Was früher Großeltern konnten, wird heute wieder Kult: Gemüse einlegen, Mikroben wirken lassen – für Geschmack, Gesundheit und Nachhaltigkeit. Warum fermentierte Lebensmittel so spannend sind, erklärt Koch Andreas Meier im Interview.
Trends kommen und gehen, doch die Fermentation ist eine jahrtausendealte Tradition, die bereits in der Jungsteinzeit angewendet wurde, um Lebensmittel haltbar zu machen. Während fermentierte Lebensmittel lange eher in den Vorratskammern vieler Großmütter zu finden waren, erleben sie derzeit vor allem bei jüngeren Menschen verstärkt Aufmerksamkeit. Viele fermentierte Lebensmittel enthalten Probiotika, die für ein ausgewogenes Mikrobiom sorgen sollen. Auch wenn die Deutschen immer dicker werden und Fast Food nach wie vor stark konsumiert wird, steigt bei vielen Menschen das Bewusstsein, sich gesünder und bewusster zu ernähren – die Fermentation spielt dabei eine interessante Rolle. Doch welche Lebensmittel kann man überhaupt fermentieren und wie funktioniert das Ganze? Wir haben mit jemandem gesprochen, der sich darin bestens auskennt – Andreas Meier, Küchenchef und Inhaber des Grünen Guts in Pullenried und leidenschaftlicher Verfechter der regionalen und nachhaltigen Küche.
Fermentieren ist im Moment wieder ein Trend. Für diejenigen, die damit noch nie zu tun hatten: Was versteht man unter Fermentieren?
Fermentieren ist eine herbeigeführte Gärung durch Mikroorganismen. Dadurch wird zum Beispiel Gemüse haltbar gemacht. Das Verfahren gibt es schon seit Jahrtausenden. Ziel war es früher, Lebensmittel über den Winter zu konservieren. Das Gute dabei ist, dass durch Fermentation die Vitamine weitgehend erhalten bleiben.
Was begeistert Sie persönlich am Fermentieren?
Mich fasziniert vor allem der Gedanke, dass man früher mit Hilfe von Fermentation die Winterzeit überbrücken konnte. Damals, als es in der kalten Jahreszeit keine frischen Lebensmittel gab, wurden in Tonfässern Gemüse und andere Vorräte haltbar gemacht und in Steinkellern gelagert. Meine Oma und auch meine Mutter haben das regelmäßig getan. Bei uns zuhause lagern wir bis heute unser selbst angebautes Gemüse als Eingemachtes und Fermentiertes im Keller. So weiß man, woher die Lebensmittel stammen.
Welche Lebensmittel kann man fermentieren?
Viele Lebensmittel lassen sich gut fermentieren – insbesondere Gemüse, Fleisch und Fisch. Fleisch und Fisch werden dafür meist geräuchert oder in Salz- bzw. Essiglake eingelegt. Auch Sauerteigbrot zählt zu den klassischen Fermentationsprodukten. Mit stark verarbeiteten Lebensmitteln funktioniert Fermentation dagegen kaum. Käse, vor allem Frischkäse, eignet sich ebenfalls nicht besonders, da hier andere Prozesse ablaufen: Er kann unkontrolliert weitergären, dabei Druck entwickeln und im schlimmsten Fall Gläser zum Platzen bringen.

Fleisch eignet sich hervorragend zum Fermentieren. © bigstock / YuLan
Welche Ausstattung braucht man, um mit dem Fermentieren zu beginnen?
Am besten benutzt man spezielle Gär- oder Fermentationsgläser. Sauerkrautfässer sind ebenfalls gut geeignet. Wichtig ist, dass man das Gefäß nie ganz verschließt, weil Druck entsteht. Der Deckel wird nur beschwert, sodass nichts hineinfällt. Der beim Fermentieren entstehende Schaum muss regelmäßig entfernt werden.
Wie funktioniert Fermentation und mit welchen Lebensmitteln sollte man als Neuling starten?
Am einfachsten ist es, mit Gemüse zu beginnen. Zum Fermentieren schneidet man das Gemüse in Scheiben, bestreut es mit Salz und lässt es ziehen, bis Flüssigkeit austritt. Danach füllt man es in Gläser. Wenn nicht genug Flüssigkeit vorhanden ist, gießt man abgekochtes, lauwarmes Salzwasser nach. Wichtig ist, dass das Gemüse vollständig bedeckt ist. Ein Zwischendeckel verhindert, dass Teile nach oben steigen – denn dort würden sie verderben. Je nach Gemüse kann die Fermentierung bereits nach wenigen Tagen abgeschlossen sein.
Als Faustregel gilt: pro Kilogramm Gemüse etwa zehn Gramm Salz. Das muss man aber nach Gefühl anpassen. Rote Bete zum Beispiel braucht etwas mehr Salz und sollte dünn geschnitten werden, während Karotten dicker bleiben können. Wichtig ist, dass man ein Gespür für das Verhältnis von Salz und Gemüse entwickelt.
Wie fermentiert man Fleisch?
Man nimmt rohes Fleisch, salzt und zuckert es an. Je nach Belieben kann man Gewürze wie Wacholder oder Lorbeer hinzufügen. Anschließend wird es so in ein Fass gepresst, dass keine Luftlöcher entstehen – denn dadurch würde das Fleisch verderben. Anschließend bedeckt man es mit einem Leinentuch und legt einen Holzdeckel sowie einen schweren Stein zum Beschweren darauf. Jetzt sollte Wasser aus dem Fleisch austreten und steigen. Wenn es über den Deckel reicht, hat man alles richtig gemacht. Wenn es nicht steigt, hat man entweder zu wenig Salz oder zu wenig Zucker verwendet.
Wenn das Fleisch nach ein paar Wochen fertig fermentiert ist, kann es, je nachdem welches Stück verwendet wurde, entweder gebraten oder gekocht werden. Für die Schinkenherstellung wird es meist geräuchert oder nochmal mit Salzlake eingestrichen, um es nachziehen zu lassen. Bei Parmaschinken ist dieses Verfahren typisch. Anschließend wird er luftgetrocknet. Was man auf jeden Fall vermeiden sollte, ist, fertiges Pökelsalz zu verwenden. Das wirkt zwar sehr schnell, ist aber schlecht für unser Verdauungssystem. Besser ist normales Salz, auch wenn der Prozess länger dauert.
Woran erkennt man, ob ein Ferment schlecht geworden ist?
Das merkt man am Geruch. Wenn es zu stark sauer oder stechend riecht, ist es verdorben.
Was sind typische Fehler beim Fermentieren?
Die größten Fehler sind mangelnde Hygiene und falsche Lagerbedingungen. Gläser müssen ausgekocht sein, Hände gewaschen oder Handschuhe getragen werden. Außerdem darf man nicht zu viel oder zu wenig Salz nehmen. Und wichtig: Fermentieren braucht je nach Lebensmittel etwas Zeit. Auch das Lagern bei falscher Temperatur kann problematisch sein: während des Gärprozesses sollte es lauwarm sein, danach kühl und dunkel.
Wie lange sind fermentierte Lebensmittel haltbar?
Kühl und dunkel gelagert – etwa bei vier bis acht Grad – halten sie bis zu zwei Jahre. Allerdings nimmt der Vitamingehalt mit der Zeit ab, deshalb sollte man sie nicht zu lange aufbewahren.

Fermentierte Lebensmittel können gesundheitliche Vorteile mit sich bringen. © unsplash / Monaika Grabkowska
Welche gesundheitlichen Vorteile hat Fermentation?
Fermentierte Lebensmittel unterstützen die Darmflora und können Verdauungsproblemen vorbeugen. Sie können dem Körper helfen, Nährstoffe besser aufzunehmen und so Konzentration und Wohlbefinden zu fördern. Viele Menschen haben heutzutage Magen-Darm-Reizungen, was auch Auswirkungen auf die mentale Gesundheit haben kann. Der Konsum fermentierter Produkte könnte diesen Problemen entgegenwirken.
| Das sagt das Bundeszentrum für Ernährung zum Foodtrend Fermentation: Fermentierten Produkten werden gesundheitsfördernde Wirkungen zugesprochen. So soll ein regelmäßiger Verzehr die Darmflora und das Immunsystem unterstützen sowie bei der Gewichtskontrolle helfen und verschiedenen Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Leiden vorbeugen. Allerdings seien die zugrundeliegenden Mechanismen noch nicht abschließend geklärt, und es besteht nach wie vor großer Forschungsbedarf. |
Wie kann Fermentation dazu beitragen, nachhaltiger zu leben und Lebensmittelverschwendung zu reduzieren?
Man sollte sich bewusst machen, dass man selbst beeinflusst, ob man „gut“ oder „schlecht“ einkauft. Wer keinen eigenen Anbau betreiben kann, hat im Handel die Möglichkeit, Bioprodukte zu wählen – oft sogar zu reduzierten Preisen. Häufig sehe ich, dass Bioware im Abverkauf landet oder sogar entsorgt wird, weil sie nicht gekauft wird. Das ist bedauerlich, denn Lebensmittel verdienen Wertschätzung für die Art und Weise, wie sie erzeugt werden. Fermentation kann dabei helfen: Sie ermöglicht es, größere Mengen einzukaufen, diese haltbar zu machen und so vor der Verschwendung zu bewahren.
Falls Sie jetzt Lust bekommen haben, sich selbst einmal ans Fermentieren zu wagen, können Sie am Mittwoch, den 12. November, bei einem Fermentationskurs in der Küchenwelt in Schwandorf unter Anleitung von Andreas Meier lernen, Ihre eigenen Lebensmittel zu fermentieren. Die Anmeldung erfolgt persönlich und direkt im Geschäft.
Kathrin Gnilka I filterMagazin