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Gerlinde Frammelsberger, Geschäftsführerin des  Studentenwerks Niederbayern/Oberpfalz über die wichtigsten Ergebnisse der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Die Sozialerhebung ist die größte und traditionsreichste Studierendenbefragung in Deutschland, dieses Mal mit einer Rekordbeteiligung: Mehr als 60.000 Studierende gaben Auskunft über ihre wirtschaftliche und soziale Lage 

Frau Frammelsberger, wie ist die denn nun die Lage der Studierenden?

Gerlinde Frammelsberger: „Unterschiedlich. Es gibt nicht den einen Studenten oder die eine Studentin, das zeigt die Studie klar. Wir haben es mit unterschiedlichen Gruppen zu tun, mit einer großen Vielfalt von Studierenden. Das zeigt sich exemplarisch bei den Einnahmen. Im Durchschnitt haben die Studierenden 918 Euro im Monat zur Verfügung, aber 28%, also mehr als ein Viertel, muss mit weniger als 700 Euro monatlich auskommen. Die Vielfalt der Studierenden zeigt sich auch an Gruppen wie den Studierenden mit Kind; sie machen 6% aller Studierenden aus. 11% der Studierenden wiederum haben eine Behinderung oder chronische Krankheit.

Die wirtschaftliche Lage der Studierenden lässt sich gut darstellen an der Studienfinanzierung. Die tragenden Säulen der Studienfinanzierung in Deutschland sind nach wie vor der Elternunterhalt, der Nebenjob und das BAföG. 86% der Studierenden werden von ihren Eltern unterstützt, mehr als zwei Drittel jobben neben dem Studium, ein Fünftel erhält BAföG. Stipendien und Studienkredite spielen nur eine untergeordnete Rolle.“

Was hat sich im Vergleich zur 20. Sozialerhebung von vor vier Jahren verändert?

„Mir fallen vor allem zwei Dinge auf. Erstens: Die Erwerbstätigenquote ist gegenüber 2012 um 6 Prozentpunkte gestiegen, von 62 auf 68% der Studierenden. Das hat mich überrascht, dass noch mehr gejobbt wird neben dem Studium. Und zweitens sind auch die unbaren Unterstützungsleistungen der Eltern kräftig angestiegen, von 261 Euro Geldwert im Jahr 2012 auf nunmehr 309 Euro im Monat. Ich deute das so, dass der Kostendruck auf die Studierenden zugenommen hat, vor allem für die Miete, und um dem zu begegnen, müssen die Eltern tiefer in die Tasche greifen, und die Studierenden jobben mehr.

Ich sehe auch einen Zusammenhang zum BAföG. Weil das BAföG nicht ausreicht, kompensieren das die Studierenden mit vermehrter Erwerbstätigkeit, und die Eltern müssen sie stärker unterstützen.“



Was sagt denn die 21. Sozialerhebung zum BAföG?
 „Nun, man muss sehen, dass die 21. Sozialerhebung im Sommer 2016 durchgeführt wurde und erst danach, zum Wintersemester 2016/2017, griff die jüngste BAföG-Erhöhung. Die 21. Sozialerhebung zeigt also das Bild vom Sommer 2016 – und das ist beim BAföG nicht gerade gut. Nur 18% aller Studierenden erhielten damals BAföG. Ob die Quote der Geförderten durch die Erhöhung der Elternfreibeträge um 6% zum Wintersemester 2016/2017 wie von der Bundesregierung angekündigt deutlich gestiegen ist, wird die kommende, 22. Sozialerhebung zeigen müssen. Ich bin da skeptisch. Wenn man sich aber die Diskrepanz ansieht zwischen den durchschnittlichen Einnahmen, die wie gesagt bei 918 Euro liegen, und dem aktuellen BAföG-Höchstsatz von 735 Euro, wird allein schon daran deutlich, dass es beim BAföG nach wie vor dringenden Handlungsbedarf gibt.

Und was mir Sorge bereitet: 37% der Studierenden aus der sozialen Herkunftsgruppe „niedrig“, die jedoch keinen BAföG-Antrag stellen, begründen dies damit, keine Schulden machen zu wollen. Dabei ist der BAföG-Darlehensanteil gedeckelt auf maximal 10.000 Euro, und die Rückzahlung ist äußerst sozialverträglich. Das zeigt: Für das BAföG und seine fairen Konditionen muss stärker geworben werden!“

Sie haben die steigenden Mieten angesprochen – ein Problem für die Studierenden?

„Eindeutig. Die Miete bleibt der größte Ausgabeposten, mit durchschnittlich 323 Euro im Monat. In Hochschulstädten mit immer weniger bezahlbarem Wohnraum wie München oder Hamburg sind es deutlich mehr. Doch auch in Regensburg ist der Wohnungsmarkt sehr angespannt: Dort lag der Mietpreis im letzten Sommer im Durchschnitt bei 320 Euro. Wir brauchen insgesamt dringend mehr staatlich geförderten Wohnraum für Studierende. Das Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz bietet den Studierenden Zimmer und Appartements in inzwischen 19 Wohnanlagen in Deggendorf, Landshut, Passau und Regensburg. Gerade Studierende aus weniger vermögenden Haushalten sind dringend auf diese Wohnheimplätze angewiesen. 41% der Studierenden, die im Wohnheim leben, gehören zum unteren Einkommensquartil. Fast gleich viele haben am Ende des Monats überhaupt kein Geld mehr übrig. Das zeigt, wie wichtig für diese Studierenden die Leistungen der Studentenwerke sind!“



Auch die Mensen?

„Aber sicher. 73% der Studierenden nutzen die Mensa; drei Viertel der Studenten und sieben von zehn Studentinnen gehen mindestens einmal pro Woche in die Mensa essen. 32% der Studierenden sind Stammgäste und essen dreimal und öfter dort. Nur haben wir das Problem, dass die Mensakapazitäten der Studentenwerke mit der stark gewachsenen Zahl der Studierenden in den vergangenen Jahren nicht parallel ausgebaut wurden. Viele Mensen arbeiten jenseits ihrer Kapazitätsgrenzen, und erschwerend kommt hinzu, dass die Lehrveranstaltungen oft parallel getaktet sind, sodass alle Studierenden gleichzeitig Mittagspause haben und in die Mensa drängen oder kaum Zeit zum Essen haben.“

Sie sagen, die Studierenden würden verstärkt nebenher arbeiten; geht das nicht zulasten des Studiums?

„Davon müssen wir ausgehen. Es ist so: Formal sind 92% aller Studierenden in einem Vollzeit-Präsenzstudium eingeschrieben – in einem formalen Teilzeit-Studium übrigens nur 2%. Von den Vollzeit-Studierenden wiederum studieren aber nur 71% auch tatsächlich in Vollzeit und wenden mehr als 25 Stunden die Woche fürs Studium auf. 29% von ihnen, also fast ein Drittel, studieren de facto in Teilzeit, weil sie weniger als 25 Stunden in der Woche fürs Studium aufwenden. Der Anteil der faktisch in Teilzeit Studierenden ist gegenüber der 20. Sozialerhebung von 2012 um 7 Prozentpunkte angestiegen. Ich sehe hier einen Zusammenhang zum finanziellen oder wirtschaftlichen Druck, den ich anfangs angesprochen habe. Die Studierenden jobben mehr, und das geht dann zeitlich zu Lasten des Studiums. Studieren ist und bleibt ein Vollzeit-Job: 33 Stunden im Durchschnitt die Woche fürs Studium, und die jobbenden Studierenden arbeiten durchschnittlich 9 Stunden die Woche, macht 42 Stunden für Studium und Nebenjob.“

Spielt der Bologna-Prozess, also die Umstellung auf Bachelor und Master, noch eine Rolle?

„Nur insofern, als inzwischen 84% der Studierenden einen Bachelor- oder Masterabschluss anstreben; mehr als drei Fünftel, 62%, sind in einem Bachelor-, und 22% in einem Master-Studiengang eingeschrieben. 13% studieren auf Staatsexamen, inklusive Lehramt, und nur noch 3% sind in einem alten Magister- oder Diplom-Studiengang eingeschrieben.“

Ihr Fazit der 21. Sozialerhebung?

„Der finanzielle Druck auf die Studierenden wächst, vor allem wegen steigender Mieten. Das Problem, bezahlbaren Wohnraum zu finden, ist weiter ungelöst. Die Hauptlast der Studienfinanzierung tragen immer noch die Eltern, auch mit verstärkt unbaren Leistungen. Um die Studienfinanzierung zu sichern oder das noch immer nicht ausreichende BAföG zu kompensieren, jobben die Studierenden vermehrt. Längst nicht alle, die formal in einem Vollzeit-Studiengang sind, studieren auch tatsächlich in Vollzeit. Die Studierendenschaft spiegelt die gesellschaftliche Vielfalt wieder; es gibt nicht den einen ‚Durchschnittsstudenten‘. Die soziale Infrastruktur des Studiums muss dringend ausgebaut werden, vor allem die Wohnheim- und die Mensakapazitäten. Wir brauchen parallel zu den Bund-Länder- Hochschulpakten auch einen Bund-Länder-Hochschulsozialpakt.“

„Wir rechnen, damit du zählst“: Hintergrund der Sozialerhebung

Die 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) zeichnet ein genaues Bild der wirtschaftlichen und sozialen Lage der rund 2,8 Millionen Studierenden in Deutschland.

Mehr als 60.000 Studierende von 248 Hochschulen haben im Sommer 2016 anonym den Online-Fragebogen zu ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage ausgefüllt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für das gesamte Bundesgebiet.

Finanziert wird die 21. Sozialerhebung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), wissenschaftlich durchgeführt vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Das Deutsche Studentenwerk (DSW) ist der Verband der 58 Studenten- und Studierendenwerke in Deutschland.

Hintergrundinformation zum Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz
Hochschulen ermöglichen Studium, Wissenschaft und Forschung, Studentenwerke helfen den Studienalltag zu meistern. Das Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz betreibt die Mensen und Cafeterien an ihren Standorten, baut und verwaltet die Studentenwohnanlagen und vermittelt Privatzimmer, hilft bei der Ausbildungsfinanzierung und bearbeitet BAföG-Anträge, fördert studentische Kultur, organisiert Austauschprogramme und berät bei sozialen, wirtschaftlichen und persönlichen Schwierigkeiten.

An folgenden Standorten bietet das Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz seine Leistungen für die Studierenden an:  Universität Regensburg, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg (OTH Regensburg), Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik Regensburg (HfKM) – für BAföG, Technische Hochschule Deggendorf (TH Deggendorf), Hochschule Landshut (HS Landshut), Wissenschaftszentrum Straubing, Universität Passau, European Campus Rottal-Inn.

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