In den vergangenen Wochen gab es ein beherrschendes Gesprächsthema im Landkreis Regensburg: Das Rathaus in Schierling sollte neu gebaut werden, doch ein Bürgerentscheid am 01. Juni 2025 stoppte dieses Vorhaben. Nachdem der Markt Schierling seit 2022 in den Planungen steckte und bereits 453.000 Euro investiert hatte, haben die Bürgerinnen und Bürger sich nun klar gegen das Bauprojekt ausgesprochen.
Aber was brachte die Schierlinger dazu, sich mithilfe eines Bürgerentscheids gegen das geplante Rathaus zu entscheiden? Ist das bisher investierte Geld endgültig verloren? Und wie geht es nun weiter? Wir haben sowohl mit dem Markt Schierling als auch mit den Bürgerinnen und Bürgern gesprochen.
Noch immer kein Spatenstich – nach zehn Jahren
Die Planung zum neuen Rathaus in Schierling dauert bereits seit 2015 an. Damals hatte der Gemeinderat einem Neubau zugestimmt. Fünf Jahre später, zu Beginn der Corona-Pandemie, fand eine Bürgerbeteiligung zum Rathausprojekt statt. Bürgerinnen und Bürger konnten dabei Fragen und Anregungen zum geplanten Neubau einbringen. Ein Jahr später wurde ein Realisierungswettbewerb durchgeführt, bei dem insgesamt 17 Entwürfe für das Design eingereicht wurden. Einen Sieger des Wettbewerbs kürte der Marktgemeinderat – ohne Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger selbst. Auf Rückfrage des filter erklärte der Markt Schierling, dies liege daran, dass „der Marktgemeinderat die von den Bürgern gewählte Vertretung ist. Ihm obliegen grundsätzlich die Entscheidungen über die Zukunftsinvestitionen der Gemeinde.“
Die Entscheidung fiel schlussendlich auf den Entwurf des Architekturbüros „Code Unique“ aus Dresden: Ein viergeschossiger, würfelförmiger Solitärbau sollte mitten in Schierling entstehen.
Während der Planungsphase packten die Angestellten im Rathaus ihre Sachen und zogen in ein Übergangsquartier in der Dieselstraße. Warum der frühzeitige und übereilte Auszug aus dem alten, noch intakten Rathaus? Die Begründung des Marktes Schierling: Die räumlichen Kapazitäten reichten schon zum damaligen Zeitpunkt für die gestiegene Zahl an Mitarbeitenden nicht mehr aus.
2022 wurden die bisherigen Planungen überprüft. Es folgten in den nächsten Jahren fünf Workshops, elf Sitzungen und über 60 Besprechungen – in Präsenz oder online – mit den Architekten und Fachingenieuren. Der Markt Schierling betonte, dass die Bürgerinnen und Bürger stets aktiv in die Planung des neuen Rathauses miteinbezogen wurden. Die Schierlinger hingegen teilten auf Nachfrage der Redaktion mit, dass die Beratungen nur teilweise öffentlich zugänglich waren.

Der Entwurf für das neue Rathaus in Schierling wurde vom Architektenbüro „Code Unique“ aus Dresden entworfen. © Website Markt Schierling: https://www.schierling.de/neues-rathaus/bildergalerie/rathaus-vergangenheit-gegenwart-zukunft
Bürgerentscheid kippt Millionenprojekt
Ganze dreieinhalb Jahre arbeitete das Architektenteam an dem Entwurf des Neubaus. Bereits bei der Auswahl des Sieger-Entwurfs aus dem Wettbewerb sprachen sich wohl drei Marktgemeinderäte gegen den Entwurf des Architekturbüros „Code Unique“ aus Dresden aus. Schließlich stimmten sie nur aufgrund der Prämisse für den Entwurf, da es die „wirtschaftlichste Lösung“ für 6,5 Millionen Euro sei. Jedoch stiegen die Kosten plötzlich auf 10,4 Millionen Euro an. Im Mai 2025 versendeten diese drei Mitglieder des Gemeinderates in der Folge an die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger ein Schreiben, in dem sie erklärten, dass sie sich erneut gegen den Neubau aussprechen würden: „Der Bürgerentscheid am 01. Juni 2025 ist aus unserer Sicht die letzte Chance, eine tragfähige und finanzierbare Lösung für Schierling zu finden“, heißt es in dem Schreiben der Gemeinderäte, darunter die dritte Bürgermeisterin Claudia Buchner, Fraktionssprecher der CSU, Andreas Komes und Fraktionssprecher der Freien Wähler, Markus Schinhanl.
Dieser Bitte kamen viele Schierlinger nach: Lediglich 1.430 Menschen befürworteten die Planung der Architekten, während 2.831 Bürgerinnen und Bürger den Entwurf ablehnten – das entspricht 64 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Nachdem das Ergebnis des Bürgerentscheides ein klares „Nein“ zum Neubau hervorbrachte, würde man vermuten, dass der Markt die Hintergründe dieser Entscheidung erfahren möchte. Doch eine konkrete Nachfrage seitens der Gemeinde gab es bis zum Redaktionsschluss nicht. Befragte Bürgerinnen und Bürger äußerten sich gegenüber dem filter, dass sie über die Workshops und Besprechungen nicht richtig informiert gewesen seien. Sie hätten erst durch die Medien erfahren, dass es Sitzungen gegeben habe und was genau besprochen worden sei. Die Betroffenen äußerten den Wunsch, dass sie gerne an der Wahl des Siegerentwurfs des Realisierungswettbewerbs beteiligt worden wären. Sowohl hohe Kosten als auch das moderne Design seien für die Befragten ausschlaggebend gewesen, sich gegen den Neubau zu entscheiden. Der viergeschossige, würfelförmige Solitärbau passe nicht zum Stadtbild des historischen Marktplatzes.
Papier statt Beton: Das Rathaus bleibt eine Skizze
Auf der Homepage des Marktes können Interessierte die bisherigen Informationen sowohl zur Planung als auch zur Finanzierung des Neubaus einsehen. Die Gesamtkosten zur Realisierung des Baus hätten sich nach diesen Angaben auf 10.374.400 Euro belaufen. Davon standen Rücklagen in Höhe von 2.260.000 Euro zur Verfügung. An öffentlichen Zuschüssen waren 527.000 Euro zu erwarten. Der Restbetrag von 7.587.400 Euro sollte über Kredite abbezahlt werden.
Nachdem die Bürgerinnen und Bürger sich nun gegen den Bau des neuen Rathauses entschieden haben, sind die bereits investierten 453.000 Euro für die dreieinhalbjährige Planung verloren, das bestätigt auch der Markt Schierling: „Ja, die bisherigen Ausgaben scheinen endgültig verloren zu sein. Das dafür notwendige Geld wird den Rücklagen für ein neues Rathaus entnommen, so dass diese geschmälert sind.“
Kein Plan B in Sicht
Nun stellt sich für viele die Frage, wie es jetzt weitergeht. Doch darauf hat der Markt Schierling selbst noch keine Antwort. Auf Nachfrage der Redaktion reagierte die Pressestelle wie folgt: „Es gibt 16 weitere Arbeiten aus dem Architektenwettbewerb von 2021. Weitere Alternativen liegen nicht vor, insbesondere wurde von den Initiatoren des Bürgerentscheides keine Alternative ins Gespräch gebracht.“
Eine solche Alternative wäre auch für die Mitarbeiter des Rathauses notwendig. Diese wurden bereits zwischen Dezember 2021 und Juni 2022 in das Übergangsquartier in der Dieselstraße 13 umgesiedelt. Auf die Frage, ob sie wieder in das alte Rathaus zurückziehen, konnte der Markt Schierling keine Auskunft geben.
Trotz mehrmaliger Rückfragen im Markt Schierling konnte dieser auch keine Auskunft dazu geben, wie es nun mit dem Rathaus weitergeht. Laut deren Aussagen habe sich der Markt darüber noch nicht beraten. Ob die bisherigen Verantwortlichen erneut für die Planung und Umsetzung des Projektes betraut werden, ist aktuell noch unklar. In den Sternen steht ebenfalls, ob die Bürgerinnen und Bürger künftig bei weiteren Entscheidungsprozessen zum neuen Rathaus häufiger miteinbezogen werden.
Ein Report von Sarah Solleder I filterMagazin