Die Domstadt im Herzen Bayerns verkörpert seit über 2.000 Jahren Wandel und Wachstum. Vom römischen Legionslager zur modernen Wirtschaftsmetropole hat sie Kriege, Krisen und Aufschwünge erlebt. Heute zählt die Region zu den innovativsten Standorten Deutschlands – geprägt von Geschichte, Forschung und Unternehmergeist.
Regensburg blickt auf eine jahrtausendealte Geschichte zurück. Auf Ruhm und Wohlstand folgten Kriege und Not, doch die Donaustadt fand immer wieder zu neuer Stärke. Seit 2004 rangiert Regensburg im Spitzenfeld der deutschen Städte mit dem höchsten Brutto-Inlandsprodukt pro Kopf. Auch das Umland zählt zu den stärksten Wirtschaftsregionen des Landes. Grund genug, um die wirtschaftlichen Entwicklungen, Forschungen, Innovationen, aber auch die zunehmenden Herausforderungen in den nächsten Ausgaben des filterMagazins etwas näher zu betrachten und Unternehmer, Akademiker, Tüftler und Denker, die diese Region prägen, zu Wort kommen zu lassen.
Um die Entwicklung der Stadt von den bescheidenen Anfängen bis hin zu einer der innovativsten Regionen Deutschlands besser überblicken zu können, lohnt es sich, mit einer Reise in die Vergangenheit zu beginnen.
Vom Römerlager zur Stadtgründung
Regensburg wurde 179 nach Christus durch Kaiser Mark Aurel als römisches Legionslager Castra Regina – zu Deutsch: Festung am Regen – gegründet, um die Grenze des römischen Reiches an der Donau zu sichern. Im Lager war die III. Italische Legion mit rund 6.000 Soldaten stationiert. Schon bald siedelten sich jedoch Handwerker, Dienstleister und Händler an, die die Donau als wichtige Handels- und Verkehrsader nutzten. Das Lager florierte, doch mit dem Beginn der Völkerwanderung im 3. Jahrhundert kam die Vorherrschaft der Römer ins Wanken. Das Lager wurde dreimal zerstört und wiederaufgebaut, doch nach und nach wurden die römischen Truppen reduziert, Zivilisten zogen ein und verwandelten Castra Regina in eine richtige Stadt. Mit dem Zerfall des Weströmischen Reiches im Jahr 476 nach Christus wurde Regensburg sich selbst überlassen. Es folgten einige dunkle Jahrhunderte, in denen die Stadt kaum in Schriften auftauchte, bis im 6. Jahrhundert der Volksstamm der Bayern in die Region kam und neben anderen Städten auch Regensburg in seinen Besitz nahm. Die Stadt wurde zu dessen wichtigstem Stützpunkt und als Reganespurc – unter der Herrschaft von Herzog Garibald aus der Familie der Agilolfinger – zur ersten Hauptstadt des neu entstehenden Landes Bayern.
Missionare, Machtspiele und Karl der Große
Parallel dazu wuchs der Einfluss der Kirche in der Region. Durch die Völkerwanderung hatten sich heidnische Bräuche in Castra Regina verbreitet, weshalb Missionare wie Rupert, Emmeram und Erhard in die Stadt kamen, um den christlichen Glauben zu erneuern. 739 gründete der Papst das Bistum Regensburg, dessen erster Bischof neben dem Herzog die Macht übernahm. Doch schon 788 gliederte Karl der Große Regensburg in sein Reich ein.
Zu Beginn des 10. Jahrhunderts flammten erneute Unruhen auf, als ein neuer bayerischer Herzog die Herrschaft übernahm und von nun an mit Kaiser und Bischof um die Vorherrschaft der Stadt konkurrierte. Dies stürzte Regensburg in schwere Konflikte und lange Kriege.
Goldene Jahre des Mittelalters
Ab dem 12. Jahrhundert begann eine wahre Blütezeit für die Donaustadt, während derer sie zum bedeutendsten Handels-zentrum Süddeutschlands aufstieg. Die Donau ermöglichte Importe von Luxusgütern wie Seide, Pelze und Gewürze. Landwege führten über die Alpen bis nach Italien und der Handel mit reichen Kaufläuten in Venedig, Paris, Byzanz und Kiew florierte. Auch Salz war ein ertragreiches Handelsgut und wurde von Bad Reichenhall über Regensburg bis nach Passau transportiert.
Längst verfügte nicht mehr nur der Adel über Reichtümer; Reiche Bürger, Groß- und Fernhändler erkämpften sich immer mehr Privilegien und Freiheitsrechte. Um ihrem Status Geltung zu verleihen, ließen Patrizier- und Kaufmannsfamilien prächtige Steinhäuser und immer höher ragende Geschlechtertürme errichten. Die einfachen Handwerker, die als Gerber, Weber, Schmiede oder Bäcker ihr Auskommen fanden, profitierten davon nicht. Sie schlossen sich in Zünften zusammen, um ihre wirtschaftlichen und sozialen Interessen zu behaupten.
1245 erhielt Regensburg schließlich das Recht zur Selbstregierung und wurde freie Reichsstadt – ein Schritt, der die Autorität von Bischof, König und Kaiser deutlich schwächte. Gleichzeitig wuchs die Stadt so rasant, dass neue Viertel entstehen mussten. Jenseits der Donau entwickelte sich Stadtamhof, verbunden durch die Steinerne Brücke – ein bis heute bewundertes Meisterwerk mittelalterlicher Baukunst. In dieser Epoche begann auch der Bau des gotischen Doms im damals hochmodernen französischen Stil, der Regensburgs Anspruch unterstrich, eine Metropole des Mittelalters zu sein.
Vom Welthandel abgeschnitten
Ab dem späten 15. Jahrhundert verlor Regensburg seine Vormachtstellung im internationalen Handel. Mit der Entdeckung Amerikas und den neuen Seewegen nach Indien verlagerte sich das wirtschaftliche Zentrum Europas an die Atlantikküste. Städte wie Lissabon, Sevilla, Antwerpen, Amsterdam und London profitierten von dieser Veränderung, während der Fernhandel auf der Donau immer mehr an Bedeutung verlor und Regensburg zu einer regionalen Handelsstadt heruntergestuft wurde.
Die großen Kaufmannsfamilien verschwanden aus dem Stadtbild, doch das Handwerk blieb Regensburg erhalten. Auch der Salzhandel spielte weiterhin eine zentrale Rolle – mit dem Salzstadel als lebendigem Umschlagplatz für das „weiße Gold“.
Die Stadt der Reichstage
Mit dem Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs 1618 begann für Regensburg eine Zeit großer Entbehrungen. Zwar blieb die Stadt von den schlimmsten Zerstörungen verschont, doch die langen Feldzüge lähmten Wirtschaft und Bevölkerung – viele Bürger verarmten.
Zwei Vorteile hielten die Stadt dennoch im Spiel: die günstige Lage an der Donau und ihr Status als Reichsstadt. Schon im 16. und frühen 17. Jahrhundert hatten hier Reichstage stattgefunden. Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 suchte man nach einem dauerhaften Tagungsort – und entschied sich für Regensburg. Ab 1663 tagte der Immerwährende Reichstag, das ständige Parlament des Heiligen Römischen Reiches, in der Donaustadt.
Mit den Gesandten aus Fürsten- und Bischofshöfen strömten Gefolge, Handwerker und Beamte in die Stadt. Gastwirte, Brauereien, Druckereien und Verlage erlebten einen Aufschwung. Entlang von Regen und Naab entstanden Papiermühlen, die die wachsende Schriftproduktion versorgten. Trotz politischem Glanz und mancher florierenden Branche fehlte Regensburg jedoch die Innovationskraft, um wirtschaftlich dauerhaft aufzuschließen.
Von der bayerischen Provinz zur Industriestadt
Mit der Säkularisation im Jahr 1803 endete die kirchliche Herrschaft in Regensburg. Kunstschätze, Bibliotheken und Klöster gingen in bayerischen Staatsbesitz über. Regensburg verlor seine Reichsfreiheit und wurde bayerische Provinzstadt. 1859 brachte der Anschluss an das Eisenbahnnetz jedoch neuen Schwung: Der Handel blühte auf, und Regensburg entwickelte sich zu einem Zentrum des verarbeitenden Gewerbes. Mit der Eröffnung des Donauhafens 1910 gewann die Stadt weiter an Bedeutung. Öl, Getreide und später auch Container machten ihn zu einem wichtigen Umschlagplatz, der zahlreiche Industriebetriebe anzog.
Kriege, Krisen und ein Neubeginn
Doch der Aufschwung war nicht von Dauer. Der Erste Weltkrieg, die Wirtschaftskrise sowie der Zweite Weltkrieg brachten Zerstörung, Verfolgung und Elend. Am 27. April 1945 wurde Regensburg kampflos von US-Truppen eingenommen, somit blieb zumindest die Regensburger Altstadt weitgehend erhalten. Da Regensburg jedoch weniger zerstört war als andere Städte, musste die Stadt Zehntausende von Kriegsflüchtlingen und Heimatvertriebenen aufnehmen. Dem Umland erging es nicht besser. Die Region Oberpfalz galt damals als das Armenhaus Deutschlands.
Der große Aufschwung
Mit dem Marshallplan von 1948 und der Gründung der Bundesrepublik erhielt auch Regensburg neue Impulse. Staatliche Förderungen leiteten die wirtschaftliche Wende ein, und 1949 siedelte sich Siemens als erstes Großunternehmen in der Region an. In den 1960er- und 1970er-Jahren folgten die Gründung der Universität Regensburg und der Ostbayerischen Technischen Hochschule, die Wissenschaft und Forschung in die Stadt brachten.
Mit dem Autobahnanschluss 1984 und der Eröffnung des BMW-Werks begann der Aufstieg zur Industriestadt. Heute prägen neben der Automobilbranche vor allem Elektronik und Elektrotechnik, Maschinenbau, Gesundheitswesen, Biotechnologie sowie Dienstleistungen, Tourismus und Logistik die Wirtschaftsstruktur.
Einen besonderen Schub für das internationale Ansehen brachte 2006 die Aufnahme der Regensburger Altstadt in die UNESCO-Welterbeliste.
Resilienz als Motor des Erfolgs
Regensburgs Geschichte ist beeindruckend. Die Stadt erlebte Ruhm und Wohlstand aber auch Armut und Entbehrungen. Sie machte die Menschen gleichermaßen resilient gegenüber Rückschlägen wie auch mutig, um selbst in schwierigen Zeiten entschlossen an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Dieser Unternehmergeist macht diese Region so innovativ und zukunftsweisend. Auch wenn die derzeitigen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen Unternehmen stark unter Druck setzen, glauben wir fest daran, dass Regensburg auch diese schwierigen Zeiten überstehen wird. Wir freuen uns darauf, in den nächsten Wochen und Monaten mit vielen Menschen zu sprechen, die einen wichtigen Teil zum Erfolg beitragen, denn eins ist sicher – das Kapitel Regensburg ist noch lange nicht zu Ende geschrieben.
Kathrin Gnilka I filterMagazin