Die Domstadt steht im Spannungsfeld zwischen Wachstum und Wandel: Die Bevölkerung wird älter, die Fachkräfte werden weniger. Unternehmen, Stadt und Bildungseinrichtungen suchen Wege, um Talente zu gewinnen, zu halten und zu qualifizieren – für eine starke Wirtschaft trotz demografischer Herausforderungen.
Regensburg verändert sein Gesicht: In vielen Betrieben arbeiten heute Generationen und Kulturen enger zusammen als je zuvor. Die Stadt wird älter – und zugleich vielfältiger. In den vergangenen zehn Jahren ist die Bevölkerung zum Großteil durch Zuwanderung gewachsen, etwa durch die Fluchtbewegungen ab 2015 oder zuletzt durch Menschen aus der Ukraine. Doch während die Vielfalt zunimmt, bleibt der Nachwuchs knapp: Aufgrund der sinkenden Geburten-rate rücken immer weniger Jüngere in den Arbeitsmarkt nach, gleichzeitig gehen die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer nach und nach in den Ruhestand. Bereits seit einigen Jahren spüren Unternehmen, dass Ausbildungs- und Arbeitsplätze unbesetzt bleiben. So kamen im Berufsausbildungsjahr 2024/25 auf 100 betriebliche Ausbildungsstellen lediglich 42 Bewerberinnen und Bewerber.
Neue Anreize, alte Probleme
Um bestehende und zukünftige Mitarbeiter langfristig zu binden, investieren viele Unternehmen verstärkt in Aus- und Weiterbildung; Und auch sonst lassen sich Arbeitgeber einiges einfallen, um für potenzielle Mitarbeiter attraktiver zu werden – von der Vier-Tage-Woche über flexible Arbeitszeiten bis hin zu attraktiven Zusatzleistungen. Doch obwohl deutlich mehr Frauen arbeiten, mehr Zugewanderte in Beschäftigung sind und Ältere länger im Berufsleben bleiben als noch vor wenigen Jahren, reicht diese gestiegene Erwerbsbeteiligung nicht aus, um die Lücken zu schließen. Regensburg steht vor einer großen Herausforderung. Zwar sorgen Universität, OTH und zahlreiche weitere Bildungseinrichtungen sowie viele erfolgreiche Firmen und ein attraktives Freizeitangebot dafür, dass die Donaustadt im Vergleich zu anderen Städten viele junge Menschen anzieht, doch der Mangel an qualifiziertem Nachwuchs trifft Unternehmen und Wirtschaft bereits heute spürbar. Wohin also geht die Reise für die Stadt und welche Konzepte gibt es, um diesem Negativtrend entgegenzuwirken?
„Wir werden Zuzug brauchen”
Toni Lautenschläger, Amtsleiter für Wirtschaft und Wissenschaft bei der Stadt Regensburg, ist das Problem durchaus bewusst: „Wenn die Zahl der Arbeitsplätze konstant bleibt oder nur leicht wächst, kann der Bedarf an Arbeitskräften allein durch den demografischen Nachwuchs in der Region nicht gedeckt werden. Wir werden Zuzug brauchen – aus anderen Regionen Deutschlands oder aus dem Ausland. Besonders groß wird die Nachfrage nach qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sein.”
Die Zahlen bestätigen diesen Trend und der betrifft nicht nur die Stadt, sondern die ganze Region. Laut dem IHK-Arbeitsmarktradar 2025 könnten im IHK Bezirk Oberpfalz-Kelheim bis zum Jahr 2028 rund 32.000 Fachkräfte fehlen, die einen geschätzten Wertschöpfungsverlust von 3,5 Milliarden Euro mit sich bringen würden.
Mit Technik Lücken schließen
Die Digitalisierung ist ein zentraler Baustein, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Digitale Technologien eröffnen neue Möglichkeiten, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter effizienter einzusetzen: Intelligente Software kann Routineaufgaben übernehmen und Datenanalysen helfen dabei, Arbeitsprozesse zu verbessern. Darüber hinaus erleichtern Job-Plattformen die Vermittlung von Fachkräften. Auch im Bildungsbereich zeigt sich ihr Potenzial – durch Online-Fortbildungen und E-Learning lassen sich Qualifikationen schneller und flexibler erwerben. Zudem ermöglichen digitale Kollaborationstools eine enge Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg, was die Integration internationaler Fachkräfte erleichtert. Doch klar ist auch: Diese Entwicklung muss zügig voranschreiten. „Wir werden stärker digitalisieren müssen – in der Verwaltung, in der Mobilität und in der Wirtschaft”, so Toni Lautenschläger. „Digitalisierung und Automatisierung helfen, mit weniger Personal Leistungen aufrechtzuerhalten. Wie erfolgreich wir den demografischen Wandel abfedern, hängt auch vom Tempo der Digitalisierung ab.”

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Pflege als wachsende Herausforderung
Besonders der Gesundheits- und Pflegebereich steht im Zuge des demographischen Wandels unter enormen Druck. Betrachtet man die Zahlen des Bayerischen Landesamt für Statistik, wird der Altersdurchschnitt in Regensburg bis zum Jahr 2043 spürbar ansteigen – die Gruppe der 60- bis unter 75-Jährigen wächst voraussichtlich um knapp fünf Prozent, die Zahl der über 75-Jährigen sogar um fast 30 Prozent.
Mit der wachsenden Zahl älterer Menschen steigt der Bedarf an Pflegekräften, Ärzten und Therapeuten stark; Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen melden jedoch heute schon Engpässe. Dies hat zur Folge, dass nicht nur Einrichtungen selbst, sondern auch Familien immer stärker in die Pflicht genommen werden, Angehörige zu versorgen. Eine Entwicklung, die nicht alleine den Arbeitsmarkt belastet, sondern auch das Wohl der Pflegebedürftigen sowie deren Familien beeinträchtigen kann. Pflege braucht daher bessere Planung und mehr Anreize, damit sich mehr junge Menschen für dieses Berufsbild entscheiden.
„Attraktiv bleiben – das ist das wichtigste Ziel”
Auch wenn Regensburg ein Standort mit einer der höchsten Wirtschaftsleistungen Deutschlands ist, heißt es am Ball bleiben, um die Donaustadt überregional und international zu bewerben und die Fachkräfte von morgen frühzeitig anzulocken. Denn wer in Regensburg studiert, entscheidet sich oft auch nach seinem Studium, in der Region zu bleiben – davon ist der Amtsleiter überzeugt. Um jedoch mit anderen attraktiven Städten konkurrieren zu können, braucht es gute Konzepte.
Schließlich verursacht ein Mangel an qualifizierten Fachkräften nicht nur einen wirtschaftlichen Verlust, sondern bremst auch Innovationskraft und könnte – im schlimmsten Fall – Arbeitgeber dazu bewegen, in andere Regionen oder sogar ins Ausland abzuwandern.
„Attraktiv bleiben – das ist das wichtigste Ziel. Wir müssen ein bevorzugter Standort für Menschen und Unternehmen bleiben. Wohnraum schaffen, in Bildung investieren, Wirtschaft stabil halten, Hochschulen stärken – das sind zentrale Bausteine. Wenn wir das schaffen, bleiben Unternehmen in Regensburg und finden hier die nötigen Arbeitskräfte.”
„Bildung ist ein entscheidender Standortfaktor”
Doch um diese Ziele zu erreichen, muss an vielen Stellschrauben gedreht werden. Die Stadt setzt darauf, sich international noch stärker zu vernetzen. Eine breit gefächerte Wirtschaftsstruktur soll verhindern, dass Regensburg zu abhängig von einzelnen Branchen wird, und gleichzeitig die Attraktivität für neue Unternehmen und Fachkräfte steigern. Dazu sind konkrete Projekte notwendig, die Innovation, Gründungen und internationale Zusammenarbeit sichtbar fördern.
„Bereits vor mehr als zehn Jahren wurden Ingenieurinnen und Ingenieure aus Spanien nach Regensburg geholt, um den Bedarf an Fachkräften zu decken”, erklärt Lautenschläger. „Heute arbeiten die Verantwortlichen der Region an einer neuen ‚Welcome Page‘, die zentrale Themen bündelt: das Innovationsökosystem mit seinen Clusterstrukturen, Angebote für Start-ups sowie eine Informationsplattform für internationale Fachkräfte. Diese Seite soll im kommenden Jahr unter dem Titel Regensburg.works online gehen. Parallel dazu wird kräftig in Bildung investiert – von Schulen und Kitas bis hin zu Kooperationen mit den Hochschulen. Denn Bildung gilt als entscheidender Standortfaktor. Ergänzend baut Regensburg seine internationalen Netzwerke weiter aus, etwa nach China, Clermont-Ferrand oder Pilsen, um Austausch und Internationalisierung gezielt zu fördern.”
Lokale Lösungen brauchen nationale Strategien
Der Fachkräftemangel betrifft jedoch nicht nur Regensburg, sondern ganz Deutschland. Daher brauchen Städte und Gemeinden auch die Unterstützung der Bundesregierung, um das Land insgesamt stärker in den internationalen Fokus zu rücken und sowohl Studierende als auch hoch qualifizierte Fachkräfte ins Land zu locken. Wenn Deutschland im internationalen Wettbewerb um Talente bestehen will, sind unkomplizierte Visa-Regelungen und schnellere Anerkennungsverfahren von Berufsabschlüssen unverzichtbar. Gerade für eine Stadt wie Regensburg, die stark von ihrer Hochschullandschaft und ihrem Innovationsgeist lebt, hängt viel davon ab, welche Rahmenbedingungen im Land insgesamt geschaffen werden. Wichtig sei dabei, so Lautenschläger, „der Blick über Regensburg hinaus: Deutschland muss insgesamt attraktiver für internationale Fachkräfte werden. Englischsprachige Länder haben den Vorteil, dass viele dort sofort Fuß fassen können, weil sie die Sprache bereits beherrschen. In Deutschland hingegen ist der Erwerb der deutschen Sprache oft eine Einstiegshürde – auch wenn immer mehr Unternehmen, auch in Regensburg, intern auf Englisch kommunizieren.“
Die Zukunft Regensburgs hängt stark davon ab, ob es gelingt, die verschiedenen Ansätze miteinander zu verzahnen. Qualifizierte Zuwanderung, attraktive Ausbildungsangebote, ausreichend bezahlbarer Wohnraum und eine innovationsfreundliche Wirtschaftsstruktur – nur in Kombination können sie den drohenden Fachkräftemangel abfedern. Ob die Initiativen der Stadt Früchte tragen werden, wird sich zeigen. Doch eins ist sicher: Nur wenn jetzt entschlossen gehandelt wird, kann die Stadt auch in zehn oder zwanzig Jahren wachsen und allen Generationen gleichermaßen Perspektiven bieten.
Kathrin Gnilka I filterMagazin