Das zivile Rettungsschiff SEA-EYE 5 der Regensburger Seenotrettungsorganisation Sea-Eye wurde am Montag von italienischen Behörden im Hafen von Pozzallo festgesetzt. Die Festsetzung folgte auf einen Einsatz am Samstag, bei dem die Crew der SEA-EYE 5 insgesamt 65 Menschen aus einem überfüllten Schlauchboot in akuter Seenot im zentralen Mittelmeer gerettet hatte – darunter zahlreiche Frauen sowie mehrere teils schwer Verletzte.
Am Montag, den 16. Juni, wurde das zivile Rettungsschiff SEA-EYE 5 der Regensburger Seenotrettungsorganisation Sea-Eye in Pozzallo festgesetzt, nachdem die besatzung am Samstag, den 14. Juni, insgesamt 65 Menschen aus einem Schlauchboot im zentralen Mittelmeer gerettet hatte. „Diese Festsetzung ist ein politisch motivierter Akt und ein schwerwiegender Angriff auf die zivile Seenotrettung. Das Kalkül dahinter: Von kleinen Rettungsschiffen wird mehr verlangt, als sicherheitstechnisch überhaupt vertretbar ist – und wer sich weigert, Menschenleben zu gefährden, wird bestraft," erklärt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V.
Unrechtmäßige Festsetzung?
Sea-Eye wird in drei Punkten beschuldigt:
- Missachtung von Anweisungen der Seenotleitung (MRCC Rom): Der Kapitän habe Informationen nicht vollständig übermittelt und die selektive Übergabe einzelner Personen an die Küstenwache verweigert – mit dem Hinweis, dass alle Menschen an Bord schutzbedürftig sind.
- Verzögerter Antrag auf Ausschiffung: Der SEA-EYE 5 wird vorgeworfen, den Ausschiffungshafen nicht „rechtzeitig und offiziell" beantragt zu haben. Tatsächlich stand Sea-Eye seit Beginn der Rettung in aktivem Austausch mit mehreren Seenotleitstellen, darunter Bremen und Rom. Jegliche Kommunikation wurde schriftlich dokumentiert und nachgehalten.
- Verspätete Weiterfahrt zum Hafen Tarent: Die SEA-EYE 5 habe ihre Fahrt nach der Zuweisung von Taranto nicht „ohne Verzögerung" angetreten und über sechs Stunden vor Pozzallo ausgeharrt. Pozzallo wurde der SEA-EYE 5 offiziell als Place of Safety zugewiesen. Dass die SEA-EYE 5 so lange vor dem Hafen warten musste, lag daran, dass die geplante Ausschiffung durch die Seenotleitstelle in Rom gestrichen wurde. Die Anforderungen des Transshipments sowie Anweisung zur Weiterfahrt waren aus Sicht von Sea-Eye nicht mit der Sicherheitslage an Bord sowie den technischen Gegebenheiten des Schiffs vereinbar.
Sea-Eye weist Vorwürfe entschieden zurück
„Die Vorwürfe sind konstruiert, um Rettungseinsätze zu kriminalisieren. Unsere Crew hat jederzeit im Sinne der geretteten Menschen und im Einklang mit dem internationalen Seerecht gehandelt. Die Festsetzung zeigt einmal mehr, dass die italienischen Behörden zivile Rettungsschiffe systematisch verdrängen wollen", so Isler.
Sea-Eye kündigte an, juristisch gegen die Festsetzung vorzugehen. Die Organisation sieht in der aktuellen Maßnahme eine Fortsetzung der repressiven italienischen Hafenpolitik, die bereits im Fall des zivilen Rettungsschiffs NADIR für internationale Kritik gesorgt hatte.
Die Vorgeschichte: Behördliches Tauziehen um Ausschiffungshafen
Nach der Rettung hatte das italienische MRCC Rom zunächst den 390 Seemeilen entfernten Hafen Tarent als Place of Safety zugewiesen – obwohl diese Distanz nicht mit den technischen Gegebenheiten des Schiffs vereinbar ist und auch die Wasserreserven an Bord nicht für den mehrtägigen Transport derart vieler Personen ausreichen. Erst nach massivem Druck und intensiven Appellen unter Verweis auf internationales Seerecht sowie nachdrücklicher Argumentation lenkte die Seenotleitstelle in Rom in der Nacht ein und wies Sea-Eye den näher gelegenen Hafen Pozzallo auf Sizilien zu.
Am Sonntag, den 15. Juni, erreichte die SEA-EYE 5 gegen 14:00 Uhr schließlich Pozzallo. Bei ihrer Ankunft wurde die Crew darüber informiert, dass anstelle der Ausschiffung aller Geretteten nur noch ein sogenanntes Transshipment gestattet wird. Dafür wurde die Besatzung aufgefordert, schutzbedürftige Personen zu identifizieren und an ein italienisches Patrouillenschiff der Küstenwache zu übergeben. Die übrigen Geretteten sollten weiterhin an Bord bleiben und bis nach Tarent in Apulien gebracht werden.
Während der mehrstündigen Verhandlung musste die Crew erneut eine medizinische Evakuierung anfordern, da sich der Zustand einer schwangeren Frau kontinuierlich verschlechterte. Auch am Vortag wurde ein Antrag auf medizinische Evakuierung für drei Personen gestellt, bewilligt und drei Personen mit schweren Verletzungen an die italienische Küstenwache übergeben. Um 20:30 Uhr erhielt die Besatzung die offizielle Erlaubnis, in den Hafen einzufahren und die Geretteten an Land zu bringen. Gleichzeitig wurde der Antrag auf medizinische Evakuierung bewilligt, sodass die schwangere Frau noch vor dem Einlaufen im Hafen an Land gebracht und versorgt werden konnte.
Nachdem die verbliebenen 61 Personen sicher an Land gebracht worden waren, stellten die italienischen Behörden die SEA-EYE 5 zunächst unter Quarantäne. Erst am Montagabend folgte gegen 18:30 Uhr die offizielle Festsetzung – die erste für das seit Dezember 2024 von Sea-Eye betriebene Schiff.
Sea-Eye e.V. / RNRed