Seit Wochen diskutieren Regensburger Politiker über eine künftige Kita auf dem Dach des Parkhauses am Dachauplatz. 100 Betreuungsplätze sollen entstehen, doch dafür müssten einige Parkplätze weichen. Eine ungewöhnliche Idee, die in Politik und Stadtgesellschaft für hitzige Debatten sorgt.
Eine Kindertageseinrichtung auf dem Parkhaus – was erst ungewöhnlich klingt, könnte in Regensburg bald Realität werden. 100 Betreuungsplätze sollen entstehen – dafür müssen 40 Stellplätze weichen. Im Jugendhilfeausschuss der Stadt Regensburg sorgt dieses Vorhaben für Diskussionen. Die CSU spricht sich – derzeit als einzige Fraktion – dagegen aus.
Ja zu Kita-Plätzen – Nein zur Verkehrswende?
„Wir benötigen dringend zusätzliche Kita-Plätze in der Altstadt – auch für die Beschäftigten der Stadt Regensburg. Dass hier 100 neue Plätze entstehen sollen, ist fachlich und inhaltlich sinnvoll. Der Standort auf dem Parkhausdach ist jedoch völlig ungeeignet“, betont CSU-Fraktionssprecher Erich Tahedl in einer Pressemitteilung.
Auch Oberbürgermeister-Kandidatin Dr. Astrid Freudenstein (CSU) hält dieses Vorhaben für einen letzten Ausweg: „Eine Kita auf dem Dach eines Parkhauses an einem Verkehrsknotenpunkt mitten in der Stadt ist die allerletzte Option, die man als Stadt ziehen muss, wenn gar nichts anderes mehr geht. So weit sind wir in Regensburg zum Glück noch lange nicht“, erklärt sie auf Nachfrage der filter-Redaktion.
„Dieses Verhalten ist verantwortungslos“
Das sieht Anna Gmeiner (SPD), stellvertretende Stadtverbandsvorsitzende und stellvertretendes Mitglied im Jugendhilfeausschuss, jedoch vollkommen anders: Sie kritisiert die Haltung der CSU scharf: „Der Wegfall weniger Parkplätze kann doch nicht ernsthaft gegen 100 dringend benötigte Kita-Plätze aufgewogen werden. Dieses Verhalten ist verantwortungslos gegenüber den Familien in unserer Stadt.“
Auch SPD-Oberbürgermeister-Kandidat Dr. Thomas Burger hält die Idee, eine Kindertageseinrichtung auf dem Dach des Parkhauses am Dachauplatz zu errichten, für eine innovative und sinnvolle Idee: „Kurz Beine – kurze Wege: Ich möchte, dass Kinder möglichst wohnortnah einen Kita-Platz bekommen können“, sagt er.
Teure „Speziallösung“
Dr. Astrid Freudenstein steht diesem Standort jedoch kritisch gegenüber: „Der Dachauplatz ist kein schöner Ort. Er hat eine ganz wichtige Funktion für den Verkehr, aber ganz sicher ist das kein Platz, an dem man sich gerne aufhält. Die Leute, meistens sind es Männer, die dort mitunter ihren Tag verbringen, sind oft stark alkoholisiert. Keine gute Ecke. Ich hätte mein Kind da ganz sicher nicht hinbringen wollen.“

40 Stellplätze auf dem Dach des Parkhauses in Regensburg sollen nun wegfallen. © filterVERLAG
Die CSU bezeichnet das Projekt insgesamt als „unverhältnismäßig“. Die Partei plädiert für eine kostengünstige, flexible und schnell realisierbare Lösung. Es sei sinnvoller, eine bestehende Einrichtung aufzustocken oder sogar zu erweitern, anstatt eine „teure Speziallösung“ auf dem Dach des Parkhauses zu verfolgen.
Die Stadt Regensburg teilte auf Anfrage mit, dass für die Planung Kosten in Höhe von maximal 600.000 Euro veranschlagt seien.
Dr. Burger sieht die derzeitige Kostenermittlung als eine Zahl „mit Sicherheitspuffer“. Er sei sich sicher, dass der Kostenumfang nach konkreter Planung deutlich unter diesem Kostenrahmen liegen werde.
Dr. Freudenstein hingegen sieht hier Kosten in Millionenhöhe auf die Stadt zukommen: „Die ersten drei Phasen einer Planung umfassen nur den Entwurf. Wenn der schon 600.000 Euro kostet, dann geht allein die Planung ordentlich in die Millionenhöhe. Die Baukosten sind dann im zweistelligen Millionenbereich.“ Das Projekt sei aus ihrer Sicht „grob unwirtschaftlich“.
Zur Höhe der Gesamtkosten für den Umbau des Parkdecks machte die Stadt keine Angaben. Die Planungen zum Neubau der Kindertageseinrichtung wird an die das Stadtwerk Regensburg GmbH vergeben. Diese müsse noch eine genaue Kostenschätzung abgeben. Bei vielen Bürgerinnen und Bürgern sorgt dies für Unbehagen – sie wollen wissen, wie viel Geld – darunter auch Steuergelder – tatsächlich investiert werden muss. Was bleibt, sind Skepsis und ein ungutes Gefühl.
Leerstand in Regensburg – und trotzdem hat die Kita keinen Platz?
Um das Projekt in eine andere Richtung zu lenken, fordert die CSU daher eine Prüfung der bereits vorhandenen Gebäude in der Regensburger Altstadt, die nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch praktikabler und kindgerechter seien. „Wir müssen den Rechtsanspruch auf einen Platz nicht zwingend in der Altstadt erfüllen. Es steht also die ganze Stadt zur Verfügung, um auch den Bedarf in der Altstadt zu decken“, sagt Dr. Freudenstein.
Immer wieder hat die Stadt Regensburg mit Leerständen in der Innenstadt zu kämpfen, sodass sich unweigerlich die Frage stellt, ob man diese nicht für Kindertagesstätten nutzen könnte. Die Stadt Regensburg jedoch erklärt, dass solche Prüfungen bereits stattgefunden hätten: „Es gibt die Handlungsempfehlung der Regierung, dass pro Kind eine Freifläche von zehn Quadratmetern vorzusehen ist. In den letzten Jahren wurden dem Amt für Tagesbetreuung von Kindern immer wieder mal Objekte im Altstadtbereich angeboten, die aber bei einer genaueren Prüfung nicht geeignet waren“, erläutert Juliane von Roenne-Styra, Pressesprecherin der Stadt Regensburg.
Für eine Kita mit 100 Kindern sind demnach rund 1.000 Quadratmeter Freifläche notwendig. Dr. Thomas Burger ergänzt: „Bei Kindertageseinrichtungen gibt es viele rechtliche Anforderungen zu beachten – beispielsweise bezüglich Raumhöhe, Schall- und Brandschutz, Außengelände, Parkplätze und so weiter. Im Altstadtbereich ist es extrem schwierig, dem gerecht zu werden. Auf dem Parkhausdach könnten nach aktuellem Stand alle diese Anforderungen erfüllt werden.“
Auch eine vorgeschriebene Freispielfläche sei eine besondere Herausforderung, da eine Betriebserlaubnis nur mit dieser erteilt werden könne, beschreibt Dr. Thomas Burger. „Diese Flächen könnten zwar auch teilweise innen mit entsprechenden Bewegungsflächen realisiert werden, aber nicht überwiegend“, so Burger. Fraglich bleibt, wie dies letztendlich auf dem Dach eines Parkhauses verwirklicht werden soll.

Das Parkhaus am Dachauplatz von einer anderen Perspektive. © filterVERLAG
Kita-Planung nach Vorschrift
Die gesamte Planung und reale Umsetzung des neuen Kita-Standortes hängen von den zahlreichen festgeschriebenen Anforderungen ab.
Die baulichen Anforderungen für Kindertageseinrichtungen sind in der Bayerischen Bauordnung (BayBO), im Baugesetzbuch (BauGB) und in der Arbeitsstättenverordnung (ArbstättV) festgelegt. Daran muss sich die Stadt nun orientieren und prüfen, ob der Bau eine Kita auf dem Dach des Parkhauses tatsächlich umsetzbar ist.
Barrierefreiheit auf dem Parkhausdach?
Die CSU äußert zu den baulichen Voraussetzungen Bedenken hinsichtlich der Zugänglichkeit: Aufgrund der vielen Etagen und Treppen sei die Kita schwer erreichbar. Zwar könne ein Aufzug Abhilfe schaffen, dieser sei aber „für Kindergruppen unpraktisch und wenig kindgerecht“.
Auf Nachfrage der filter-Redaktion verweist die Stadt Regensburg zu diesem Statement der Partei ausschließlich auf die Barrierefreiheit: „Innerhalb der Kindertageseinrichtung ist eine barrierefreie Gestaltung der Räumlichkeiten sicherlich möglich und wird gemeinsam mit den Architekten geprüft und umgesetzt. Der Zugang zur Einrichtung wird über einen Aufzug erschlossen und ist somit ebenfalls erreichbar.“
Gleiches Konzept, anderes Dach
Während sich die CSU nach wie vor gegen den neuen Kita-Standort sträubt, äußert sich der Oberbürgermeisterkandidat der SPD mit klaren Worten. Er versteht den Gegenwind der Partei nicht: „Auch aus den Reihen derer, die im Stadtrat eine Kindertagesstätte auf dem Dachauplatz-Parkhaus ablehnen, habe ich in den letzten Jahren keine alternativen Vorschläge wahrgenommen. Im Gegenteil: Da wurde stattdessen immer wieder gefordert, dass für ausreichend viele wohnort- oder arbeitsplatznahe Kita-Plätze zu sorgen sei“, sagt Dr. Burger.
Als konkrete Alternative schlägt die Oberbürgermeister-Kandidatin der CSU jetzt ein anderes Dach vor: Nämlich das des künftigen Parkhauses am Unteren Wöhrd: „Ich frage mich, weshalb man die Kita dann nicht wenigstens dort aufs Dach baut? Das wäre erstens eine schönere Gegend als der Dachauplatz. Es wäre zweitens viel günstiger, bei einem Neubau eine Kindertageseinrichtung einzuplanen als ein bestehendes Parkhaus aufzustocken. Und drittens, das Parkhaus am Unteren Wöhrd hätte wenigstens noch die Donau und ein bisschen Grün vor der Tür.“
„Wolke 10“ – Nürnberg wird zum Vorbild
Dr. Burger verweist bei seiner Argumentation für eine Kindertageseinrichtung auf dem Dach des Dachauplatz-Parkhauses auf die Stadt Nürnberg. Dort gebe es seit 2015 eine Kita mit dem Namen „Wolke 10“ auf dem zehnten Deck eines Parkhauses an der Ecke Bulmann-/Wölckernstraße in der Südstadt. „In einem kürzlichen Gespräch mit dem ehemaligen Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly habe ich erfahren, dass es auch dort Reaktionen wie Geht nicht gab und die Planungen auf reichlich Skepsis stießen – inzwischen aber unter anderem eine Oase in luftiger Höhe, in der die Stadtgeräusche nahezu verstummen und das Hupen der Autos wie aus weiter Ferne klingt, entstanden ist: Ein grünes Parkdeck eben“, erklärt er.
Wie geht es jetzt weiter?
Wie es mit der Planung zur Kindertageseinrichtung auf dem Dach des Parkhauses am Dachauplatz weitergeht, ist derzeit noch unklar. Aktuelle Informationen zum Thema finden Sie fortlaufend auf www.regensburger-nachrichten.de.
Ein Report von Sarah Solleder I filterMagazin