Deutschlands Wirtschaft schwächelt – und plötzlich steht die Arbeitsmoral zur Debatte. Vor allem die Generation Z gerät in die Kritik: kein Bock oder berechtigte Ansprüche? Zwischen Vorurteilen und Fakten zeigt sich: Der Wandel der Arbeitswelt ist komplexer als gedacht.
„Wir müssen alle mehr arbeiten“ – so tönt es derzeit laut und deutlich aus Berlin. Seit Jahren dümpelt das Bruttoinlandsprodukt des Landes am unteren Ende vor sich hin. Auch Wirtschaftsverbände schlagen Alarm, denn im europäischen Vergleich ist Deutschland weit abgeschlagen und viele große Unternehmen bauen Stellen ab. Die Bundesregierung plant große Investitionspakete, Steuererleichterungen und den Abbau von Bürokratie, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Doch auch die Bevölkerung soll ihren Teil beitragen.
Ein Thema, das in diesem Zusammenhang viel diskutiert wird und die Gemüter sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite erhitzt, ist die sinkende Arbeitsmoral, vor allem bei der jüngeren Generation. Gen Z – also die Jahrgänge 1997 bis 2012 – habe „Null Bock“ auf Arbeit und denke nur an „Work Life Balance“, so viele der frustrierten Unternehmer. Doch stimmt das wirklich oder wird den jungen Mitarbeitern mit solchen Aussagen Unrecht getan?
Deutsche machen Dienst nach Vorschrift
Studien wie etwa der Gallup Engagement Index 2024 belegen, dass sich der Frust der Arbeitnehmer durch alle Altersschichten zieht. Die jährliche, deutschlandweite Umfrage des international tätigen Analyse- und Beratungsunternehmens gilt als einer der wichtigsten Indikatoren für die Arbeitszufriedenheit, Motivation und Produktivität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland. Laut dieser Studie verzeichnen 78 Prozent der Arbeitnehmer eine mangelnde emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen, sind unmotiviert und machen lediglich „Dienst nach Vorschrift“. Berechnet man Fehlzeiten, Fluktuation und geringe Leistungsbereitschaft ergibt sich für die deutsche Wirtschaft ein jährlicher Produktivitätsverlust zwischen 113,1 und 134,7 Milliarden Euro – dies entspricht rund einem Viertel des diesjährigen Bundeshaushalts.
Parallel zum Anstieg des Produktivitätsverlustes befindet sich die Mitarbeiterloyalität im freien Fall. Nur 50 Prozent der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern planen, in einem Jahr noch in ihrem derzeitigen Unternehmen zu arbeiten – ein Rückgang von 28 Prozent im Vergleich zum Jahr 2018.
Mangelnde Führungskompetenzen als Wirtschaftskiller?
Banken- und Finanzkrise im Jahr 2008. Unter dieser Voraussetzung steht der Wunsch nach der eigenen finanziellen Sicherheit meist vor der Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber.
Doch die schlechte Situation ausschließlich auf die Corona-Pandemie zu schieben, wäre falsch, denn laut der Gallup-Studie sehen Mitarbeiter schlechte Führung als zentrale Ursache für ihr fehlendes Engagement. Hierin liegt eine große Gefahr, denn der hohe Fachkräftemangel befeuert diese Situation zusätzlich. So wurden im vergangenen Jahr 33 Prozent der befragten Beschäftigten von Headhuntern kontaktiert – ein neues Rekordhoch. Für Unternehmen ist es also wichtiger als je zuvor, das Vertrauen ihrer Mitarbeiter zu festigen und sie möglichst langfristig an das Unternehmen zu binden. Denn die Gallup-Studie stellt auch fest, dass Mitarbeiter, die sich stark mit ihrem Unternehmen identifizieren, nicht nur länger bleiben, sondern auch wesentlich produktiver sind, sich für dessen Erfolg persönlich verantwortlich fühlen und im Schnitt 2,9 Fehltage weniger pro Jahr verzeichnen. Firmen sollten daher zum einen verstärkt auf die Fortbildung ihrer Mitarbeiter, und zum anderen auf die Weiterbildung ihrer Führungskräfte setzten, denn nicht jeder erfolgreiche Mitarbeiter bringt automatisch gute Führungsqualitäten mit. Doch genau das wird oft von Angestellten, die von ihrer Rolle als Teil eines Teams zur Leitung eines Teams aufsteigen, erwartet. Glücklicherweise scheint diese Botschaft in einigen Unternehmen angekommen zu sein. So haben im vergangenen Jahr sechs von zehn Führungskräften an Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, doch Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen. Mitarbeiter wünschen sich nicht nur eine Arbeit, die ihre Rechnungen bezahlt, sondern auch eine Tätigkeit, die sie inspiriert und aktiv ins Geschehen einbindet. Ein positives Arbeitsumfeld kann viel dazu beitragen, dieses Gefühl zu vermitteln.
Generationen im Wandel
Führungskräften die alleinige Verantwortung zuzuschieben ist jedoch zu kurz gedacht. Schließlich erwirtschaften gerade mittelständische Familienbetriebe mit Abstand die höchste Wirtschaftsleistung, beschäftigen die meisten Mitarbeiter und bilden die größte Anzahl an jungen Menschen aus. Viele der Unternehmen wurden vor vielen Jahrzehnten gegründet, haben sich erfolgreich durch schwere Zeiten manövriert und gelten seit Generationen als wichtige Arbeitgeber in ihren Gemeinden – eine Leistung, die ohne harte Arbeit, Verzicht, Innovation und Unternehmergeist nicht zu stemmen gewesen wäre. Diese Tugenden wurden nicht zuletzt durch die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt, in denen Deutschland aus Schutt und Asche zur drittgrößten Wirtschaftsnation der Welt aufgebaut wurde. Eine unglaubliche Leistung der Nachkriegsgenerationen, ohne die Deutschland heute sicher ein anderes Land wäre. Doch die Generation der Babyboomer mit ihrer vorbildlichen Arbeitsmoral zieht sich nach und nach aus dem Arbeitsleben zurück. Nun drängt Generation Z auf den Markt, doch ihr werden genau diese Kompetenzen und Tugenden abgesprochen. Sie gelten als wenig belastbar, zu anspruchsvoll und realitätsfern.
Doch sind junge Menschen heutzutage wirklich arbeitsscheu oder erleben sie die Welt nur mit ganz anderen Augen?
GEN Z ist mehr, als man ihr zutraut
Entgegen der weitläufigen Meinung belegt der Mikrozensus der Bundesagentur für Arbeit (BA), dass die Erwerbsbeteiligung der Generation Z so hoch ist, wie seit Mitte der 90er- Jahre nicht mehr. In 2023 gingen 75,9 Prozent der 20- bis 24-Jährigen einer Tätigkeit nach. Zur selben Zeit stieg auch der Anteil der Studierenden. Mehr Studenten als je zuvor haben Nebenjobs, um sich ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Hohe Lebenshaltungskosten bereiten ihrer Generation große Sorgen. Daher legen Sie Wert auf Sicherheit am Arbeitsplatz, ein hohes Einkommen und gute Aufstiegsmöglichkeiten. Gleichzeitig suchen sie jedoch auch – weit mehr als die Generationen vor ihnen – nach Erfüllung in ihrem Beruf und der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit. Was man in der Debatte nicht vergessen sollte, ist, dass Gen Z von völlig anderen Lebensumständen geprägt wurde als die Generationen vor ihnen. Soziale Medien sind fester Bestandteil ihres Lebens, eine Zeit davor haben sie nie erlebt. Das Großwerden in einer zunehmend virtuellen und interaktiven Welt hat unweigerlich Auswirkungen auf ihre soziale Prägung, ihr Konsumverhalten und ihr gesamtes Weltbild. Während der Corona-Krise fiel ihre Generation weitgehend durchs Raster. Geschlossene Schulen, Kontaktverbote, abgesagte Klassenfahrten und Abschlussbälle, Einsamkeit und mangelndes Verständnis für ihre Situation haben Spuren hinterlassen. Der Wunsch nach persönlicher Entfaltung ist groß. Auf der Suche nach dieser Erfüllung scheuen sie sich daher nicht, ihren Wünschen Nachdruck zu verleihen oder, bei Bedarf, den Arbeitgeber zu wechseln.
Generationen müssen Brücken bauen
Es ist nicht verwunderlich, dass sich Babyboomer und Generation X (die Jahrgänge von 1965 bis 1980) auf der einen Seite und Gen Z auf der anderen Seite oft mit Unverständnis begegnen. Die konträren Lebenserfahrungen und scheinbar unterschiedliche Arbeitseinstellung bergen jedoch nicht nur Schwierigkeiten, sondern auch Chancen. Die Welt verändert sich heute schneller als je zuvor. Vielen Menschen und Unternehmen fällt es schwer, mit diesem rasanten Wandel Schritt zu halten. Gen Z konnte bereits Smartphones und Tablets bedienen, bevor sie lesen konnte. Durch Künstliche Intelligenz können viele Bereiche heutzutage schneller und effizienter bearbeitet werden. „Work smarter, not harder“ ist hier die Devise. Die technische Affinität ist sicherlich eine der vielen Eigenschaften, die junge Menschen in Unternehmen einbringen können. Gleichzeitig sollten sie bereit sein, Tugenden wie Eigenmotivation, Lernbereitschaft und Durchhaltevermögen von den „Alten“ zu übernehmen. Denn diese Eigenschaften haben Deutschland durch viele Krisen geführt und sorgen, trotz Rezession, auch heute noch dafür, dass das Land eines der wichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt ist. Gemeinsam haben alle Generationen die Chance, Deutschland im internationalen Vergleich wieder ganz nach vorne zu bringen – bleibt abzuwarten, ob sie diese auch nutzen.
Kathrin Gnilka I filterMagazin