Ende August lud die Oberbürgermeisterkandidatin der CSU ein Video auf der Plattform Instagram hoch. Sie steht vor dem verlassenen Kaufhof-Gebäude und sagt „Wenn´s nach mir geht, abreißen – und etwas wirklich Gutes für unsere Stadtmitte tun.“ Obwohl sich das Video inhaltlich ausschließlich einem anderen Thema widmet, sorgt der Einstieg für Aufregung – und entfacht eine neue Diskussion über das leerstehende Gebäude am Neupfarrplatz.
Am Mittwoch, den 27. August, veröffentlichte Oberbürgermeisterkandidatin Dr. Astrid Freudenstein (CSU) ein Video auf der Plattform Instagram. Zu sehen ist die Bürgermeisterin selbst, wie sie vor dem ehemaligen Galeria Kaufhof-Gebäude in Regensburg steht. Doch bereits ihre ersten Sätze lösen in der Domstadt erneut eine Debatte aus. Hier äußert sie den Wunsch, dass das Gebäude abgerissen und etwas Neues dafür gebaut werden sollte. Obwohl bereits kurze Zeit später das Video thematisch eine andere Richtung einschlägt, ist die Debatte rund um das Galeria-Kaufhof Gebäude am Neupfarrplatz neu entfacht.
„Es wird immer wieder vom Abriss gesprochen“
Nachdem sich Dr. Astrid Freudenstein in dem Video für einen Abriss des Gebäudes ausgesprochen hatte, meldete sich sofort ein Architekt zu Wort, der das ganz anders beurteilt als die Oberbürgermeisterkandidatin: Johannes Zettel sieht in dem Gebäude das Potenzial, die Altstadt aufzuwerten – mit einem neuen Konzept zur Nutzung des Areals.
Aus diesem Grund hat er eigens eine Petition zum Thema „Prüfung der Umnutzung des Kaufhofs am Neupfarrplatz zu einem zeitgemäßen Event Forum“ auf der Plattform change.org ins Leben gerufen. Sein Ziel: einen Abriss zu verhindern und das Gebäude lediglich umzugestalten. Mittlerweile haben 622 Personen seine Online-Petition unterschrieben, eine konkrete Zahl von Unterschriften will er aber nicht erreichen. „Viel wichtiger ist, dass die Petition so viel Aufmerksamkeit bekommt, dass sich die Stadtpolitik und auch die Eigentümer ernsthaft mit der Idee beschäftigen“, sagt Zettel.
Auslöser für seinen Appell war eine persönliche Erfahrung: Zettels Frau hatte vor zwei Jahren einen internationalen Kongress in Regensburg organisiert, dabei habe sie keine passende Location für das Event gefunden. „Am Ende saßen die Gäste im Jahnstadion in Oberisling, fuhren mit organisierten Bussen am Stadtrand entlang von Dechbetten aus dorthin und haben von unserer Altstadt praktisch nichts gesehen. Für eine Stadt, die sich zu Recht mit dem Titel Weltkulturerbe schmückt, ist das aus meiner Sicht völlig untragbar“, so der Architekt.
Ein zentral gelegener Veranstaltungsort für solche Events sei sowohl für die Unternehmen als auch für die Stadtwirtschaft sehr wichtig. „Zentral, groß, mit allen Vorteilen für die umliegende Gastronomie, die Hotels, den Handel und auch touristisch – denn wer einmal für eine Tagung hier war, kommt vielleicht auch privat wieder“, ist Zettel überzeugt.
Kongresszentrum statt Schandfleck?
Zettel greift damit auch die seit Jahrzehnten andauernde Diskussion über ein Kultur- und Kongresszentrum auf: „Es geht ja nicht um eine Stadthalle für Volksmusik-Fans oder ähnliches, sondern um Räume für qualitativ hochwertige Kabarettisten, Orchester, Klassik, moderne Musik oder eben Unternehmensveranstaltungen. Eine Stadt, die bald die Marke von 200.000 Einwohnern erreicht, muss an dieser Stelle den nächsten Schritt gehen“, sagt er.
Selbstverständlich gibt es in der Domstadt verschiedene Hotels und Kulturstätten, die sowohl Tagungen im kleineren Rahmen als auch Konzerte ermöglichen. Doch Zettel beschränkt sich hier auf Veranstaltungen einer weit anderen Größenordnung.
Auf Nachfrage der Regensburger Nachrichten-Redaktion, ob die Stadt Regensburg offen für seine Vorschläge sei, reagierte der Architekt nur enttäuscht: „Ich habe nicht das Gefühl, dass solche Ideen im Moment ernsthaft auf dem Tableau der Stadt stehen. Es wird immer wieder vom Abriss gesprochen.“
Sind der Stadt die Hände gebunden?
Dr. Astrid Freudenstein (CSU) entgegnet: „Grundsätzlich entscheidet der jetzige oder künftige Eigentümer, was mit dem Gebäude passieren soll. Die Stadt Regensburg könnte einen Abriss ebenso wenig verhindern wie eine Sanierung im Bestand vorschreiben.“
Doch auch im Falle des Erwerbs des Gebäudes durch die Stadt ist noch unklar, ob ein Abriss überhaupt möglich wäre, da das Gebäude teilweise denkmalgeschützt ist „Nur der erhaltene Teil der Alten Wache, also die Fassade mit dem Säulenportikus, ist als Einzelbaudenkmal geschützt. Mit Ausnahme der Alten Wache wäre ein Abbruch also grundsätzlich möglich, müsste aber – ebenso wie eine mögliche Neugestaltung – mit der Denkmalschutzbehörde und dem Welterbekomitee abgestimmt werden“, teilt Katrin Butz, Pressesprecherin der Stadt Regensburg auf Nachfrage mit.
‚Lost Place‘ am Neupfarrplatz
Der Architekt Johannes Zettel möchte mit seiner Petition einen Ideen-Impuls geben, um zu verhindern, dass „es in 30 Jahren noch immer leer steht. Wir haben schon einmal erlebt, wie eine Weltkriegslücke am Donaumarkt 70 Jahre lang ungenutzt blieb. Diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen“, sagt Zettel. Sonst würde ein ‚Lost Place‘ – ein verlassener Ort – direkt am Neupfarrplatz entstehen.
Neubau: Das würde die Innenstadt erwarten
Doch, was würde ein tatsächlicher Neubau im Herzen der Altstadt bedeuten?
Zettel rechnet mit einer Großbaustelle von fünf bis sieben Jahren, mit allen „Belastungen“ für Anwohner, Zufahrten und Touristen.
„Ich glaube, viele Menschen haben beim Thema ‚Umbau‘ das Bild vor Augen, dass der Kaufhof einfach so bleibt, wie er jetzt ist. Das stimmt ja schlichtweg nicht“, sagt Zettel. Mit einer neuen Fassade, einem Lichthof im Inneren, einer durchdachten Planung und Architektur könne aus dem Baukörper etwas völlig Neues entstehen.
„Modern, attraktiv und nachhaltig – Wir müssen lernen, zu unseren ‚Fehlern‘ der 70er-Jahre zu stehen und sie zu verbessern, anstatt sie einfach ausradieren zu wollen“, findet Zettel.
Doch Freudenstein sieht dieses Vorhaben als unrealistisch an: „Eine Revitalisierung solcher Gebäude, also der Versuch, leerstehenden Kaufhäusern neues Leben mit einer anderen Nutzung einzuhauchen, ist extrem schwierig. Es gibt kaum Beispiele, in denen das gelungen ist, da die extrem großen zusammenhängenden Flächen, der energetisch und baulich oft sehr schlechte Zustand und – in unserem Fall – die weitgehende Fensterlosigkeit berücksichtigt werden müssen.“
„Das ehemalige Kaufhof-Gebäude ist für mich ein Symbol“
Der gebürtige Regensburger Zettel sieht die bisherigen Entwicklungen der Domstadt, aber auch gleichzeitig die Stillstände. Jetzt gebe es für ihn die Möglichkeit, zum Beleben der Altstadt beizutragen: „Das ehemalige Kaufhof-Gebäude ist für mich ein Symbol: Wir können es entweder zu einem Schandfleck verkommen lassen oder wegreißen und das Stadtzentrum für ein halbes Jahrzehnt oder noch länger zu einer Baustelle transformieren. Oder wir nutzen es, um die Stadt kulturell, wirtschaftlich und touristisch nach vorne zu bringen“, erklärt Zettel.
Astrid Freudenstein sieht bei dem Konzept dennoch ein großes Problem: „Es bleibt die Schwierigkeit, dass man, um Licht in das Gebäude zu bringen, Teile davon in jedem Fall abreißen muss, etwa um Innenhöfe oder Lichthöfe zu schaffen. Bei der gewaltigen Höhe des Gebäudes bleiben diese Innenhöfe aber trotzdem immer schattig, das heißt, eine lebhafte Begrünung ist kaum möglich.“
Sie habe eine kleinteilige Bebauung im Sinn, dabei stelle sie sich einen Mix aus Handel, Dienstleistung, Gastronomie, Kultur und Wohnen vor. „Wir hätten hier auch die Möglichkeit, endlich etwas Grün und Wasser auf den Neupfarrplatz zu bringen“, sagt die Bürgermeisterin.
Lautstarker Appell an die Regensburger Politik
Adressaten für die Petition sind die Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD), die Stadt und die aktuellen Eigentümer des ehemaligen Kaufhof-Gebäudes. „Ich habe gemerkt: Diese Idee wird von Menschen mit ganz unterschiedlichen politischen Hintergründen unterstützt. Es ist kein parteipolitisches Thema – es ist ein Thema von stadtweiter, ja sogar regionaler Bedeutung, dass für Regensburg, den Landkreis und die gesamte Region Ostbayern relevant ist“, erklärt der Architekt.
Eine offizielle Reaktion der Stadt auf seine Petition gab es bisher nicht – mit dem Hinweis der Stadt, Zettel habe sich noch nicht an die „zuständige Stelle bei der Stadt“ gewandt.
Johannes Zettels Wunsch ist klar: „Ein echter und auch ernstgemeinter Dialog zum Wohle des Neupfarrplatzes und der Stadt – und zwar gemeinsam mit Stadt, Eigentümern und auch hinzuzuziehenden Expertinnen und Experten – wäre ein wunderbarer nächster Schritt.“
Sarah Solleder