Heiligabend gilt das Tanzverbot erst ab 14 Uhr.
Trotz der gelockerten Regelungen sollten Karfreitag und –samstag weiterhin ganztägig still bleiben. Der Bund für Geistesfreiheit München, der für die Interessen konfessionsloser Menschen eintritt, kämpfte gerichtlich dagegen an. Sie setzen sich gegen aufgezwungene religiöse Weltanschauungen und Regeln ein – und erreichten ihr Ziel. Während andere Betriebe weiterhin mit einer Strafe von bis zu 10.000€ zu rechnen haben, wenn sie sich nicht an das ganztägige Tanzverbot halten, darf der BfG dieses Jahr am Karfreitag die „Heidenspaß-Party“ im Oberangertheater in München veranstalten, die als klarer Ausdruck für die Abgrenzung vom Christentum gemeint ist. Bereits vor zehn Jahren versuchte der BfG zu rebellieren – damals vergeblich. Mittlerweile wurde der Bund für Geistesfreiheit jedoch als Körperschaft öffentlichen Rechts eingestuft, wodurch er mit Kirchen vergleichbar ist und Vorteile gegenüber anderen Betrieben in Bayern genießt. Auch in Regensburg gibt es eine Gegenveranstaltung vom BfG. In vier Locations wird am Karfreitag gegen das Tanzverbot gefeiert – unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenqual“ steigt das Event in der Wunderbar, der Alten Filmbühne, dem DNA und der Heimat.
Wir haben Regensburger und Touristen zum Thema Tanzverbot befragt. Das sind ihre Antworten:
Günther, 68 Jahre, aus Chiemgau
„Mir ist es wichtig, dass es das Tanzverbot an Tagen wie dem Karfreitag gibt, da ich religiös bin. Ich finde es gerechtfertigt, weil man wirklich auch einen Tag mal nicht tanzen muss und der Karfreitag auch der Kirche gewidmet ist.“
Joachim, 50 aus Herzogenaurach
„Ich halte das Tanzverbot für zeitgemäß, denn alte Traditionen sollten beibehalten werden. Ich persönlich bin schon etwas religiös. Aber ich bin der Meinung, dass man das Tanzverbot in Bayern etwas lockern könnte, z.B. die Uhrzeit später ansetzten. An einigen Tagen könnte das Verbot komplett aufgelöst werden, an anderen erhalten bleiben. Aber es ist trotzdem unsere Kultur und unsere Religion, deswegen sollte man sich auch anpassen. Für mich hat das eher kulturelle Gründe als religiöse.“
Kathleen, 34 aus Thüringen
„Wir sind aus Thüringen und ich kenne das Tanzverbot gar nicht. Zeitgemäß finde ich es nicht, denn es muss ja schließlich jeder selber entscheiden, was er an diesen Tagen macht. Ich bin nicht religiös und gegenüber der Kirche neutral eingestellt. Ich finde das Verbot schwierig. Es ist jedem selbst überlassen, weswegen ich auch nicht verstehe, warum da ein solcher Eingriff stattfinden sollte. Wie gesagt, ich bin aus Thüringen und habe davon noch nie gehört. Wir Thüringer sind sozusagen überfordert mit dem Tanzverbot.“
Saskia, 22 und Julia, 21 aus Regensburg
„Wir finden das Tanzverbot schon wichtig. Es ist nun mal Tradition. Der Glaube und Ostern ist schon sehr wichtig im Christentum. Auch wenn wir nicht religiös wären, wäre dies ein Grund, den man akzeptieren sollte. Um Religiösen entgegenzukommen und weil es eben einfach Ostern ist. Zu der Zeit um Ostern und Weihnachten sollten auch die nicht Religiösen religiös werden. Das gehört einfach dazu. Ich finde das auch nicht weiter schlimm. Aus Traditions- und Religionsgründen sehe ich das Verbot als gerechtfertigt. Bayern hat in den meisten Sachen eine Sonderstellung innerhalb Deutschlands, warum sollte dies also beim Tanzverbot anders sein?“
Fitim, 23 aus München
„Ich finde tanzen nicht kriminell, das sollte jeder machen können, ist eine schöne Sache, warum sollte es da überhaupt ein Verbot geben. Bayern ist halt sehr konservativ, ich bin kein konservativer Mensch aber wenn die meisten dagegen sind und die meisten ihre Kultur ausleben können und wollen, finde ich es auch nicht ganz verkehrt. Aber ich finde man sollte mit der Zeit gehen und mittlerweile sind wir im Jahr 2017 und Religion ist ja auch für viele dann eben so eine Sache, die man von den Eltern noch mitgekriegt hat, aber selbst nicht so ganz dahintersteht. Ich wäre gegen ein Tanzverbot, da wir in einer Zeit leben, in welcher das nicht mehr relevant ist. Es sollte halt keine spezielle Gruppe ausgeschlossen werden. Deswegen denke ich, man sollte das Tanzverbot eventuell im unmittelbaren Umfeld von Kirchen strenger halten. Wir leben in einem sehr konservativen Land, vor allem in Bayern. Ich kann das nicht nachvollziehen. Aber wenn es so ist, ist es eben so.“
Benedikt, 23 aus Regensburg
„Das Tanzverbot ist nicht zeitgemäß. Es sollte jeder tanzen wann und wo und wie er will. Ich bin nicht wirklich religiös und der Kirche gegenüber neutral eingestellt, aber ich denke, dass sich Tanzen und die Kirche von den Meinungen her etwas beißen. Von dem her finde ich, dass es nicht zusammenpasst. Ich wusste nicht, dass das Tanzverbot in Bayern strenger eingehalten wird, als in anderen Bundesländern. Warum sollte man denn da eine Ausnahme machen. Das sollte in allen Bundesländern gleich sein. Ich würde auch an Stillen Feiertagen an Tanzveranstaltungen teilnehmen, ich bin da für alles offen.“
Katharina 21 aus Landshut
„Ich finde das Tanzgebot zeitgemäß für Leute, die aus religiösen Motiven daran glauben. Das finde ich auch völlig okay. Nicht okay finde ich, es den Leuten zu verbieten. Das finde ich nicht zeitgemäß. Es sollte trotzdem Angebote für konfessionslose und nicht-gläubige Menschen geben. Ich bin nicht religiös. Und der Kirche gegenüber eher negativ eingestellt. Der Erhalt des Tanzverbotes bestätigt für mich allgemeine Vorurteile, die man gegenüber der Kirche eh schon hat. Dadurch das Bayern allgemein religiöser ist, ist es dann auch eine logische Konsequenz, dass es hier strenger durchgesetzt wird. Das Spielt halt zusammen. Ich würde an Gegenveranstaltungen zum Tanzverbot teilnehmen, es gibt ja auch soweit ich weiß vier Veranstaltungen z.B. in der Alten Filmbühne. Ich bin an diesem Wochenende nicht in Regensburg, aber ich würde mich nicht hindern lassen dort hinzugehen.“
Jonathan, 26, aus Regensburg
„Ich finde das Tanzverbot ein bisschen übertrieben, vor allem wenn das bei jedem Feiertag oder bei jedem größeren Feiertag ist. Ich finde man kann trauern aber es muss nicht bei jedem gleich sein und abends ist es dann auch schon wieder genug. Ich selbst bin sehr religiös aufgewachsen und dem Glauben gegenüber positiv eingestellt. Trotzdem finde ich es sehr übertrieben, vor allem, dass in Deutschland jedes Bundesland sein eigenes Ding macht und das Tanzverbot in Bayern strikter umgesetzt wird als in anderen Bundesländern.“
Viele der Befragten sehen kein Problem mit Gegenveranstaltungen zum Tanzverbot, wie sie vom Bund für Geistesfreiheit organisiert werden. Anders als unter Bürgern, werden Gegenveranstaltungen zum Tanzverbot vom Bistum Regensburg jedoch eher kritisch betrachtet. Clemens Neck, Pressesprecher des Bistums, im Interview:
Was halten Sie von den gerichtlich bewilligten Ausnahmeveranstaltungen am, Karfreitag, die sich gegen den christlichen Glauben richten?
Es ist gut, wenn die Bundesrepublik Deutschland die religiöse Überlieferung unserer Kultur schützt. Mit diesem Schutz respektiert der Staat den Glauben der Christen und bewahrt ihnen einen Raum, diesen Glauben zu leben. Gleichzeitig ist es auch gut, wenn Konventionen allgemeine Zeiten der Ruhe und Muße schützen. Sie öffnen den Raum für gemeinschaftliches Handeln – sei es in Vereinen, sei es in Familien, sei es unter Freunden. Die Mehrheit der Menschen begrüßt das, wenn man Umfragen der letzten Tage trauen darf.
Solche Schutzzonen zu zerstören und meist wirtschaftlichen Interessen preiszugeben, ist ein Leichtes. Einmal zerstört werden sie nur schwerlich wiederzugewinnen sein.
Gleichzeitig kann ich es nachvollziehen, wenn der Gesetzgeber Spielräume für Bürgerinnen und Bürger einräumt, die gesellschaftliche Konventionen oder den Glauben anderer ablehnen und das zum Ausdruck bringen wollen. Das ist ihr gutes Recht und damit zu leben eine Frage der Toleranz.
Ob diese Spielräume angemessen angewendet werden und sie nicht letztlich dazu führen, dass der Charakter Stiller Tage zerstört wird, wird sich zeigen. Ich hoffe, dass die Entscheidung des Gerichtes in diesem Sinne weise war.
Fühlt sich die Kirche durch Veranstaltungen, wie das vom Bund für Geistesfreiheit organisierte Fest „Heidenspaß statt Höllenqualen“ ins lächerliche gezogen?
Es ist richtig, wenn Juden, die koscher essen, deshalb nicht verspottet werden. Es ist gut, wenn Islamgläubige, die ihre Fastenzeit einhalten, deshalb nicht verspottet werden. Es ist gut, vegane Ernährung zu respektieren. Es ist richtig, Menschen zu achten und zu tolerieren, die daran glauben, dass die Welt nicht geschaffen wurde.
Denn: Leben und leben lassen ist die Devise einer toleranten und freiheitlichen Lebensordnung. Wenn der Bund für Geistesfreiheit den Glauben der Christen und das Fastengebot am Karfreitag in seinen Werbepublikationen mit dem Haxen-fressenden Christus und Witzchen über den Kreuzestod in verachtender und hämischer Weise verspottet, dann frage ich mich, wie das zu einer zeitgemäßen Lebensweise der Toleranz und Freiheit passen soll.
Besonders junge Menschen sehen sich immer mehr als konfessionslos an und
entscheiden sich gegen religiöse Lebensausrichtungen.
Nach den mir vorliegenden Daten kann ich Ihren Satz nicht bestätigen. Im vergangenen Jahr traten 2 Promille der getauften Christen im Bistum Regensburg aus der Kirche aus, entschieden sich also wohl meistenteils für Konfessionslosigkeit. In dieser Gruppe bildeten junge Menschen keinen auffälligen Schwerpunkt.
Denken Sie, dass das Tanzverbot ein Faktor in dieser Entwicklung ist, da sich Junge Leute durch das Verbot in ihrem freien Willen und ihrer Selbstauslebung eingeschränkt fühlen?
Nein.
Halten Sie das Tanzverbot noch für zeitgemäß?
Einer freien und toleranten Gesellschaft gemäß ist es, gute Kompromisse und Regelungen zu finden und zu bewahren, die allen Beteiligten Räume eröffnen, nach Maßgabe ihrer Lebensentscheidungen zu leben. Stille Tage begrüßen eine Mehrheit der Deutschen sicherlich aus unterschiedlichsten Gründen. Traditionen, Konventionen, Lebensgewohnheiten und auch der Glaube, der Menschen trägt, spielen dabei eine Rolle. Erst durch solche Regelungen entstehen Räume freiheitlicher Entfaltung. Wer immer und überall alles tun will, fordert letztlich das Recht des Stärkeren und das ist nicht Freiheit, sondern Willkür.
Auch Peter Artmann, Inhaber des Beats in Regensburg, haben wir zum Tanzverbot befragt:
Was halten Sie vom Tanzverbot? Ist es Ihrer Meinung nach noch zeitgemäß? Würde das Beats an einer Gegenveranstaltung wie der vom Bund für Geistesfreiheit teilnehmen?
Man kann hier nicht verallgemeinern. An bestimmten Tagen, wie beispielsweise dem Karfreitag, unterstütze ich das Tanzverbot, denn es gehört zu unserer christlichen Tradition, die beibehalten werden sollte. An solchen Tagen stört es mich auch nicht den Club geschlossen zu lassen, denn gerade in der heutigen Zeit, in der alles Mögliche in der Welt passiert und überall Aufruhr herrscht, ist es wichtig, dass wir unsere Kultur und Traditionen nicht vergessen.
An anderen Tagen, wie beispielsweise dem Buß- und Bettag, finde ich ein Tanzverbot jedoch nicht gerechtfertigt. An Tagen an denen nicht getanzt werden darf, sollte auch nicht gearbeitet werden. Die christliche Tradition in allen Ehren, denke ich, dass ein Stiller Tag auch ein solcher sein sollte. Nicht ein Tag an dem arbeiten erwünscht wird, Spaß jedoch nicht.
Ich selbst bin schon religiös und das Tanzverbot beeinflusst meine Einstellung zur Kirche absolut nicht. Das Beats wird definitiv nicht an einer Gegenveranstaltung zum Tanzverbot teilnehmen, denn wir respektieren die Traditionen unseres Landes.