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Es gab in den vergangenen Monaten kaum einen Stammtisch, kaum einen Friseurladen und kaum eine Parteiveranstaltung in Regensburg, wo man nicht munter mitredete, was denn der suspendierte Oberbürgermeister Joachim Wolbergs so verbrochen habe. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er längst etwas dazu gesagt. Nun - nachdem die letzten Ausführungen bei Gericht eingegangen sind und dort zu entscheiden ist, ob eine Hauptverhandlung eröffnet wird - bricht er sein Schweigen. In einer Videobotschaft auf Facebook - über die bereits vor Veröffentlichung schon jede Menge spekuliert wurde. Hier der Text seiner Botschaft exklusiv nachzulesen:

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

seit meiner Verhaftung habe ich mich nun über fast 10 Monaten öffentlich nicht mehr zu Wort gemeldet. Das will ich nun heute per Videonachricht tun und zwar ausschließlich deshalb, weil ich von vielen immer wieder darum gebeten wurde. Viele Freunde, Bekannte, aber noch mehr Unbekannte haben mir geschrieben oder haben mir anderweitig eine Nachricht zukommen lassen, immer mit der Bitte, mal wieder ein Lebenszeichen von mir zu geben und zu sagen, wie es mir geht.

Wie es mir geht, ist schnell beantwortet. Es geht mir natürlich nicht besonders gut und die unfassbare Haft hat bei mir Spuren hinterlassen. Sie hat mich aber nicht gebrochen, wie manche vielleicht gehofft hatten. Dank ganz vieler Menschen habe ich noch genügend Kraft, mich zu wehren.

Dass allein meine bloße Ankündigung eines Videostatements dem BR schon Anlass genug war, die Landesanwaltschaft darauf hinzuweisen, sich dies genau anzusehen, ist schon gelinde gesagt „merkwürdig“. Aber gut. Aber noch bemerkenswerter war ein Kommentar in einer regionalen Tageszeitung vom Samstag. Dort wurde die Sorge geäußert, ob es denn klug sei, dass sich meine Verteidiger mit Einreichung unseres Schriftsatzes zur Anklage öffentlich geäußert hätten und ob nun wohl der PR-Zug des OB anrolle.

Schließlich sei es ja so, dass man wisse, dass eine Berichterstattung im Vorfeld und während eines Prozesses Laienrichter, Zeugen oder sogar Richter beeinflussen könnte.

Abgesehen davon, dass es einen PR Zug meiner Verteidigung gar nicht gibt, ist dies eine interessante Feststellung, in einer Zeitung, die seit dem 15. Juni 2016 keine Woche hat vergehen lassen, seitenweise eine Vorverurteilung von Beschuldigten vorzunehmen.

Immer wenn die Staatsanwaltschaft Pressemitteilungen veröffentlicht oder andere Experten sich zu Wort gemeldet hatten, habe ich in dieser Tageszeitung nichts an Kritik in Bezug auf eine mögliche Beeinflussung gelesen. Ganz im Gegenteil wurden alle Informationen immer dankbar aufgenommen und publiziert. Oft wurde sogar die Phantasie der Leser dadurch angeregt, dass man beispielsweise die Information der Staatsanwaltschaft über den Umfang der sichergestellten elektronischen Daten dann damit versuchte zu verdeutlichen, wie vielen Harry Potter Bänden dies entsprechen würde.

Einfach nur merkwürdig, oder vielleicht auch besonders gewollt, was jeder für sich selber beurteilen möge. Zu meinen eigenen Erfahrungen mit medialer Öffentlichkeit werde ich mich zu einem späteren Zeitpunkt äußern. Jedenfalls bin ich den Medien dankbar, die sich journalistisch korrekt, zwar durch ausgeprägte Berichterstattung, aber ohne eigene Vorverurteilung zu meinem Fall geäußert haben.

Tatsächlich haben meine Verteidiger also nichts Anderes gemacht, als die Staatsanwaltschaft, nur bedeutend defensiver. Während die Staatsanwaltschaft bereits 10 Minuten nach Einreichen der Anklage eine immerhin siebenseitige Pressemitteilung versandt hatte, warum die Beschuldigten schuldig seien, hat meine Verteidigung angesichts wiederholter Anfragen von Pressevertretern auf gerade einmaleineinhalb Seiten lediglich angedeutet, auf welcher Basis wir der Anklage begegnen. Auch wurde darauf hingewiesen, dass es im Rahmen der Ermittlungen ganz offensichtlich weniger um die Frage ging, wirklich in allen Details auch in Richtung Unschuld zu ermitteln und dass Teile der Ermittlungen vielmehr eher davon gekennzeichnet waren, alle möglichen Methoden einzusetzen, ohne zu hinterfragen, ob diese denn auch erlaubt sind.

Aber sei´s drum. Wichtig ist: Wir haben uns zu allem geäußert und alles auf den Tisch gelegt. Wir haben an den Beginn unseres Schriftsatzes bewusst nicht juristische Argumente gestellt, sondern einfach nur die Vorgänge in Bezug auf die mir gemachten Vorwürfe geschildert.

Dabei sind wir natürlich auf zahlreiche Details eingegangen. Details, die ich liebend gerne auch jetzt schon öffentlich machen würde, aber in einem Punkt hat die Tageszeitung natürlich recht, dass eine solche öffentliche Auseinandersetzung, wie sie zwar von ein paar Medien immer gewünscht und forciert wurde, nicht verfahrensgerecht wäre. Auch wenn ich nicht ihre Meinung teile, dass Gerichte sich davon beeinflussen lassen würden.

Nach meinen Erlebnissen traue ich manchen Staatsanwälten und Beamten der Kriminalpolizei nur noch begrenzt, aber den Gerichten sehr wohl. So hat auch ein Beschluss des Landgerichtes zu meiner Freilassung geführt und zwar ein Beschluss, der mir in einigen Punkten nicht und in anderen Punkten schon recht gegeben hat. Deshalb will ich weiter glauben, dass Gerichte sehr wohl differenziert und ohne äußere, im Übrigen vor allem mediale Einflüsse, urteilen werden und darüber bin ich froh. Wäre es nämlich nach der Staatsanwaltschaft gegangen, säße ich wohl heute noch in Haft.

Ich will heute lediglich die Gelegenheit nutzen, im Wesentlichen zwei Dinge zu sagen:

Erstens: Ich will mich bei all denen bedanken, die mich in den letzten Monaten und seit meiner Inhaftierung als Menschen nicht haben fallen lassen. Das war für mich extrem wichtig. Ich hatte seit meiner Inhaftierung, und das gilt natürlich bis heute, von niemandem erwartet, dass man mich so ohne weiteres für unschuldig hält. Das ist ja auch nicht möglich, bei der brachialen Vorverurteilung durch manche Medien und den öffentlichen Äußerungen der Staatsanwaltschaft.

Dass es sehr, sehr viele Menschen gegeben hat, die dieser Vorverurteilung nicht gefolgt sind und die mich nach der Haft ein Stück weit aufgefangen haben, dafür bin ich extrem dankbar. Und weil ich das nicht allen einzeln sagen kann, möchte ich es in dieser öffentlichen Form tun. Besonders möchte ich mich auch bei Frau Bürgermeisterin Getrud Maltz-Schwarzfischer bedanken, zu der ich wegen einer Kontaktsperre keinen Kontakt aufnehmen darf, aber die mich dankenswerter Weise immer loyal vertritt und der Stadt sehr gut tut. Vielen Dank dafür.

Ich lege darüber hinaus großen Wert darauf, mich gegenüber meinen Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverwaltung zu bedanken. Sie müssen einen unerträglichen Generalverdacht aushalten, durch Medien und angebliche Experten von außerhalb, aber auch durch die Politik und die Ermittlungsbehörden. Das ist völlig inakzeptabel. Die Regensburger Stadtverwaltung war und ist nicht korrupt und leistet jeden Tag eine sensationelle Arbeit. Es ist unglaublich, dass sich andere Dienststellen über die Stadtverwaltung stellen und in völlig unangebrachter Weise glauben, deren Aufpasser spielen dürfen. Es geht nicht um eine korrupte Stadtverwaltung, sondern eben darum, ob die Spitze dieser Verwaltung, also ich korrupt war oder nicht.

Ich möchte mich darüber hinaus auch bei denen entschuldigen, die wegen mir in Mithaftung genommen werden, weil sie mit mir befreundet sind und sich dazu auch öffentlich bekennen. Mir tut das sehr leid, aber ich bin im Augenblick nicht in der Lage, dies zu ändern.

Zweitens: Ich will noch einmal deutlich machen, warum ich von meiner Funktion als Oberbürgermeister nicht zurücktrete.

Ich weiß, dass es Menschen gibt, für die Politiker ganz allgemein unter Korruptionsverdacht stehen, obwohl das nicht gerecht ist, aber es ist nun mal so. Und ich weiß, dass es Menschen gibt, die der Meinung sind, bei Vorwürfen gegenüber Politikern sollten diese möglichst schnell aus sogenannten Hygienegründen zurücktreten. Und ich weiß, dass es Menschen gibt, die glauben, die Unschuldsvermutung sei nur ein juristischer Begriff, gut für Sonntagsreden und Feuilletons. In Wirklichkeit steht die Unschuldsvermutung im Zentrum von Rechtsstaatlichkeit und damit von Gerechtigkeit.

Sie können mir glauben, dass ich mich seit Bekanntwerden der Ermittlungen mir gegenüber immer wieder, täglich, hinterfragt habe. Habe ich etwas falsch gemacht? War ich beeinflussbar? Hat es tatsächlich nicht sachgerechte Entscheidungen gegeben?

Und Sie können mir glauben, dass ich alles gestanden hätte, als ich im Gefängnis war, nur um dort wieder raus zu kommen. Aber es gab und gibt nichts zu gestehen.

Ich war nie bestechlich und alle, die mich auch nur ein bisschen kennen, wissen das. Ich habe zu jeder Zeit die Dinge getan, die meiner Meinung nach für die Stadt und die Bürgerinnen und Bürger das beste waren und ich habe mich dann darum bemüht, im Stadtrat dafür Mehrheiten zu finden.

Keine der von mir getroffenen Entscheidungen, die man mir jetzt zum Vorwurf macht, würde ich heute anders fällen – keine. Jeder von Ihnen würde, wenn er oder sie davon überzeugt wären, unschuldig zu sein und die Anklagepunkte für falsch zu halten, den Versuch unternehmen sich dagegen zu wehren. Und das im Übrigen mit vollem Recht. Das ist umso schwerer, je länger das ganze Verfahren dauert und wenn noch Maßnahmen wie eine unfassbare Untersuchungshaft dazu kommen, weil dann viele glauben, eine Untersuchungshaft würde es natürlich nur geben, wenn jemand hundertprozentig schuldig ist.

Ich habe in den letzten eineinhalb Jahren zu viel erlebt. Ich weiß, dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen, dass einem Gerechtigkeit wiederfährt, wenigstens dann, wenn man selber felsenfest von seiner Unschuld überzeugt ist. Das und nichts Anderes tue ich. Ich bin von vielen Regensburgerinnen und Regensburgern in das Amt des Oberbürgermeisters gewählt worden und zwar nicht primär deshalb, weil man meine Politikansätze im Detail kannte, sondern weil mir die Menschen vertraut haben. Dieses Vertrauen ist durch die Vorwürfe und durch die Ermittlungen schwer erschüttert worden und ich will einfach nur in einem rechtsstaatlichen Verfahren beweisen, dass das Vertrauen gerechtfertigt war und ist.

Das ist der Grund, warum ich mich mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln wehre und wieder in das Amt des Oberbürgermeisters zurück möchte. Nur das und nichts Anderes.

Ich bitte Sie nur diesbezüglich um Verständnis. Über Schuld und Unschuld darüber urteilen in unserem Land Gott sei Dank nur unabhängige Gerichte, aber eben auch nur diese und nicht die Medien und auch nicht die Politik. Ich bitte Sie nur darum, mir die Zeit zu geben, für mein Recht zu kämpfen.

Passen Sie bitte gemeinsam auf unsere tolle Stadt auf. Und passen Sie gegenseitig aufeinander auf. Und noch etwas: Glauben sie nicht zwingend alles, was in der Zeitung steht.

Machen Sie´s gut!

Ihr Joachim Wolbergs

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