Viele Menschen in Regensburg fühlen sich am Bahnhof nicht mehr sicher. Vor einigen Jahren stieg die Kriminalität dort deutlich an, die Polizei reagierte mit Gegenmaßnahmen. Doch eine Umfrage zeigt: Noch immer meiden viele das Gebiet – auch die Innenstadt gilt zunehmend als unsicher. Wie groß ist die Gefahr wirklich – und was sagen Polizei, Stadt und Politik?
Ein junger Mann lehnt seinen Kopf gegen die Anzeigetafel am zentralen Busbahnhof und versucht offensichtlich, Halt zu finden. Am Bussteig torkelt ein älterer Herr, der geistig abwesend wirkt. Er überquert die Straße, ohne auf querende Busse zu achten. Im Stadtpark schreit eine Frau in übermäßiger Lautstärke andere Personen aus ihrer Gruppe an. Sie pöbelt keine fremden Menschen an, trotzdem entsteht ein Gefühl von Unbehagen.
Zwischen diesen Szenen warten Menschen auf den Bus, einige Frauen wirken verunsichert, andere wenden den Blick bewusst ab. Diese Beobachtungen an einem Tag im August 2025 stehen exemplarisch für das, was sich täglich rund um den Regensburger Bahnhof abspielt. Zerbrochene Glasflaschen liegen auf dem Boden, vereinzelt sind Fäkalien zu sehen – ein Bild, das sich zunehmend auch in der Innenstadt zeigt.
Immer mehr Menschen meiden mittlerweile das Gebiet um den Regensburger Bahnhof. Doch wie unsicher ist es dort aktuell tatsächlich – geht es vor allem um ein Gefühl oder spiegeln die Statistiken die Sorgen der Menschen wider? Hat sich die Lage nach dem drastischen Anstieg im Jahr 2023 wirklich entspannt oder verlagern sich die Probleme nun in die Innenstadt? Und vor allem: Wann werden sich die Menschen in Regensburg wieder sicher fühlen?
Wir haben mit Bürgerinnen und Bürgern, der Polizei, der Stadt Regensburg sowie den Oberbürgermeister-Kandidaten von CSU und SPD über die Lage gesprochen – und auch darüber, warum man genau hinschauen muss: Denn nicht alle, die sich im Bahnhofsviertel aufhalten, sind gefährlich.
So steht es um die Sicherheit am Bahnhof
Vor über zwei Jahren wurde bekannt, dass die Kriminalität im Bereich des Regensburger Bahnhofs sowie des angrenzenden Areals – in der Albertstraße, am Interims-ZOB (Zentralen Omnibusbahnhof) sowie im Bereich der Fürst-Anselm-Allee und am Milchschwammerl – drastisch angestiegen ist. Die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2023 zeigte, dass die Straftaten im Bahnhofsviertel im Vergleich zum Vorjahr um 44,5 Prozent angestiegen waren – auf 1.081 Fälle. Daraufhin wurde die behördenübergreifende Gruppe „Gemeinsam stark für Regensburg“ gebildet. Sie ermöglicht eine enge Zusammenarbeit zwischen der Regierung der Oberpfalz, der Stadt Regensburg, dem Landgericht und Amtsgericht Regensburg, der Staatsanwaltschaft, der JVA, der Bundespolizei Waldmünchen, dem Polizeipräsidium Oberpfalz, dem Landesamt für Asyl- und Rückführungen und der Universität Regensburg. Seither wurden bereits verschiedene Maßnahmen ins Leben gerufen, darunter:
- Ausweitung der Videoüberwachung im und um den Bahnhof
- Mehr Beleuchtung, insbesondere im direkt an den Bahnhof angrenzenden Fürst-Anselm-Park
- Rückschnitt von Sichtbarrieren wie Bäumen oder Sträuchern
- Verstärkte Kontrollen, um den Drogenhandel einzudämmen
- Vermehrter Einsatz ansprechbarer uniformierter Kräfte

© erstellt durch das Polizeipräsidium Oberpfalz
„Wir haben noch Vieles vor uns“
Laut Polizeivizepräsident Robert Fuchs zeigen die Maßnahmen bereits Wirkung. Dennoch berichten sowohl die Bundespolizei als auch die Landespolizei von nach wie vor hohen Fallzahlen an Gewalt- und Rohheitsdelikten. Auch der Drogenhandel stellt weiterhin ein Problem dar. Der Polizeivizepräsident mahnte: „Wir haben viele Entwicklungen positiv beeinflusst – aber auch noch Vieles vor uns.“

© erstellt durch das Polizeipräsidium Oberpfalz
Im Bereich der Sexualdelikte ist im Stadtgebiet Regensburg ein deutlicher Anstieg der Fallzahlen um 38,4 Prozent auf 285 Delikte zu verzeichnen. Im Vergleich zu den Zahlen aus dem Jahr 2020 ergibt sich sogar eine Steigerung um 73,8 Prozent. Polizeivizepräsident Fuchs betont gleichzeitig, dass die „Anstrengungen aller beteiligten Behörden, insbesondere in der Schwerkriminalität (Raub, Sexualdelikte),“ bereits Wirkung zeigen würden. Ohne diese Interventionen wären die Zahlen heute vermutlich noch deutlich höher.
Anteil an Tunesiern immer noch überdurchschnittlich – Burger mahnt vor Vorurteilen
Nach wie vor sei der überproportional hohe Anteil an tunesischen Tatverdächtigen auffällig, beschreibt das Polizeipräsidium Oberpfalz: „Bei einem Bevölkerungsanteil von lediglich 0,11 Prozent verübten diese rund 11 Prozent der erfassten Straftaten.“ Bis zum heutigen Tag wurden bislang 121 tunesische Staatsangehörige abgeschoben, von denen sich 120 zuvor in Haft befanden. Zudem konnten über 100 Verurteilungen vollstreckt werden. Dr. Thomas Burger, Oberbürgermeister-Kandidat der SPD, begrüßt, dass „besonders problematische Personen abgeschoben werden konnten“, warnt jedoch gleichzeitig davor, dies als grundsätzliches Migrationsproblem zu vereinfachen. „Hier reisen meist bereits ,präparierte‘ Menschen aus bestimmten Regionen mit von Haus aus bekannter fehlender Bleibeperspektive für kriminelle ,Geschäftsmodelle‘ ein“, so Dr. Burger. Leider würden diese internationalen kriminellen Strukturen ungerechtfertigterweise oftmals ein schlechtes Licht auf Asylsuchende werfen, die im Allgemeinen nicht für eine überdurchschnittliche Kriminalitätsbelastung verantwortlich seien.
Gewaltkriminalität (unabhängig vom Herkunftsland)

© erstellt durch das Polizeipräsidium Oberpfalz
Die statistische Auswertung (siehe S.7) der Bundespolizei Waldmünchen bezieht sich auf das Areal im Bahnhof, nicht auf das Umfeld. Hier zeichnet sich ebenfalls nicht gerade ein Bild, das aufatmen lässt. Von 2023 auf 2024 haben sich die Zahlen sogar noch einmal verschlechtert. Sollte sich die zur Jahresmitte 2025 erkennbare Entwicklung fortsetzen, würde dies einen Rückgang der Straftaten um 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeuten.

© erstellt durch die Bundespolizeiinspektion Waldmünchen
Studie zeigt: 85 Prozent fühlen sich am Bahnhof nicht sicher
Ende des vergangenen Jahres startete die Universität Regensburg eine breit angelegte Umfrage zum Sicherheitsempfinden rund um den Bahnhof, an der sich über 2.000 Bürgerinnen und Bürger beteiligten. Die Studie zeigt: Ganze 85 Prozent der Befragten fühlen sich im Bahnhofsareal unsicher oder sehr unsicher. Im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern bestätigt sich dieses Empfinden: Viele sprechen von „zwielichtigen Gestalten“, die sich im Bahnhofsbereich aufhalten würden, und berichten, dass sie die Gegend um den Bahnhof meiden würden.
Aus der Studie geht gleichzeitig hervor, dass ein Großteil der Befragten die bisherigen Maßnahmen der Arbeitsgruppe für sinnvoll und zielführend erachtet.
Polizeivizepräsident Fuchs kündigt zudem an, verbleibende Handlungsfelder (dunkle Bereiche) – etwa rund um das Peterskirchlein – gezielt weiter zu analysieren.

Passage der Maximilianstraße in Regensburg. © filterVERLAG
Drückt die Angst die Kauflaune?
Die Unsicherheit rund um den Bahnhof beschäftigt auch den Einzelhandel. „Es wäre unrealistisch zu behaupten, dass es keinerlei problematische Vorfälle gibt“, sagt etwa Maxi Frank, Centermanagerin der Regensburg Arcaden, mit Blick auf die aktuelle Sicherheitslage. „Wie in jedem großen Einkaufszentrum gibt es auch bei uns vermehrt Vorfälle wie Diebstähle – das ist leider Teil des Alltags.“
Sie lobt aber auch die Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung und nennt unter anderem die Installation einer erweiterten Videoüberwachung mit insgesamt 32 Kameras an 19 Standorten im Bereich des Bahnhofs sowie eine verstärkte Präsenz durch Reiterstaffeln, Diensthundeführer und Zivilstreifen. „Laut Angaben des Innenministeriums zeigen diese Maßnahmen erste positive Effekte, dennoch bleibt das subjektive Sicherheitsgefühl in Teilen der Bevölkerung weiterhin angespannt“, erklärt sie.
Deshalb arbeiten die hauseigenen Sicherheitskräfte zusätzlich eng mit der Polizei zusammen. Ziel sei es, schnell und effektiv zu reagieren und den Besucherinnen und Besuchern ein sicheres Einkaufserlebnis zu bieten: „Wir setzen uns dafür ein, die Kriminalität aus dem Center fernzuhalten.
Bei Vorkommnissen greifen wir konsequent durch – unter anderem auch mit Hausverboten, wenn es erforderlich ist. Unsere Security sorgt mit hoher Präsenz und Aufmerksamkeit dafür, dass sich das Sicherheitsgefühl in den Arcaden spürbar verbessert hat“, schildert die Centermanagerin.
Ob und wie sich das Sicherheitsgefühl direkt auf das Kaufverhalten auswirkt, lasse sich laut Frank nicht eindeutig messen. „Was wir aber sagen können: Unsere Besucherinnen und Besucher kommen weiterhin gerne in die Regensburg Arcaden.“ Ein Blick auf das vergangene Jahr zeigt, dass die Kundenfrequenzen sogar gestiegen sind.
Verlagert sich die Kriminalität in die Innenstadt?
Ein Eindruck, der sich in letzter Zeit verstärkt, ist, dass sich die Kriminalität zunehmend in die Innenstadt verlagert. Im Gespräch mit der filter-Redaktion erzählen mehrere Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel, dass sie in der Innenstadt immer öfter von Menschen angesprochen werden würden, die ihrer Meinung nach Teil von Bettlerbanden seien. Der Kommunale Ordnungsdienst (KOS) stellt jedoch klar, dass er keine Zunahme der Bettleraktivitäten in letzter Zeit feststellen könne, „lediglich in der Vorweihnachtszeit“ – und ergänzt: „Betteln in Regensburg ist nicht grundsätzlich verboten. Einzig aggressives, gewerbsmäßiges Betteln oder das Betteln mit Kindern oder Hundewelpen wird vom KOS konsequent geahndet und unterbunden.“
Das Polizeipräsidium Oberpfalz teilt zudem mit, dass kein neuer Kriminalitätsschwerpunkt in der Regensburger Innenstadt bekannt sei. Anders empfindet das Dr. Astrid Freudenstein, Oberbürgermeister-Kandidatin der CSU. Sie beschreibt, dass viele Menschen sich unsicher fühlen würden und findet: „nicht ganz zu Unrecht, es passiert ja tatsächlich einiges. Wir haben dort mit Kriminalität und Drogenhandel zu kämpfen.“
Sorgenkinder Neupfarrplatz und Obermünsterviertel
Ein weiterer Ort, den viele mit Sorge betrachten, ist der Neupfarrplatz. „Dort hat sich die Situation in dem einen Jahr, in dem der Kaufhof mittlerweile geschlossen ist, extrem verschlechtert. Es findet eine gewisse Verwahrlosung des öffentlichen Raumes statt. Die Geschäfte und Anwohner rund um den Neupfarrplatz leiden darunter.“, beschreibt Dr. Freudenstein.
Dr. Burger sieht die Maximilianstraße besonders betroffen und begründet dies auch mit der Verbesserung der Sicherheitslage rund um den Bahnhof. Kriminelle Aktivitäten verlagern sich nämlich teilweise in Gebiete, die weniger stark überwacht sind.
Das Obermünsterareal ist ein weiteres Sorgenkind: „Im ‚Club-Viertel‘ drängen sich nachts besonders viele Menschen auf engem Raum“ – ein Eindruck, den Dr. Burger bei einer Polizeinachtschicht selbst gewann und der seiner Ansicht nach das besondere Engagement der Einsatzkräfte deutlich macht.
Auch in der Schwarze-Bären-Gasse, direkt vor der „Netto City“-Filiale, halten sich häufig Menschen auf, die obdachlos sind oder offensichtlich alkoholisiert. Verschiedene Sitz- und Stehgruppen prägen das Straßenbild und schaffen eine eigenständige Szene. Sie sind meist unter sich, wirken nicht unfreundlich – dennoch kann ihre Präsenz bei Passanten ein Gefühl der Unsicherheit hervorrufen. Der Kommunale Ordnungsdienst der Stadt (KOS) bestätigt, dass ihm die Lage vor Ort bekannt sei.

© erstellt durch das Polizeipräsidium Oberpfalz
Die Grafik zeigt, dass sich die Anzahl der Körperverletzungsdelikte im gesamten Regensburger Stadtgebiet erhöht haben. Speziell im Bereich Innenstadt zeichnet sich hier aber sogar ein Rückgang um 6,8 Prozent ab.
Fäkalien und zerbrochene Glasflaschen – künftig Teil des Stadtbilds?
Neben Straftaten kommt es auch zu weniger bedrohlichen Situationen, die dennoch das subjektive Sicherheitsgefühl beeinflussen. Immer häufiger verrichten Menschen nicht nur das kleine, sondern immer häufiger auch das „große Geschäft“ auf Bahnsteigen, Bürgersteigen oder anderen öffentlich zugänglichen Plätzen, zerbrochene Flaschen bestimmen zunehmend das Stadtbild. Wird so etwas tatsächlich geahndet – oder müssen wir künftig damit leben?
Öffentliches Urinieren oder das Verrichten der Notdurft in der Innenstadt gilt grundsätzlich als Ordnungswidrigkeit. „In gewissen Fällen, insbesondere, wenn das Verhalten als Erregung öffentlichen Ärgernisses gilt (z. B. ungenierte Handlung vor Passanten), kann der Tatbestand einer Straftat erfüllt sein“, ordnet das Polizeipräsidium Oberpfalz ein. Zuständig ist in erster Linie der Kommunale Ordnungsdienst der Stadt (KOS). Die Polizei wird hinzugezogen, wenn eine Straftat vorliegt oder ein unmittelbares Eingreifen erforderlich ist.

Zerbrochene Glasflaschen bei einer bank im Stadtpark. © filterVERLAG
Mögliche Sanktionen und Grenzen des KOS
Aufgrund der bereits bekannten Problematik kontrollieren Streifenwagen des KOS regelmäßig die Innenstadt. Eine dauerhafte Überwachung sei jedoch aufgrund der Vielzahl weiterer Aufgaben nicht möglich. Der KOS ist für das komplette Stadtgebiet zuständig, einschließlich der 150 Grünanlagen und 200 Spielplätze, und besteht aus 15 Vollzugsbediensteten. „Um Verstöße ahnden zu können, müssen die Vollzugsbediensteten des KOS diese selbst beobachten“, erklärt die Stadt. Privatpersonen können alternativ Anzeige beim Rechtsamt der Stadt Regensburg oder direkt beim Ordnungsdienst stellen, müssen sich dafür aber als Zeugen bereit erklären.
Das Verrichten des „großen Geschäfts“ gilt in mehrfacher Hinsicht (Müll, Belästigung der Allgemeinheit etc.) als Ordnungswidrigkeit und wird mindestens mit einer gebührenpflichtigen Verwarnung in Höhe von 35 Euro geahndet.
Auch das Zerbrechen von Glasflaschen gilt als Ordnungswidrigkeit. Kann der KOS den Verstoß unmittelbar beobachten, wird eine Verwarnung ausgesprochen, die bei 15 Euro beginnt. Im Falle von Schreien und Lärmen einzelner oder ganzer Personengruppen kann nur dann eine Maßnahme erfolgen, wenn die Quelle eindeutig identifiziert werden kann und Zeugen vorhanden sind. „Die vielfach in den Nachtstunden herumziehenden und grölenden Partygäste werden immer, auch präventiv, durch den KOS angesprochen und aufgefordert, auf die Anwohnenden Rücksicht zu nehmen“, so die Stadt.
Stellt der KOS fest, dass Personen belästigt werden, schreitet er unmittelbar ein. Ob es sich lediglich um eine Ordnungswidrigkeit oder bereits um eine Straftat handelt – etwa Beleidigung oder Körperverletzung – hängt vom Einzelfall ab. In letzterem Fall wird die Landespolizei hinzugezogen. Bei allen genannten Verstößen spricht der Au¬ßendienst des KOS in der Regel einen zeitlich und örtlich begrenzten Platzverweis aus.
Unabhängig von der Art des Delikts kann jederzeit die Polizei unter 110 verständigt werden.
Wenn Personen nicht über genügend Geld verfügen, um das Bußgeld zu begleichen – etwa im Fall von obdachlosen Menschen oder Jugendgruppen – werden laut Polizei die finanziellen Möglichkeiten berücksichtigt. In der Regel wird zunächst eine Ratenzahlung ermöglicht. Kann auch diese nicht geleistet werden, kann eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt werden.
Gefühlte Gefahr
Trotz zahlreicher Kontrollen und Maßnahmen bleibt bei vielen ein mulmiges Gefühl. Doch warum empfinden die Menschen die Stadt heute als unsicherer?
Obwohl Dr. Burger die Wichtigkeit betont, die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen, warnt er gleichzeitig vor „populistischem Bashing“ und „pauschalem Schlechtreden“. So befürchten einige, dass die bewusste Hervorhebung einzelner Vorfälle und das Schüren von Ängsten einen Negativkreislauf auslösen: Statt den Bahnhof durch ihre Präsenz zu beleben, meiden Menschen ihn – dabei könnte gerade diese Belebung kriminelle Aktivitäten eindämmen. Für Dr. Burger ist wichtig, die Situation weder schönzureden noch Ängste einfach wegzureden. Auch Vorfälle wie ‚Grabschen‘ dürften nicht verharmlost werden.
Als weiteren Grund für ein getrübtes Sicherheitsgefühl nennt er auch ein scheinbar „ungewohntes Verhalten von Menschen, die beispielsweise eine andere Art der Kommunikation oder Auseinandersetzung als hierzulande üblich gewohnt sind. Hier können – und das kenne ich auch aus eigener Erfahrung – sogar eigentlich unbedenkliche Situationen bedrohlich wirken.“
Dr. Freudenstein hält fest: „Wir haben einige ganz ungute Ecken, wo man sich selbst am helllichten Tag nicht wohl fühlt. Da sind schon tagsüber oft junge Männer, die in Gruppen beieinander stehen und offensichtlich nichts Vernünftiges zu tun haben. Das macht vielen Menschen Angst.“ Gleichzeitig erläutert sie, dass der Bahnhof in fast allen Großstädten der Ort sei, an dem sich alleinstehende, oft einsame Suchtkranke tagsüber aufhalten würden. „Solche Menschen haben auch wir in Regensburg, und zwar eigentlich schon immer. Wir kennen sie und kümmern uns auch um sie.“

Reges Treiben in der Regensburger Innenstadt. © filterVERLAG
„Diese Bahnhofs-Leute sind vielleicht nicht die tollste Erscheinung, aber harmlos“
Die OB-Kandidatin der CSU kritisiert, dass bei der Bahnhofsdiskussion häufig einiges vermischt werde: „Sozialarbeit, Obdachlosen- und Suchthilfe sind das eine. Kriminalität, Drogenhandel und Belästigung sind ein ganz anderes Thema.“, betont sie. Die Bahnhofs-Leute seien vielleicht nicht die tollste Erscheinung, aber harmlos: „Für sie haben wir die Bahnhofsmission als verlässliche Anlaufstelle, und wir betreuen sie durch unsere Streetworker. Wir kennen unsere Draußen-Schläfer in der Regel und unsere Streetworker kontaktieren sie auch.“ Für all diese Bereiche gebe die Stadt Regensburg jedes Jahr Millionenbeträge aus.
Hier trifft sie einen wichtigen Punkt: Es muss ganz klar zwischen denjenigen unterschieden werden, die Straftaten verüben und denen, die aufgrund persönlicher Schicksale auf der Straße leben. Letztere sind Teil unserer Gesellschaft und haben wie alle anderen das Recht, sich in der Innenstadt aufzuhalten, solange sie friedlich mit ihren Mitmenschen umgehen. „Regensburg ist eine offene und vielfältige Stadt, auch Obdachlose können und dürfen sich im Stadtraum aufhalten und bewegen, dies muss eine tolerante Stadtgesellschaft aushalten“, so formuliert es auch der KOS auf Anfrage. Sollte es aber zu Ordnungswidrigkeiten kommen, würde der Außendienst des KOS diese konsequent ahnden.
Die Meinungen der Bürgerinnen und Bürgern sind geteilt: Während die einen die zunehmende Zahl der Obdachlosen in der Stadt durchaus als störend empfinden, sehen andere darin kein Problem: „Solange sie nichts tun, können sie doch da bleiben“, so eine der Befragten.
Welche innovativen Ideen und Ansätze gibt es noch?
Auf die Frage, welche zusätzlichen Maßnahmen das Sicherheitsgefühl stärken könnten, spricht sich Dr. Burger für eine Ausweitung bestehender Hilfen aus: „Ich würde gerne den Streetworker-Einsatz und ähnliche Hilfsangebote vor Ort – wie zum Beispiel das mobile Angebot der Rengschburger Herzen im Bereich der Albertstraße oder anderer Organisationen wie der Caritas oder der Stadt selbst – weiter ausbauen. Dies kann eine Verstärkung der Förderung von entsprechendem Personal bedeuten oder auch eine Unterstützung durch Räumlichkeiten.“ Er sei der Überzeugung, dass die Streetworker Menschen mit Unterstützungsbedarf in besonderer Weise auf Augenhöhe begegnen würden und damit häufig einen anderen Zugang als „die Stadt“ oder „das Amt“ zu diesen hätten.
An Orten mit besonderer Belastung wie dem „Club Viertel“ findet er eine verstärkte Präsenz von Polizei und KOS sowie einen intelligenten Einsatz von Videoüberwachung zu bestimmten Zeiten sinnvoll. Das könne ein schnelles Eingreifen ermöglichen und somit auch auf andere potenzielle Täterinnen und Täter abschreckend wirken.
Für strengere Abschieberegelungen im Fall von Straftätern spricht sich wiederum Dr. Freudenstein aus: „Wer mit Drogen handelt, Frauen belästigt oder Menschen bestiehlt, ist ein Fall für Polizei und Justiz. Und wenn es Leute sind, die hier kein Schutz- oder Aufenthaltsrecht haben, müssen sie das Land schleunigst verlassen. Da tut sich jetzt schon einiges auf höheren politischen Ebenen und das hilft uns auch in Regensburg.“
Tipps, um das persönliche Sicherheitsgefühl zu stärken
Am Bahnhof gibt es Situationen, die direkt gefährlich sein können, etwa Bedrohungen oder Belästigungen. Daneben erleben viele Menschen Momente, in denen sie sich einfach unwohl fühlen – zum Beispiel durch seltsame Blicke oder hinterhergerufene Bemerkungen. Auch die öffentliche Berichterstattung kann das allgemeine Sicherheitsgefühl zusätzlich beeinflussen. Sicherheitsexperten empfehlen, in solchen Situationen selbstbewusst aufzutreten, da dies potenziell abschreckend wirkt. Ebenso wichtig ist es, auf das eigene Bauchgefühl zu hören: Wer eine Situation als unangenehm empfindet, sollte den Bereich möglichst schnell verlassen und belebtere Gebiete aufsuchen. Kommt es zu Belästigungen oder Bedrohungen, raten Fachleute, laut und deutlich auf sich aufmerksam zu machen – so wird die Umgebung sensibilisiert und Hilfe kann schneller erfolgen. Zudem sollte im öffentlichen Raum immer ein wachsamer Umgang mit Wertgegenständen erfolgen, das trägt nicht nur zum individuellen Sicherheitsgefühl bei, sondern kann Taschendiebstähle tatsächlich verhindern.
Wann können wir uns wieder sicher fühlen?
Wann sich die Menschen am Regensburger Bahnhof wieder richtig sicher fühlen können, lässt sich nicht genau beantworten. Klar ist aber, dass einige Maßnahmen bereits Wirkung zeigen. Noch wichtiger: Die Polizei und andere Institutionen sind sich des Problems bewusst.
Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das: Vorsicht, aber keine Angst. Der Weg zu einem sicheren und belebten Bahnhof ist noch lang, doch jeder Schritt zählt. Vielleicht braucht es keine Perfektion, sondern spürbare Normalität. Denn ein Bahnhof ist wohl nirgends in Deutschland eine Wohlfühl-Oase, aber es sollte ein Ort sein, an dem sich die Menschen zu jeder Zeit mit einem guten Gefühl aufhalten können.
Eine Reportage von Marina Triebswetter I filter Magazin