Die Digitalisierung ist längst ein entscheidender Wirtschaftsfaktor. In der Oberpfalz hinkt die digitale Infrastruktur noch hinterher, gerade ländliche Gebiete haben es häufig schwer, gut vernetzt zu werden. Der Glasfaserausbau und innovative Projekte wie die LNI zeigen, wie Kommunen den digitalen Wandel aktiv vorantreiben.
Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Cloud Computing, Big Data – Schlagworte, die bis vor nicht allzu langer Zeit eher zur Domaine von Tech Geeks gehörten – heute sind sie gleichzusetzen mit der Zukunftsfähigkeit eines Landes. Im internationalen Vergleich rangiert Deutschland im Bereich der digitalen Entwicklung jedoch nur im Mittelfeld. Es gilt also aufzuholen, denn die Zukunft wartet nicht und der digitale Wandel beeinflusst nahezu alle Bereiche, die das Leben von Menschen und Unternehmen betreffen: von Wirtschaft und Produktion über Wettbewerbsfähigkeit, Logistik, Bildung, Gesundheit und Pflege bis hin zur Verwaltung. Das Problem: Die Digitalisierung ist nicht staatlich geregelt und private Telekommunikationsunternehmen investieren vor allem dort, wo es sich wirtschaftlich lohnt – in den dicht besiedelten Städten. Die ländlichen Gebiete fühlen sich oft abgehängt. Der „Höfebonus“, der von der Bayerischen Staatsregierung im Jahr 2017 ins Leben gerufen wurde, nahm sich dieser Problematik an und sollte sicherstellen, dass auch dünn besiedelte Gegenden den Anschluss in Richtung Zukunft erreichen. Dennoch gibt es noch immer viele weiße Flecken auf der Oberpfälzer Landkarte.
Weiter Luft nach oben
In einem kürzlichen Pressegespräch der vbw-Bezirksgruppe Oberpfalz wurde über den Fortschritt beim Ausbau der digitalen Infrastruktur informiert und ein Vergleich zu anderen Regionen Bayerns gezogen. Das Ergebnis fiel gemischt aus: Der Versorgungsgrad der Oberpfälzer Unternehmen liegt rund vier Prozent unter dem bayernweiten Durchschnitt – es besteht also Nachholbedarf.
Johannes Helmberger, Vorstandsvorsitzender der vbw in der Oberpfalz, machte deutlich: „Die Hälfte der bayerischen Unternehmen rechnet mit einem weiter stark steigenden Breitbandbedarf. Für die Betriebe ist die digitale Transformation eine zentrale Chance, um im globalen Wettbewerb auch künftig vorne mitzuspielen und unser Land zugleich fit für die Zukunft zu machen. Auf Dauer gelingt das jedoch nur mit gigabitfähigen und zuverlässigen digitalen Netzen in allen Teilen der Oberpfalz.“
Für die vbw ist Glasfaser ganz klar die Schlüsseltechnologie der Zukunft – sie gilt als Voraussetzung für den kommenden Mobilfunkstandard 6G, der bereits 2030 starten soll. In der Oberpfalz liegt der Glasfaserausbau im bayerischen Durchschnitt: Rund 50 Prozent der Betriebe in Gewerbegebieten sind angeschlossen, außerhalb dieser Gebiete jedoch erst etwa 37 Prozent. Bei Privathaushalten liegt dieser Wert noch niedriger: „In 61 Kommunen in der Oberpfalz haben bisher weniger als 20 Prozent der Haushalte einen Anschluss, der zumindest im Download Gigabit-Bandbreiten ermöglicht. 34 dieser Gemeinden überwinden allerdings absehbar diese 20-Prozent-Schwelle. Hier geht aber noch deutlich mehr“, so Helmberger.
Ein zügiges Vorankommen ist also dringend notwendig, denn in Zeiten, in denen viele Unternehmen die Möglichkeit des Homeoffice nutzen, ist ein adäquater Anschluss Voraussetzung für effizientes Arbeiten.
In der mobilen Netzlandschaft ist die Situation noch prekärer. Zwar entwickelt sich die Netzabdeckung auch hier weiter, bei einer Befahrung im vergangenen Jahr erreichte jedoch keiner der drei Mobilfunkbetreiber an mehr als 35,7 Prozent der Messpunkte eine gute Empfangsqualität. Die Problematik liegt auch an Schwächen bereits bestehender Netzteile. Helmberger forderte daher für die Wirtschaft in der Oberpfalz: „Der flächendeckende Ausbau von 5G-Mobilfunk und Glasfaser muss weiter höchste Priorität haben. Die Bayerische Staatsregierung hat bereits eine Vielzahl an Förderungen aufgesetzt. Jetzt sind die Kommunen gefragt, vorhandene Fördermöglichkeiten weiterhin aktiv auszuschöpfen.“
Der bayerische Staatsminister der Finanzen und für Heimat, Albert Füracker, Gastredner beim vbw Pressegespräch in Regensburg, fügte hinzu: „Über 2,6 Milliarden Euro Fördermittel – davon 464 Millionen Euro in der Oberpfalz – haben wir im Freistaat bereits in den Ausbau unserer digitalen Datenautobahnen investiert. 45.000 Glasfaseranschlüsse bis ins Haus wurden damit allein in der Oberpfalz gefördert. Und unser Ziel haben wir immer fest im Blick: Internet auf Gigabitniveau – und das bayernweit!“

LNI Karte Cluster Übersicht. © LNI
Im Zweifelsfall einfach selber machen
Dass die Zukunft der Region stark vom Grad der Digitalisierung abhängen wird, hat auch der Landkreis Regensburg früh erkannt und fördert den Breitbandausbau bereits seit über zehn Jahren. Dennoch blieben Orte, die aufgrund ihrer geringen Einwohnerzahl für die privaten Anbieter nicht rentabel genug waren, unterversorgt. Statt sich jedoch mit dieser unbefriedigenden Situation abzufinden, entschlossen sich die Verantwortlichen des Landkreises, selbst anzupacken. So entstand die Digitalisierungsstrategie 2022 – ein Papier, das zusammen mit fünf weiteren Landkreisen und dem Landkreistag sowie mit Hilfe eines externen Büros und den OTHs in Regensburg und Deggendorf erarbeitet wurde. Die Strategie ruht auf drei Säulen: digitale Verwaltung, digitale Infrastruktur und digitale Services und soll nicht nur die interne Verwaltung effizienter gestalten, sondern auch die Servicequalität für Bürgerinnen und Bürger verbessern sowie moderne Arbeitsmodelle für Unternehmen und Privatpersonen ermöglichen. Die Voraussetzung dafür war ein lückenloser Ausbau von Glasfasernetzen. Um diese Ziele umsetzen zu können, entschieden sich zwölf Kommunen im Gebiet zwischen Laaber und Naab ihr eigenes Breitbandnetz aufzubauen – die Laaber-Naab-Infrastruktur (LNI) war geboren. Bis heute haben sich 48 Gebietskörperschaften im und um den Landkreis Regensburg angeschlossen. Das Gute daran – das Netz liegt nicht in der Hand eines Privatunternehmens, sondern gehört zu 100 Prozent den beteiligten Kommunen und wurde ab Fertigstellung auf 20 Jahre an die Telekom als Betreiber verpachtet. Dünn besiedelte Gebiete werden gemeinsam mit dichter besiedelten Regionen zusammengefasst, um eine flächendeckende und wirtschaftlich tragfähige Versorgung zu gewährleisten.
Die Kommunen – als Eigentümer der Netze – überwachen den Ausbau persönlich. Somit wird garantiert, dass Zeitpläne eingehalten und Zahlungen nur freigegeben werden, wenn die Umsetzung den selbst gesteckten Qualitätsvorgaben entspricht. Das Investitionsvolumen von 500 Millionen Euro für den LNI-Ausbau wird zu rund 90 Prozent von der Bayerischen Staatsregierung getragen. Auch der Landkreis hat sich mit zwei Millionen Euro beteiligt. Die restlichen Kosten wurden auf die beteiligten Kommunen umgelegt, werden jedoch durch die Einnahmen aus dem Pachtvertrag mit der Telekom refinanziert. Langfristig sind dadurch sogar Einnahmen für die Gemeinden zu erwarten – eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Der LNI Ausbau geht voran. © H. Hillebrand
„Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass Digitalisierung die größte Revolution ist, die uns erwartet – größer als die Erfindung der Dampfmaschine oder des Autos“
Anfang dieses Jahres fiel der Startschuss für den Ausbau, in zwei bis drei Jahren soll alles fertig sein. Harald Hillebrand, Abteilungsleiter Öffentlichkeitsarbeit und Digitalisierung im Landkreis Regensburg, ist davon überzeugt, dass der Ausbau ein unverzichtbarer Schritt ist, um die Region für die Zukunft aufzustellen: „Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass Digitalisierung die größte Revolution ist, die uns erwartet – größer als die Erfindung der Dampfmaschine oder des Autos. Streamingdienste ziehen enorme Datenmengen. Menschen filmen Konzerte und Wanderungen und teilen sie über WhatsApp in die Welt. In der Arbeitswelt laufen Pläne, Schriftverkehr und Daten über Glasfaser. KI wird die Datenströme vervielfachen. Dafür brauchen wir schnelle Datennetze. Wir werden zu den ersten gehören, die eine flächendeckende, im öffentlichen Eigentum befindliche Versorgung haben. Bessere Voraussetzungen gibt es nicht.“
„Ein stabiles Netz ist genauso wichtig wie Wasser, Strom oder Straßen“
Auch Stephan Fischer, Geschäftsführer der Fischer Licht & Metall GmbH & Co. KG und stellvertretender Vorstandsvorsitzender des vbw in der Oberpfalz, ist von der Notwendigkeit einer guten Netzabdeckung überzeugt: „Sobald industriell gefertigt wird, kann eine Netzstörung fatale Folgen haben“, so Fischer. „Ein stabiles Netz ist genauso wichtig wie Wasser, Strom oder Straßen. Wenn die Internetverbindung ausfällt und ein Betrieb an der Cloud hängt, steht im schlimmsten Fall eine ganze Fabrik still. Eine stabile digitale Infrastruktur ist Grundvoraussetzung für eine funktionierende Industrienation.“
Wirtschaftsmotor für ländliche Regionen
Die Digitalisierung bietet eine ganze Reihe an wirtschaftlichen Vorteilen. So sind Unternehmen nicht mehr darauf angewiesen, sich ausschließlich in den teuren städtischen Gebieten niederzulassen. „Viele Betriebe können sich die Mieten in den Städten gar nicht mehr leisten“, so Fischer. „Wer kann, zieht aufs Land.“ Eine Belebung der ländlichen Regionen bringt wiederum zusätzliche Einnahmen für die Kommunen, Arbeitsplätze in der Region und einen Ausbau der Infrastruktur mit sich: „Mit einer guten digitalen Anbindung wird das Leben hier noch attraktiver – auch für Unternehmen“, erklärt Fischer. „Aber es fehlt an Infrastruktur wie Busverbindungen oder Fahrpersonal. Digitalisierung kann hier helfen, zum Beispiel mit autonomen Transportsystemen. Doch dafür braucht es wiederum stabile Funknetze. Es hängt also alles zusammen.“
Mehr Service und Zeit für die Anliegen der Bürger
Abgesehen von einer verbesserten wirtschaftlichen Infrastruktur erhofft sich der Landkreis Regensburg durch Digitalisierung, KI und Automatisierung auch mehr Bürgernähe. Was zunächst widersprüchlich klingt, macht durchaus Sinn, denn der Fachkräftemangel macht auch vor Städten, Gemeinden und Kommunen nicht Halt. Gleichzeitig rauben Routineaufgaben den Mitarbeitenden viel wertvolle Zeit, die man besser verwenden könnte, um sich den Anliegen der Bürger zu widmen. Ziel ist es daher, Verwaltung, Bürgerservice und regionale Zusammenarbeit nachhaltig zu modernisieren und zugleich die Attraktivität der Kreisverwaltung als Arbeitgeber zu stärken. Bereits heute können Bürgerinnen und Bürger über die Website des Landkreises Regensburg 1.695 Verwaltungsleistungen digital nutzen. Laut dem bundesweiten OZG-Dashboard, das den Digitalisierungsgrad der Verwaltung bewertet, ist der Landkreis damit bundesweit führend unter allen Landkreisen.
Auch innerhalb der Verwaltung treibt der Landkreis die digitale Transformation konsequent voran. Neben KAI, dem KI-Assistenten der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB), und der Bayern-KI, einem landesweiten Pilotprojekt zur Unterstützung kommunaler Verwaltungen, kommt bereits eine professionelle ChatGPT-Lösung zum Einsatz. Automatisierte Prozesse und spezialisierte KI-Tools unterstützen die Mitarbeitenden in Bereichen wie Textarbeit, Social Media und Kommunikation und entlasten sie spürbar im Arbeitsalltag. Perspektivisch sollen KI-Agents Routineaufgaben wie die Bearbeitung und Prüfung von Anträgen selbst übernehmen – stets unter Einhaltung höchster Sicherheits- und Datenschutzstandards.
„Wir arbeiten mit Herz und gesundem Menschenverstand“
Neben all der Technisierung ist es essenziell, die Menschen mitzunehmen. Denn nicht alle sind routiniert im Umgang mit modernen Technologien und der ein oder andere hat durchaus Vorbehalte gegenüber einer zunehmend digitalisierten Welt. Doch Harald Hillebrand ist entschlossen, niemanden außen vor zu lassen. „Wir arbeiten mit Herz und gesundem Menschenverstand – reden mit den Leuten und helfen.“
Eine flächendeckende digitale Infrastruktur ist also eine der Grundvoraussetzungen, um Städte, Gemeinden und Kommunen fit für die Zukunft zu machen. Der Netzausbau der LNI ist ein gutes Beispiel dafür, was Gemeinden und Kommunen erreichen können, wenn sie gemeinsam an einem Strang ziehen. Für die nächsten Jahre hat Hillebrand und sein Team noch viel vor: „Ich wünsche mir, dass wir mit KI einen Standard erreichen, der heute vielen noch unvorstellbar ist: sehr viel auto-matisieren, dadurch Zeit für Menschen gewinnen und die Beschäftigten entlasten. Kurz: KI soll den Menschen im Amt und draußen helfen, ein besseres Leben zu führen.“
Kathrin Gnilka I filter Magazin