Regensburg entwickelt sich zu einem dynamischen Zentrum der Gesundheitswirtschaft: Forschung, Innovation und Wachstum treiben die Branche voran. Der BioPark, verschiedene Start-ups und neue Netzwerke fördern Ideen, schaffen Arbeitsplätze und stärken die Region als wichtigen Standort für Medizin, Biotechnologie und digitale Gesundheitslösungen.
Gesundheit betrifft uns alle – im Alltag, im Beruf und in der Gesellschaft. Doch hinter der Versorgung von Patientinnen und Patienten steht eine ganze Branche, die längst selbst zum Herzstück der Wirtschaft geworden ist. Die Gesundheitswirtschaft sichert Lebensqualität und Stabilität – nicht nur individuell, sondern auch national und regional. Deutschlandweit arbeitet inzwischen jeder sechste Erwerbstätige in diesem Bereich. Auch in der Region Regensburg zeigt sich, wie stark sich die Branche entwickelt: Zwischen 2011 und 2023 wuchs die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Gesundheitssektor um rund 45 Prozent auf 23.483. Damit ist die Branche einer der wichtigsten Treiber für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung in der Region.
Wachstum und Investitionskraft
Einen großen Anteil am Erfolg der Gesundheitswissenschaften trägt sicherlich der BioPark Regensburg. Was 1999 als kleines Biotechnologiezentrum auf dem Gelände der Universität Regensburg begann, hat sich zum zweitgrößten Biotech-Standort Bayerns und zu einem der Top 10 BioParks in Deutschland entwickelt. Den derzeit 34 ansässigen Unternehmen stehen hier Büroräume sowie Laborflächen mit einer Größe von insgesamt 18.000 Quadratmetern zur Verfügung. Darüber hinaus koordiniert der BioPark auch die BioRegio Regensburg – ein Netzwerk von 66 Unternehmen mit 5.671 Mitarbeitern aus ganz Ostbayern, die in den sogenannten Lebenswissenschaften tätig sind, also in Bereichen wie Biotechnologie, Pharmaforschung, Medizintechnik sowie Diagnostik und Analytik. Der BioPark fungiert dabei als Clustermanagement, das Unternehmen mit For-schungseinrichtungen, Hochschulen und Wirtschaft vernetzt, Kooperationen anstößt und Innovationen fördert. Gemeinsam haben diese Firmen seit der Gründung 839 Millionen Euro in die Life-Sciences-Branche der Region investiert.
Starthilfe für junge Gründer
Dabei richtet der BioPark sein Augenmerk vor allem darauf, jungen Unternehmen zu einem erfolgreichen Markteintritt zu verhelfen. Dr. Alexandra Sauter, Projektmanagerin im BioPark, erklärt die Strategie so: „Die Kernidee des BioParks ist, ein Umfeld für sehr frühphasige, junge Unternehmen zu bieten. Viele starten mit zwei oder drei Personen und haben nicht die Ressourcen, große Büro- oder Laborflächen zu mieten. Bei uns können sie klein anfangen und bei positiver Entwicklung wachsen. Gerade bei Medizinprodukten brauchen Teams individuelle Betreuung, Austausch mit erfahrenen Unternehmen, Kooperationen und ein belastbares Netzwerk. Dadurch vermeiden sie Fehler, die andere bereits gemacht haben.“
Denn nicht alle Gründerinnen und Gründer schaffen es, ihre Idee in ein erfolgreiches Unternehmen zu verwandeln. Im Bereich medizinischer Produkte und Dienstleistungen sind die Hürden besonders hoch. Neben einem starken Team und einem tragfähigen Businessplan spielen vor allem regulatorische Anforderungen eine zentrale Rolle. Schon früh müssen Fragen geklärt werden wie: Handelt es sich um ein Medizinprodukt? In welche Klasse fällt es – und welche Konsequenzen hat das für Entwicklung, Herstellung, Zulassung und Finanzierung? Für junge Menschen, die noch keine Erfahrung auf diesem Gebiet haben, wirken die Anforderungen schnell überwältigend. So scheitern viele wichtige Innovationen bereits in der Planungsphase.
Um dies zu verhindern, wurde im Mai 2023 das Accelerator Programm BioPark Jump ins Leben gerufen und für drei Jahre vom Bayerischen Ministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie finanziert.
Die Aufnahmekriterien sind bewusst niederschwellig. Egal ob Studenten oder Berufstätige – was zählt ist ein klarer medizinischer Bedarf für das jeweilige Produkt sowie eine erkennbare Abgrenzung zu bereits bestehenden Lösungen. Die Teams können Einzel- und Coworking-Büros sowie Plätze in zwei Laboren für bis zu zwölf Monate kostenlos anmieten. Während dieser Zeit erhalten sie Unterstützung in Form von Beratungsleistungen und Pitch-Trainings, lernen wie man einen Businessplan erstellt oder ein Patent anmeldet und profitieren von einem großen Mentorennetzwerk.
Dr. Alexandra Sauter ist vom Konzept überzeugt: „TechBase, BioPark, IHK, städtische Wirtschaftsförderung, die Gründungsberatungen an den Hochschulen und viele weitere Institutionen arbeiten eng zusammen. Wir tauschen uns regelmäßig aus und unterstützen Teams bestmöglich. Dieses engmaschige Netzwerk ist eine echte Stärke Regensburgs.“
Vulna Curae – Unterstützung für Menschen mit chronischen Wunden
Ein junges Unternehmen, das das Accelerator Programm des BioPark Jump in diesem Jahr durchlaufen hat, ist die medespro GmbH. Gründerin Alexandra Hoyer, eine gelernte Intensivkrankenschwester, nimmt sich mit ihrer Idee der Wundversorgung an. In Deutschland leiden etwa vier Millionen Menschen an chronischen Wunden. Diese entstehen meist durch arterielle oder venöse Durchblutungsstörungen, als Folge einer Diabeteserkrankung oder durch Wundliegen, wie es bei Rollstuhlfahrerinnen und -fahrern oder bettlägerigen Menschen auftritt.
Viele Pflegebedürftige versorgen ihre Wunden selbst. Die restlichen Behandlungen finden meist in Hausarztpraxen oder durch den Pflegedienst statt. Dabei wird die Wunde begutachtet und fotografiert, um den Heilungsverlauf zu dokumentieren, und anschließend neu verbunden. Diese regelmäßige Begutachtung ist wichtig und muss laut „Expertenstandard zur Pflege chronischer Wunden“ mindestens einmal wöchentlich erfolgen, um eine Verschlechterung frühzeitig zu erkennen. Denn unbehandelt kann eine chronische Wunde bis zur Amputation führen. Angesichts der personell angespannten Situation in vielen Praxen, führen diese routinemäßigen Kontrollen jedoch häufig zu einer Überlastung.

So sieht die VulnaCurae App von medespro GmbH aus. © medespro GmbH
Alexandra Hoyer versucht, diese Situation zu entschärfen. „Unsere App soll es digital affinen Patientinnen und Patienten ermöglichen, die Dokumentation selbst zu übernehmen. Sie machen wöchentlich ein Foto der Wunde, die App wertet es mithilfe von KI aus, und die Daten werden dem Behandlungsteam zur Verfügung gestellt, welches die Fotos nochmals prüft, um dann zu entscheiden, ob ein Vor-Ort-Termin nötig ist oder ob die Betreuung auf Distanz reicht.“
Die Vorteile schließen alle Beteiligten ein. Patientinnen und Patienten profitieren, weil sie mehr Selbstbestimmung gewinnen. Dadurch können sie den Heilungsverlauf eigenständig überwachen und sparen zugleich häufige Wege in Praxis oder Wundambulanz.
Die Behandelnden profitieren, indem sie regelmäßig aktuelle Daten und Fotos erhalten, Veränderungen frühzeitig erkennen und die Versorgung besser organisieren können. Das spart wertvolle Zeit, die sie für akute oder komplexere Fälle einsetzen können.
Auch die Krankenkassen profitieren, da durch die strukturierte Dokumentation und die bessere Kontrolle Transport- und Materialkosten sinken. Außerdem lassen sich durch frühzeitiges Eingreifen Komplikationen vermeiden und somit Krankenhausaufenthalte reduzieren.
Was in der Theorie schlüssig und notwendig klingt, ist in der Praxis jedoch ziemlich komplex. Um KI-Modelle darauf zu trainieren, Wundparameter automatisch zu erkennen und auszuwerten, werden sehr viele Bilddaten benötigt. Für ein Start-up ist es jedoch sehr schwierig, an ausreichend Daten zu kommen, da diese streng reguliert sind. Weiterhin sind für eine sogenannte „digitale Gesundheitsanwendung (DiGA)“, also eine App, die von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt verschrieben werden kann, zahlreiche Zulassungen und klinische Studien nötig. Die weiteren Kosten dafür schätzt Frau Hoyer auf rund 300.000 Euro. Ohne einen Investor, ist dies nicht zu stemmen.
Daher entschied sie sich, die App schrittweise auf den Markt zu bringen. Derzeit ist sie eine reine Dokumentationslösung und bereits kostenlos in den gängigen Appstores verfügbar. Betroffene machen lediglich ein Foto der Wunde und die App misst automatisch die Größe aus. Anschließend werden die Wundparameter manuell eingegeben,– etwa der Zustand des Wundgrundes – also der Bereich innerhalb der Wunde, der vom Wundrand umgeben ist –, die Beschaffenheit des Wundrandes oder das Vorhandensein von Sekret. Danach erstellt die App einen Wundbericht, den man herunterladen und per E-Mail an die Arztpraxis schicken kann.

Dr. Alexandra Sauter, Projektmanagerin BioPark (links) und Gründerin Alexandra Hoyer, medespro GmbH (rechts). © links: Dr. Alexandra Sauter / © rechts: Alexandra Hoyer
Der Weg, um die App in eine digitale Gesundheitsanwendung weiterzuentwickeln ist noch lang und durchaus anspruchsvoll, doch Frau Hoyer hat sich ein klares Ziel gesetzt: „Meine Vision ist, dass unsere App in Zukunft direkt an die elektronische Patientenakte angebunden ist und alle erfassten Daten automatisch und standardisiert einfließen. Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte können diese Informationen dort einsehen, ohne sie manuell übertragen zu müssen. Außerdem sollte der Austausch über den Instant-Messaging-Dienst für das deutsche Gesundheitswesen erfolgen, sodass alle Beteiligten sicher und datenschutzkonform kommunizieren können. Dadurch würden manuelle Eingaben, handschriftliche Dokumentationen und Faxgeräte entfallen und somit doppelte oder unvollständige Einträge und Fehler vermieden. Dies würde allen Beteiligten viel Zeit sparen und die Versorgung der Patientinnen und Patienten nachhaltig verbessern.“
Ideen wie diese können die medizinische Versorgung unterstützen und den steigenden Fachkräftemangel zumindest teilweise abfedern. Junge Gründerinnen und Gründer brauchen jedoch Rückhalt und gezielte Förderung bei der Entwicklung ihrer Ideen, davon ist auch Frau Hoyer überzeugt: „Ich finde es wichtig, dass die Öffentlichkeit versteht, wie solche Innovationen entstehen und dass es dafür Menschen braucht, die aus der Praxis kommen. Ohne Netzwerke wie den BioPark wäre so etwas kaum möglich. Sie schaffen die Strukturen, damit solche Ideen umgesetzt werden können – und das ist für die Zukunft des Gesundheitswesens essenziell.“
Kathrin Gnilka I filter Magazin