Vom einfachen Krankenhaus für Heimatlose zum modernen Gesundheitszentrum: Das Caritas-Krankenhaus St. Josef feiert seinen 75. Geburtstag und startet mit einer umfassenden Sanierung in die Zukunft. Prof. Dr. Sylvia Pemmerl spricht in diesem exklusiven Interview über Meilensteine, Menschlichkeit und medizinische Exzellenz.
Die Anfänge waren äußerst einfach. Was als Krankenhaus für heimatlose Menschen begann, hat sich über die letzten Jahrzehnte zu einer festen Größe in der Gesundheitsversorgung in Ostbayern entwickelt. Das Caritas-Krankenhaus St. Josef in Regensburg genießt einen exzellenten Ruf, weit über die Grenzen der Donaustadt hinaus. In diesem Jahr wird das Haus 75 Jahre alt. Doch von Altersschwäche kann keine Rede sein. Im nächsten Jahr startet eine umfangreiche Sanierung der Gebäude, die das Krankenhaus noch leistungsfähiger und zukunftsorientierter aufstellen soll. Wir haben mit der Medizinisch-Ärztlichen Direktorin und Geschäftsleitung, Frau Prof. Dr. med. Sylvia Pemmerl über vergangene Errungenschaften und zukünftige Ambitionen gesprochen.

Prof. Dr. med. Sylvia Pemmerl ist die Medizinisch-Ärztliche Direktorin und Geschäftsleitung des Caritas Krankenhauses St. Josef. © Katharina Beer
Frau Prof. Pemmerl, wenn Sie an die Anfänge von St. Josef als einfaches Krankenhaus für heimatlose Menschen zurückdenken – was berührt Sie daran persönlich, und welche Entwicklungen seitdem empfinden Sie als die bedeutendsten Meilensteine für das Haus?
Die gesamte Entwicklung des Hauses ist beeindruckend. Ursprünglich war St. Josef ein einfaches Krankenhaus ohne Operationssäle und mit Toiletten auf dem Flur. Natürlich hat sich die Medizin in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt, aber St. Josef hatte von Beginn an einen besonderen Spirit. Die Werte der Caritas wurden und werden hier von Anfang an gelebt. Das Haus war in vielen Bereichen ein Pionier: Wir hatten frühzeitig eine Intensivstation und waren das erste Krankenhaus in der Oberpfalz mit einem Operationsroboter.

Pflege 1961. © Bilddokumentationsstelle Stadt Regensburg
Ein weiterer Meilenstein war sicherlich die Kooperation mit der Universität Regensburg ab 2003: das sogenannte Regensburger Modell, das dem Haus einen universitären Charakter verliehen hat. Die beiden Lehrstühle für Urologie sowie Frauenheilkunde und Geburtshilfe wurden bei uns angesiedelt. Das hat eine enorme Dynamik erzeugt, die bis heute spürbar ist.
Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum konnten wir ein Onkologisches Zentrum etablieren, das Comprehensive Cancer Center Ostbayern (CCCO). Dies findet auch Ausdruck durch Forschung und Wissenschaft auf höchstem Niveau im CCC-WERA-Verbund, zusammen mit den Universitätskliniken Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg. Die WERA-Allianz ist auch einer der NCT-Standorte (Nationales Centrum für Tumorerkrankungen) in Deutschland. Hier wird Onkologie auf höchstem Niveau betrieben. Diese Entwicklung hat nicht nur die onkologischen Fachrichtungen vorangebracht, sondern das gesamte Haus – immer getragen von dem Anspruch, Spitzenmedizin mit Menschlichkeit zu verbinden. Diese Symbiose ist aus meiner Sicht das Besondere an St. Josef.
Sie haben das Regensburger Modell angesprochen. Können Sie kurz erklären, was es damit genau auf sich hat? Was macht dieses Modell aus und welche Bedeutung hat es für St. Josef?
Das Regensburger Modell ist aus einer Notlage heraus entstanden. Der Freistaat Bayern hatte damals nicht genug finanzielle Mittel, um alle Fachbereiche vollständig am Universitätsklinikum aufzubauen. Deshalb wurden einige Fächer ausgelagert – bei uns die Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie die Urologie. Diese Fachrichtungen werden seither bei uns auf universitärem Niveau betrieben. Das bedeutet: Forschung, Lehre und Patientenversorgung finden nicht am Universitätsklinikum, sondern in unserem Haus statt.
Für St. Josef war das eine enorme Chance. Der universitäre Anspruch hat sich auf das gesamte Haus übertragen. Wir betreiben studentische Lehre, engagieren uns in der Forschung und diese wissenschaftliche Exzellenz kommt direkt unseren Patientinnen und Patienten zugute. Gleichzeitig arbeiten wir sehr eng mit dem Universitätsklinikum zusammen, fühlen uns „als der kleine Bruder”.
Ein Schwerpunkt Ihres Hauses ist die Onkologie. Gerade bei Krebspatienten geht es ja nicht nur um medizinische Behandlung, sondern auch um menschliche Begleitung. Was ist Ihnen in der Versorgung dieser Patientinnen und Patienten besonders wichtig?
Unsere Patientinnen und Patienten müssen sich sowohl medizinisch bestens aufgehoben als auch menschlich begleitet fühlen. Deshalb haben wir neben der medizinischen Behandlung zahlreiche unterstützende Angebote aufgebaut: einen Psychoonkologischen Dienst, Sozialberatung, pflegerische Sprechstunden und sogenannte Lotsen, die die Patientinnen und Patienten durch den oft komplexen Behandlungsprozess begleiten. Auch Angehörige finden bei uns Ansprechpartner.
Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz: Neben der rein somatischen Behandlung betrachten wir auch die psychischen und sozialen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten. Gerade bei Krebserkrankungen, die oft eine langwierige Behandlung erfordern, ist es wichtig, dass eine menschliche Bindung zu den betreuenden Teams entsteht. Unsere Seelsorge spielt hier ebenfalls eine wichtige Rolle. Dieses umfassende Betreuungskonzept zeichnet unser Haus aus.

heutiger Blick auf die Intensivstation. © Johann Kräh
Was bedeutet das St. Josef Krankenhaus für Sie persönlich?
Für mich ist das Krankenhaus mehr als ein Arbeitsplatz. Ich identifiziere mich sehr stark mit dem Haus und gehe jeden Tag gerne hierher. Ich habe ein tolles Team um mich herum, und das spürt man auch im Miteinander. Als ich vor zehn Jahren nach St. Josef kam, habe ich sofort gemerkt, dass hier ein anderer Geist herrscht als in vielen anderen Einrichtungen. Menschlichkeit wird hier nicht nur propagiert, sondern tatsächlich gelebt. Dieses Wir-Gefühl, diese interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe – das ist für mich ein zentraler Bestandteil unserer Identität. Für mich persönlich, ist die Arbeit hier eine erfüllende Aufgabe, die ich mit großer Leidenschaft verfolge.
Im kommenden Jahr startet eine umfassende Sanierung des Krankenhauses. Was ist dabei geplant, und welche Ziele verfolgen Sie mit dem Umbau?
Wir werden das Krankenhaus in vier Bauabschnitten komplett sanieren. Im ersten Bauabschnitt entstehen ein dezentraler OP-Bereich, eine neue urologische Funktionsdiagnostik und eine fest installierte Druckkammer, die derzeit noch in Containern untergebracht ist. Im zweiten Abschnitt folgen neue Pflegebereiche und ein großer OP-Trakt, um mehr Patientinnen und Patienten aus Ostbayern versorgen zu können. Anschließend werden funktionale Einrichtungen wie Endoskopie, Herzkatheterlabor und ein erwei¬tertes Zytolabor für die onkologische Versorgung neu gebaut. Auch unsere Küche wird ein neues Zuhause finden – wir kochen noch selbst, und das soll so bleiben.

DaVinci-System: modernste chirurgische Technik. © St. Josef
Wir werden in den Neubauten auch Konzepte für Isolationsbereiche umsetzen, damit wir bei zukünftigen Pandemien oder Infektionswellen schnell reagieren können. Es geht um Resilienz – also die Fähigkeit, auch in Krisensituationen den Betrieb aufrechtzuerhalten. Das gilt nicht nur für Infektionskrankheiten, sondern auch für andere potenzielle Gefahren, denen kritische Infrastrukturen ausgesetzt sein können. Ziel ist es, das Krankenhaus zukunftssicher aufzustellen.
Ein wichtiger Aspekt ist auch die Nachhaltigkeit: Krankenhäuser gehören zu den großen CO₂-Verursachern. In alten Gebäuden lässt sich ein nachhaltiger Betrieb kaum umsetzen. Zudem müssen wir uns an den Klimawandel anpassen – denken Sie an immer heißere Sommer. Darüber hinaus möchten wir ein weitgehend papierloses Krankenhaus werden und die Digitalisierung vorantreiben. Es ist eine große Herausforderung, den Klinikbetrieb während der Bauzeit aufrechtzuerhalten. Aber wir sind optimistisch, dass wir diese Aufgabe meistern, um St. Josef fit für die Zukunft zu machen.
Vielen Dank für das interessante Gespräch und weiterhin viel Erfolg – für Sie, Ihr Team und Ihre Patientinnen und Patienten.
Ein Interview von Kathrin Gnilka I filterMagazin