Marode Straßen, einstürzende Brücken, verspätete Züge und endlose Planungsverfahren – das ist das kurze und miserable Fazit über Deutschlands Infrastruktur. Was sind die Strategien der Parteien? Schuldenbremse aussetzen oder Ausgaben umverteilen? Und wie können Planungsverfahren beschleunigt werden? Hier stellen die Kandidaten ihre Konzepte vor.
Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden am 11. September vergangenen Jahres ist ein Sinnbild des Gesamtzustands der deutschen Infrastruktur. Straßen und Brücken sind marode, ein großer Prozentsatz der Züge der Deutschen Bahn ist verspätet und fällt teilweise ganz aus. Es fehlen Investitionen in Milliardenhöhe und einfache Bauvorhaben werden durch bürokratische Vorgaben um Jahre verzögert. Doch wie kann diese große Aufgabe gestemmt und vor allem finanziert werden? Wir haben die Regensburger Kandidaten für den Bundestag 2025 zum Thema befragt.
Regensburger Nachrichten
Die deutsche Infrastruktur weist massive Mängel auf. Brücken und Straßen sind marode, die Deutsche Bahn braucht Investitionen in Milliardenhöhe. Welche konkreten Investitionen planen Sie in den nächsten vier Jahren und wie sollen diese Maßnahmen finanziert werden?
CSU, Peter Aumer
Deutschlands Verkehrsinfrastruktur ist in die Jahre gekommen. Das betrifft alle Verkehrsträger gleichermaßen. Zudem gibt es strukturelle Probleme, vor allem bei der Deutschen Bahn. Wir müssen entschlossen gegensteuern, damit die Infrastruktur wieder auf die Höhe der Zeit kommt. Menschen sollen ihre Mobilität frei wählen können – sie ist Ausdruck von Freiheit. Es hängt von den persönlichen Lebensumständen und dem Wohnort ab, welches Verkehrsmittel sinnvoll ist.
Deutsche Bahn zukunftsfähig aufstellen: Dazu verschlanken wir das Unternehmen und stellen es neu auf. Für mehr Wettbewerb müssen Infrastruktur- und Transportbereich stärker als bisher voneinander getrennt werden. Für Instandhaltung, Ausbau und Modernisierung übernimmt der Bund die Hauptfinanzierung. Dem Ausbau der grenzüberschreitenden Infrastruktur, zum Beispiel in Richtung Polen, gilt unser besonderes Augenmerk.
Wir wollen den Infrastrukturbereich vom Transportbereich trennen und die DB-Holdingstruktur mit ihren 740 Beteiligungen und Tochtergesellschaften neu strukturieren. Den gesamten Infrastrukturbereich wollen wir in eine neue bundeseigene Schieneninfrastruktur GmbH des Bundes überführen und dabei die Umsetzung der Vorgaben bei Aus-, Neu- und Umbau sicherstellen.
Infrastruktur solide finanzieren: Wir sorgen für dauerhafte Finanzierungsstabilität, die unabhängig von schwankenden Haushaltsmitteln ist. Zudem müssen wir kurzfristig mehr Kapital mobilisieren, um den Investitionsstau zu lösen. Dazu setzen wir auf starke Anreize für private Investoren.
Infrastrukturvorhaben beschleunigen und vereinfachen: Ersatzneubauten, unwesentliche Änderungen oder Erweiterungen können anstelle des Planfeststellungsverfahrens durch ein Anzeigeverfahren zugelassen werden. Die Genehmigungsbehörden müssen eine zügige Prüfung der eingereichten Unterlagen gewährleisten.
Erhalt und Neubau: Wir stehen für eine auskömmliche Finanzierung von Autobahnen, Brücken- und Straßeninfrastruktur.
Vorfahrt für Großprojekte: Für die Neuerrichtung von Großinfrastrukturen bleibt das Planfeststellungsverfahren das geeignetste Instrument. Es muss aber durch einen verpflichtenden Verfahrensleitplan, eine Stichtagsregelung, eine Mitwirkungsverpflichtung und Digitalisierung effizienter werden.
SPD, Dr Carolin Wagner
Allein um die öffentliche Infrastruktur zu erhalten und zu modernisieren, werden 60 Milliarden Euro benötigt – jährlich! Das geht also nur mit einem Sondervermögen oder mit einer Reform der Schuldenbremse. Es nützt der schwäbischen Hausfrau und vor allem ihren Kindern nichts, wenn das Geld gespart, das Land aber marode ist. Obwohl das offensichtlich ist, gab es hierfür keine Mehrheit in der Ampel und keine Offenheit der Union.
CDU/CSU haben kurz vor Weihnachten eine Investitionsspritze von 2,73 Milliarden Euro an die Deutsche Bahn verhindert. Die Bahn musste stattdessen Kredite aufnehmen und zahlt – auf Kosten der Steuerzahler! – zwei Millionen Euro Zinsen pro Woche dafür!
Dabei hilft bei der Bahn als auch bei Straßen und Brücken nur: Investieren, investieren, investieren! Was auch immer die CSU-Minister in den 12 Jahren im Verkehrsministerium gemacht haben: Es hat der Infrastruktur des Landes und folglich auch der Wirtschaft geschadet. Den Preis dafür zahlen jetzt Autofahrer, Bahnkunden und Unternehmen.
Die SPD-geführte Bundesregierung hat Milliardeninvestitionen in unsere Infrastruktur auf den Weg gebracht. Der Weg ist lang, weil zu vieles marode ist – aber wir werden diesen Weg weitergehen: Wir machen unsere Schienen, Straßen und Wasserwege wieder fit und sorgen dafür, dass sie wieder zu einem Standortvorteil für Deutschland werden. Olaf Scholz hat Rekordinvestitionen in die Schiene durchgesetzt. Das hat weiterhin Priorität. Gemeinsam mit der Deutschen Bahn ermöglichen wir, dass die wichtigsten Bahnstrecken generalsaniert werden – die Riedbahn hat den Anfang gemacht und das hat gut funktioniert!
Bündnis 90 / Die Grünen, Stefan Schmidt
Die Große Koalition hat unser Land knapp zwei Jahrzehnte lang kaputtgespart. Jetzt brauchen wir endlich entschlossene Investitionen in unsere Infrastrukturen, in die Klimaneutralität unseres Landes und in eine starke Wirtschaft. Dafür wollen wir die Schuldenbremse reformieren. Wir wollen einen Deutschlandfonds für Bund, Länder und Kommunen errichten. Daraus investieren wir in Schienen, Kitas, Schulen und die Forschung.
FDP, Ulrich Lechte
Die Infrastruktur ist das Fortschrittsfundament unseres Landes. Sie ist Grundlage für die individuelle Mobilität der Bürgerinnen und Bürger und Voraussetzung für funktionierende Wertschöpfungs- und Logistikketten. Aber Straßen und Brücken verfallen, neue Bauprojekte bleiben auf der Strecke. Wir Freie Demokraten wollen mit mehr Investitionen und schnellerer Planung eine moderne Infrastruktur schaffen – und damit den Weg für die Mobilität der Zukunft freimachen.
Hohe Anforderungen an moderne Energie- und Mobilitätspolitik sowie die sich schnell entwickelnde Wirtschaft erfordern ein hohes Maß an Flexibilität. Daher wollen wir alle Planungsverfahren beschleunigen, indem wir Verfahren straffen und Doppeluntersuchungen abschaffen, die Möglichkeiten der Digitalisierung in allen Bereichen der Planung nutzen, die Planungs- und Genehmigungsbehörden gezielt mit ausreichend Fachkräften ausstatten und eine frühzeitige und umfassende Bürgerbeteiligung sicherstellen.
Wir wollen die Infrastruktur und den Bahnbetrieb bei der Schiene trennen und den Betrieb privatisieren. Das Netz soll im Eigentum des Bundes bleiben. Ziel ist es, mehr Personen und Güter auf der Schiene zu transportieren. Das gelingt aber nicht mit einer Staatsbahn, sondern nur mit mehr Wettbewerb, mehr Digitalisierung und niedrigeren Trassenpreisen für die Nutzung der Schienenwege. Durch eine organisatorische Trennung kann sich der Bund voll auf die Bereitstellung und Modernisierung der Infrastruktur konzentrieren. Auf der Schiene können Bahnunternehmen wiederum in Wettbewerb miteinander treten. Kundinnen und Kunden profitieren so von niedrigeren Preisen, besserem Service und mehr Angebot im Bahnverkehr.
Freie Wähler, Regina Seebauer-Sperl
Bezüglich der grundsätzlichen Finanzierung von Infrastrukturprojekten (z.B. Straßen, Schienen, Brücken) müssen wir uns vor allem zunächst damit befassen, warum unsere deutschen Projekte so zeitaufwendig und langwierig sind.
Der Vorsitzende der Geschäftsführung bei der Autobahn GmbH des Bundes, Stephan Krenz, hat bei einer Anhörung im Bundestag ein gutes Beispiel gebracht: aktuell dauert es etwa zehn Jahre, bis eine etwa 250 Meter lange Standardtalbrücke fertig gestellt ist. Lediglich drei Jahre dauere dabei das eigentliche Bauen!
Dies bedeutet, dass von der Gesamtzeit eines Infrastrukturprojekts mehr als die Hälfte für Planung und Genehmigung aufgewendet wird! Dieser hohe Anteil von Planungs- und Genehmigungsprozessen an der Gesamtdauer von Infrastrukturmaßnahmen hat dann natürlich erhebliche Auswirkungen auf die Kosten. Beispielsweise führen lange Verfahren zu sehr hohen Personalkosten, die vielen geforderten Umweltstudien und Gutachten sind zudem ein Kostentreiber – und letztlich haben wir einen wirtschaftlichen Verlust durch die Verzögerung.
Wir müssen daher schnell und vorrangig Planungs- und Genehmigungsprozesse in Deutschland deutlich verschlanken, um unsere Projekte schneller und kostengünstiger zu fahren. Damit können wir mit den vorhandenen Bundes- und Landesmitteln einen größeren Impact erreichen. Außerdem müssen wir den Klageweg zeitlich einschränken. Verstehen Sie mich nicht falsch - jeder sollte seine Interessen grundsätzlich und auch im Planungsverfahren juristisch vertreten dürfen, jedoch sollten Verfahren durch die verschiedenen Instanzen nicht ewig dauern können. Das verzögert nicht nur die Entscheidung für oder gegen ein Projekt ins Unermessliche, sondern verschlingt immense Ressourcen, allen voran Geld mit dem Ende, dass das Projekt zum Schluss gar nicht mehr realisiert wird, weil Genehmigungen überholt, Förderungen verstrichen und Legislaturperioden zu Ende gegangen sind. Solche “Luftschlösser” bringen uns keinen Fortschritt, sondern laufen ins Leere. Ganz zu schweigen vom finanziellen Verlust.
Schauen wir uns China an – dort ist es möglich, eine vollständige Stadt binnen weniger Wochen aus dem Boden zu stampfen. Und wir in Deutschland brauchen für eine überschaubare, kleine Strukturmaßnahme bereits Jahre oder eher Jahrzehnte, weil Planungsverfahren, Klagewege, Genehmigungen und Umweltauflagen uns derart lähmen. Dabei ist China leider unser Maßstab, da unsere ärgste Konkurrenz.
Ich wehre mich absolut dagegen, China als nachahmenswert darzustellen, aber wir können uns der Produktivität Chinas nicht erwehren, wenn wir uns durch selbst auferlegte Hürden geißeln. Deshalb müssen wir in der Umsetzung von relevanten Projekten einfach schneller werden. Daran führt kein Weg vorbei.
BSW, Irmgard Freihoffer
Eine moderne Volkswirtschaft und ein Hochindustrieland braucht eine funktionierende Infrastruktur. Wir wollen Investitionen in Brücken, Straßen, Schienen, Schulen, Wohnungen und Netze aus der Schuldenbremse ausklammern und den dramatischen Investitionsstau, der zum Verfall unserer Infrastruktur führt, ohne weiteren Verzug durch ein großes Investitionsprogramm beheben. Trotz des hohen Investitionsbedarfs befindet sich auch die Bauwirtschaft in einer Krise. Es mangelt nicht an Kapazitäten, sondern an Aufträgen, die die öffentliche Hand schaffen kann und muss.
Viele Autobahnen sind durch LKW überfüllt. Weil jahrzehntelang die Bahn kaputtgespart wurde und viele Bahnhöfe und Strecken stillegelegt wurden, ist der Güterverkehr heute oft keine praktikable Alternative. Das muss sich wieder ändern. Auch hohe Trassenpreise, die 2025 noch einmal kräftig steigen, belasten die Logistikunternehmen und setzen Anreize zum Transport auf der Straße statt der Schiene. Die Senkung der Trassenpreise und der Ausbau der Kapazitäten im Gütertransport wären ein echter Gewinn sowohl fürs Klima als auch für stauärmere Autobahnen.
Die Probleme der Deutschen Bahn, auch was den Personenverkehr angeht, sind hausgemacht. Privatisierungsfantasien und falsche Prioritäten sowohl im Management als auch in der Politik haben es möglich gemacht, dass die einst so stolze Deutsche Bahn jetzt vor allem mit Verspätungen, Zugausfällen und endlosen Pannen verbunden wird.
Neben der Aufhebung der Schuldenbremse für investive Ausgaben müssen auch bestimmte Ausgaben im Bundeshaushalt kritisch hinterfragt werden, denn jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Die Aufrüstungsorgie – mittlerweile sind zwischen 3 Prozent und 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Gespräch – würgt alle anderen Bereiche ab. Bezogen auf das Jahr 2024 mit einem BIP von 4,5 Billionen und einem Bundshaushalt von 477 Mrd. wären das bei 3 Prozent des BIP 129 Mrd. für Rüstung somit 27 Prozent des Bundeshaushalts, bei 5 Prozent (215 Mrd.) sogar 45 Prozent! Wir brauchen dringend wieder den Einstieg in Abrüstungsverhandlungen mit gegenseitigen Inspektionen, um den Rüstungswettlauf nicht nur aus sicherheitspolitischen Gründen zu beenden, sondern auch aus finaziellen Gründen und um unsere heruntergewirtschaftete Infrastruktur wieder funktionstüchtig zu machen.
Die Linke, Sebastian Wanner
Die Bahn ist ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge. Wir wollen eine Bürgerbahn statt einer profitorientierten Bahn mit unzähligen Tochterunternehmen. Das Netz muss saniert werden und der Ausbau muss schneller vorangehen. Für das Personal braucht es attraktive Arbeitszeiten und Freizeitausgleich bei langen Fahrten. Jede Großstadt braucht stündliche Fern- und Nachtzuganbindungen, das Bahnfahren wird dadurch attraktiver – rund um die Uhr. Jede Stadt braucht mindestens eine stündliche Anbindung, auch im Nahverkehr. Die Mehrwertsteuer auf Bahntickets soll entfallen und die Ticketpreise müssen wieder bezahlbar werden. Statt fetter Boni für die Vorstände wollen wir gut bezahlte Jobs, pünktliche Züge und niedrige Ticketpreise. Alte Bahnstrecken müssen reaktiviert werden und alte Haltestellen wieder genutzt werden.
Der Güterverkehr soll vor allem über die Schiene stattfinden und weg von den Landstraßen und Ortsdurchfahrten. Den Pendelverkehr wollen wir über den ausgebauten und flächendeckenden ÖPNV ablaufen lassen, Zug, Tram und Bus werden durch eine Ausweitung des Angebots eine Alternative zum Auto. Bei den Straßen konzentrieren wir uns darauf, zu sanieren, was da ist. Ständig neue Autobahnen durch die Landschaft zu ziehen ist keine Lösung, die Mobilität der Zukunft gehört dem Fuß-, Rad- und öffentlichem Nahverkehr.
Dafür muss die Schuldenbremse fallen und es müssen langfristige Investitionen in die Deutsche Bahn, den ÖPNV und die Infrastruktur erfolgen.
AfD, Carina Schießl
Die AfD fordert gezielte Investitionen in die Sanierung der Infrastruktur – insbesondere in Straßen, Brücken und die Deutsche Bahn. Diese Maßnahmen müssen durch eine Umverteilung von Staatsgeldern finanziert werden. Statt Milliarden in unnötige Großprojekte oder die Asylindustrie zu stecken, wollen wir das Geld direkt in den Erhalt und Ausbau der essentiellen Infrastruktur lenken. Wir setzen auf Einsparungen bei der Bürokratie und subventionierten Fehlprojekten, um diese dringend benötigten Investitionen ohne Steuererhöhungen zu ermöglichen. So sichern wir die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
In unserem Bundestagswahl-Special finden Sie weitere Antworten der Regensburger Kandidaten auf drängende Fragen: Bundestagswahl 2025: Regensburgs Kandidaten und ihre Antworten auf drängende Fragen
Kathrin Gnilka | filterRedaktion