In Deutschland werden dringend Arbeits- und Fachkräfte gebraucht. Gleichzeitig können tausende von Geflüchteten nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden weil ihre Deutschkenntnisse nicht ausreichen, Zertifikate nicht anerkannt werden, oder sie in laufenden Asylverfahren stecken. Wie wollen CSU, FPD, Linke und Co. das Problem lösen?
Bäckereien, Frisöre und Restaurants schließen oder reduzieren ihre Öffnungszeiten. Grund ist nicht ein Mangel an Kundschaft sondern vielmehr an Arbeitskräften. Auch Krankenhäuser, Pflegedienste und viele andere Fachbereiche beklagen, dass sie offene Stellen nicht besetzen können. Dabei gibt es unter den tausenden von Geflüchteten in Deutschland viele Menschen, die arbeiten können und das auch wollen. Doch oft werden ihre Zertifikate, trotz Berufserfahrung nicht anerkannt. In der Zwischenzeit begnügen sich diese Personen mit niedriger bezahlten Tätigkeiten oder beziehen Bürgergeld. Der Job-Turbo des Bundeskanzlers sollte es richten. Doch wie sieht es ein Jahr nach seiner Einfürung aus und was würden Union, Freie Wähler oder AfD anders machen? Wir haben mit den Parteien über ihre Konzepte gesprochen.
Filter Redaktion:
Bundeskanzler Olaf Scholz forderte 2023, Geflüchtete schneller in Arbeit zu bringen. Seitdem wurden Maßnahmen wie der „Job-Turbo“ der Bundesagentur für Arbeit gestartet, um die Integration zu erleichtern. Dennoch erschweren bürokratische Hürden, etwa bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse, den Prozess. Angesichts des eklatanten Fachkräftemangels und auch des großen Bedarfs an weniger qualifizierten Arbeitskräften: Welche konkreten Schritte planen Sie, um Verfahren zu beschleunigen und Geflüchtete effektiver in Arbeit zu bringen?
CSU, Peter Aumer:
Für ausländische Fachkräfte wollen wir ein attraktiver Standort sein und lebenswerte Heimat werden. Dabei ist eine gute Qualifikation von zentraler Bedeutung. Den Fokus legen wir auf die vereinfachte und beschleunigte Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen.
Wir richten eine digitale Bundesagentur für Einwanderung („Work-and-Stay-Agentur“) ein. Fachkräfte erhalten so Service aus einer Hand: von der Anwerbung und Arbeitsplatzvermittlung über die Prüfung der Einreisevoraussetzungen und Visavergabe bis hin zum Aufenthaltstitel. Wir trennen die Asylverfahren von den Verfahren zur Einwanderung in den Arbeitsmarkt.
SPD, Dr. Carolin Wagner:
Der durch die SPD initiierte Job-Turbo ist ein Erfolg! Die Zahl der ukrainischen Beschäftigten hat sich nach einem Jahr verdoppelt. Für die Einbindung von Fachkräften aus dem Ausland gilt es grundsätzlich, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz unbürokratisch umzusetzen und weiterzuentwickeln, damit qualifizierte Arbeitskräfte einfacher und schneller in Deutschland arbeiten können. Grundlage dafür sind klare Regeln, eine vereinfachte und schnellere Anerkennung von Abschlüssen – für die übrigens die Länder zuständig sind! – und faire Anwerbeabkommen. Was nicht hilft, ist die populistische Hetze der Unionsparteien: Viele der zugewanderten Menschen sind sehr gut integriert und tragen erheblich zur Wirtschaftsleistung in unserem Land bei.
Bündnis 90 /Die Grünen, Stefan Schmidt:
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Nach Jahrzehnten der Abschottung unseres Arbeitsmarktes wollen wir eine echte Willkommenskultur. Wir wollen den von der Ampelkoalition eingeschlagenen Weg des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und des einfacheren Arbeitsmarktzugangs Geflüchteter weitergehen. Wir wissen: Der stärkste Motor für Integration sind Arbeit und Beschäftigung. Dazu wollen wir mehr Berufs- und Bildungsabschlüsse sowie die Berufserfahrung noch leichter und unbürokratischer anerkennen. Wer arbeiten kann, soll arbeiten dürfen. Bestehende Arbeitsverbote werden wir weiter abbauen. Sind sich Arbeitgeber und Geflüchtete einig, darf der Staat nicht mit unnötiger Bürokratie im Weg stehen.
FDP, Ulrich Lechte:
Deutschland ist auf qualifizierte Zuwanderung von Fachkräften in den Arbeitsmarkt angewiesen. Nur so können wir als Wirtschaftsstandort auch in Zukunft wettbewerbsfähig sein und unseren Wohlstand sichern. Für Fachkräfte wollen wir die Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt auch durch die Aussicht auf eine schnellere Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft attraktiver machen. Zugleich definieren wir die Integrationsvoraussetzungen deutlicher und strenger. Wer seinen Lebensunterhalt selbst bestreitet und gut integriert ist, kann künftig nach fünf statt nach acht Jahren eine Einbürgerung beantragen.
Freie Wähler, Regina Seebauer-Sperl:
Wir FREIE WÄHLER wollen arbeitswillige Flüchtlinge gezielt in den Arbeitsmarkt integrieren, besonders in Mangelberufen. Wir fordern vereinfachte und verkürzte Anerkennungsverfahren für ausländische Abschlüsse und Übergangslösungen, damit Flüchtlinge währenddessen arbeiten können. Verpflichtende Deutsch- und Integrationskurse sollen die Eingliederung fördern. Planungssicherheit für Wirtschaft und Flüchtlinge ist essenziell: Ausbildung und eine zweijährige Praxiszeit sollen garantiert sein, bevor der Aufenthaltsstatus neu bewertet wird. Selbst bei einer negativen Entscheidung bleibt die absolvierte Ausbildung als Beitrag zur Entwicklungshilfe bestehen.
BSW, Irmgard Freihoffer:
Der versprochene Jobturbo für Ukrainer und andere Flüchtlingsgruppen muss endlich umgesetzt werden. Allerdings sollte auch weiterhin das Nachholen eines Berufsabschlusses der schnellen Vermittlung von Arbeit vorgezogen werde. Arbeiten, die das Qualifikationsniveau der Flüchtlinge nicht ausschöpfen, sollten vermieden werden. Außerdem spielen neben einem eigenen Einkommen, auch Spracherwerb, soziale Kontakte und Teilhabe am kulturellen Leben eine wichtige Rolle für gelingende Integration.
Die Linke, Sebastian Wanner:
Wenn Unterlagen fehlen, kann ein Abschluss oft nicht anerkannt werden. Eine stärkere Nutzung von alternativen Anerkennungsmöglichkeiten nach dem BQFG kann Teil der Lösung sein. Um eine schnellere Bearbeitung zu garantieren, müssen die zuständigen Behörden mit mehr qualifiziertem Personal ausgestattet werden. Wir als Linke fordern, dass Geflüchtete ab dem Tag ihrer Ankunft eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis haben, Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis müssen unabhängig von der Beschäftigungsdauer erfolgen. Eine Kürzung bei Integrationskursen ist kontraproduktiv, in den Sprach- und Wissenserwerb Geflüchteter müssen mehr statt weniger Mittel investiert werden.
AfD, Carina Schießl:
Bevor wir über Maßnahmen zur Integration sprechen, muss klar differenziert werden: Wer rechtmäßig hier ist und die Bereitschaft zeigt, sich zu integrieren und eigenständig für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, sollte unterstützt werden. Wer hingegen nicht will oder nicht in der Lage ist, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, hat hier nichts zu suchen. Es ist ineffizient, mit immensen bürokratischen Aufwänden eine minimale Zahl an Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren und dadurch letztlich das System zu belasten. Integration muss auf Freiwilligkeit und Eigenverantwortung basieren – alles andere ist Verschwendung unserer Ressourcen.
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Kathrin Gnilka | filterRedaktion