Ein Jobwechsel mit über 50? Für viele scheint das ein Wagnis zu sein – doch die Realität sieht oft anders aus: Erfahrung ist gefragt. In einem exklusiven Interview erklärt Marketa Burger, eine erfahrene Karriereberaterin aus Teublitz, wie der Neustart gelingt, welche Chancen sich bieten und worauf es im Bewerbungsprozess wirklich ankommt.
Mit über 50 noch einmal den Beruf wechseln? Für viele klingt das zunächst nach einem großen Risiko und der Unsicherheit, sich in einem neuen beruflichen Umfeld zurechtzufinden. Wer jahrelang im selben Unternehmen gearbeitet hat, sieht dem Bewerbungsprozess oft mit gemischten Gefühlen entgegen. Wird man noch gebraucht? Kann man mit jüngeren Konkurrenten mithalten? Und was, wenn der Wechsel nicht freiwillig ist, sondern durch eine Kündigung erzwungen wird?
Doch die Realität auf dem Arbeitsmarkt zeichnet ein anderes Bild: In vielen Branchen werden erfahrene Fachkräfte dringend gesucht – und gerade Bewerberinnen und Bewerber mit einem reichen Erfahrungsschatz haben oft mehr zu bieten, als sie selbst vermuten. Hinzu kommt: Der demografische Wandel sorgt dafür, dass unsere Gesellschaft auf die Arbeitskraft älterer Generationen angewiesen ist.
Berufliche Erfüllung in der zweiten Lebenshälfte
Aus diesem Grund muss ein Jobwechsel im Alter von 50+ nicht immer aus einer Notwendigkeit heraus erfolgen, sondern kann schlichtweg der Wunsch nach einer erfüllenderen Karriere sein. Denn viele Menschen starten in ihr Arbeitsleben, ohne genau zu wissen, wozu sie sich berufen fühlen. Einige Jahrzehnte später erreichen sie dann den Punkt, an dem sie sich fragen: „Kann das schon alles gewesen sein?“ Die Motivation, sich zu verändern ist groß, doch wie kann man in der Mitte des Lebens das Ruder herumreißen und eine neue Karriere starten? Heißt ein Neuanfang, wirklich wieder von vorne zu beginnen oder kann die bisherige Berufserfahrung auch auf einem neuen Berufsweg helfen?
Vorurteile abbauen – Stärken gezielt ausspielen
Ältere Bewerber sehen sich mit vielen Vorurteilen konfrontiert. Sie gelten als teuer, unflexibel und lernresistent. Weiterhin ist die Generation 50+ nicht immer auf dem aktuellsten Stand, wie Bewerben heutzutage funktioniert. Somit fallen viele potenzielle Mitarbeiter von vornherein durchs Raster.
Wie also gelingt der Neustart in dieser Lebens- und Karrieresituation? Welche Schritte bringen einen wirklich weiter – und wie räumt man mit hartnäckigen Vorurteilen auf?
Darüber haben wir mit Marketa Burger, einer erfahrenen Karriereberaterin aus Teublitz, die sich auf das Klientel 50+ spezialisiert hat, gesprochen, um zu erfahren, wie Bewerber ihre Stärken gezielt ausspielen und neue Türen öffnen können.

Marketa Burger, Karriereberaterin (Teublitz). © Lukas Pokorny
Frau Burger, welche ersten Schritte empfehlen Sie jemandem im Alter von 50+, der einen Jobwechsel plant?
Für mich beginnt die Jobsuche immer mit einer Reise zu sich selbst.
Gerade, wenn man sehr lange im gleichen Unternehmen oder in der gleichen Branche war, hat man oft den Bezug dazu verloren, was man sich wirklich wünscht, was man bereits alles geleistet hat und welche konkreten Stärken in einen neuen Bereich übertragen werden können.
Wenn man in eine neue Branche wechseln möchte, darf man Brücken bauen: sich überlegen, welche Übereinstimmungen es gibt – fachlich und methodisch. Also: Was habe ich schon in der Vergangenheit gemacht, das zwar nicht identisch war, aber doch übertragbar ist?
Es gilt also herauszuarbeiten, was man sowohl fachlich als auch persönlich in ein Unternehmen einbringt. Wen bekommt der Arbeitgeber mit mir? Welche Rolle werde ich einnehmen?
Welche Fehler sollten Bewerber vermeiden, um nicht von vorneherein aussortiert zu werden?
Ein häufiger Fehler ist, sich zu schnell zu bewerben, ohne vorher eine gründliche Bestandsaufnahme zu machen. Viele verschicken generische Unterlagen an 10, 20 oder 30 Unternehmen. Ich empfehle immer, die Bewerbung individuell anzupassen. Das bedeutet: sich klarzumachen, in welcher Situation sich das Unternehmen aktuell befindet, welche besonderen Bedürfnisse und Anforderungen es hat – und dann deutlich zu machen, wie man genau hier helfen kann. Das erfordert ein gewisses Maß an Recherchearbeit, aber es lohnt sich, weil man sich damit deutlich von der Masse der 08/15-Blindbewerbungen abhebt.
Was sollten Kandidaten bei der Vorbereitung ihrer Bewerbungsunterlagen beachten?
Die Bewerbungsunterlagen entscheiden, ob ein Kandidat in die Vorauswahl kommt oder nicht. Es müssen also alle relevanten Informationen enthalten und leicht auffindbar sein. Ein typischer Fehler bei Bewerbern 50+ ist, dass alles aufgeführt wird, was man jemals gemacht hat, auch wenn vieles davon für die angestrebte Stelle nicht relevant ist. Das führt leicht zu einer Überforderung beim Personaler, der weder die Zeit noch die Lust hat, die passenden Informationen herauszufiltern. Deshalb sollte man abspecken und nur das in die Bewerbung aufnehmen, was für den Arbeitgeber wichtig ist – diese Punkte dann aber sehr gut darstel¬len und mit konkreten Beispielen untermauern.
Auch das Design spielt eine große Rolle. Ein modernes, ansprechendes Layout, eine klare Struktur und ein aktuelles, professionelles Bewerbungsfoto sind essenziell. Häufig erlebe ich, dass selbst Führungskräfte noch veraltete Passbilder aus den 90er-Jahren verwenden. Hier lohnt es sich, in einen guten Fotografen zu investieren, ein professionell gestaltetes Bewerbungslayout zu nutzen und es individuell anzupassen. Farbliche Akzente und ein durchdachtes visuelles Konzept können helfen, die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Wie kann man sich als Bewerber 50+ so präsentieren, damit Alter nicht als Nachteil gesehen wird?
Grundsätzlich bin ich kein Fan davon, das Thema aktiv anzusprechen, um keine „schlafenden Hunde“ zu wecken. Ich würde mir jedoch im Vorfeld überlegen, was für dieses Unternehmen und diese Position mögliche K.-o.-Kriterien sein könnten.
Wenn zum Beispiel die Sorge besteht, die Person könnte zu alt, zu gebrechlich oder zu häufig krank sein, könnte man unter dem Punkt „Engagement“ in den Bewerbungsunterlagen erwähnen, dass man regelmäßig Sport treibt – etwa Halbmarathon läuft oder häufig mit dem Fahrrad unterwegs ist. Das ist eine einfache Möglichkeit, ein solches Vorurteil zu entkräften.

Ein Mann möchte seiner Leidenschaft nachgehen. © Bigstock / Anelo
Welche Strategien empfehlen Sie, um als Kandidat 50+ zu zeigen, dass man bereit und in der Lage ist, neue Technologien oder Methoden zu erlernen?
Gerade beim Thema technische Kompetenz hilft es, klar aufzuzeigen, welche Systeme man nutzt, diese auch beim Namen zu nennen und zu beschreiben, wie man sie nutzt. Idealerweise verwendet man dabei die Fachbegriffe und Programmnamen, die auch im Zielunternehmen im Einsatz sind. Das sorgt für Wiedererkennung und signalisiert Anpassung. Man kann auch aufzeigen, dass man sich online weiterbildet: etwa durch einen Kurs zum Thema Künstliche Intelligenz oder durch eine umfangreiche Weiterbildung. Hier sollte man erwähnen, was man dort gelernt hat und wie dieses Wissen dem Arbeitgeber konkret nutzen kann.
Wie sollte ein LinkedIn- oder XING-Profil gestaltet werden, um bei Recruitern aufzufallen?
Personal Branding ist ein Thema, das viele Menschen über 50 völlig unterschätzen und für das sie anfangs oft wenig Begeisterung zeigen. Ein gepflegtes LinkedIn- oder Xing-Profil ist jedoch essenziell. Es sollte inhaltlich und optisch professionell gestaltet sein, die richtigen Botschaften vermittelt und die passenden Keywords enthalten. Diese müssen so gewählt sein, dass sie den gängigen Suchbegriffen in der jeweiligen Branche entsprechen, um von Recruitern gefunden werden zu können. Wichtig ist, das Profil aktuell zu halten und den Slogan zu individualisieren. Viele übernehmen einfach ihre aktuelle Berufsbezeichnung aus der Rubrik „Berufserfahrung“, die dann automatisch oben erscheint. Das wirkt jedoch leblos und unbemüht. Der Slogan sollte aussagekräftig sein, damit direkt erkennbar wird, welchen Beruf man ausübt und welchen Mehrwert das für ein Unternehmen bringt.
Ein sehr gutes Profilfoto gehört ebenso dazu wie ein individualisiertes Banner im Hintergrund. Dieses Bannerbild darf persönlich gestaltet sein, auf die eigene Branche und den Tätigkeitsbereich hinweisen und gerne ein persönliches Wiedererkennungsmerkmal enthalten.
Wer bei der Erstellung seiner Bewerbungsunterlagen oder seines LinkedIn-Profils Hilfe benötigt, sollte auf professionelle Unterstützung setzen und mit einen Karriere-Coach wie Marketa Burger die nächsten Schritte in Richtung beruflicher Zukunft planen.
Wir wünschen allen Bewerberinnen und Bewerbern über 50 viel Erfolg – und den Mut, ihre neue berufliche Herausforderung mit Selbstvertrauen und Freude anzugehen.
Kathrin Gnilka I filterMagazin