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Mobbing, Ausgrenzung, Beleidigungen: Jeden Tag werden an deutschen Bildungseinrichtungen - auch in Regensburg - Schüler und Studierende aufgrund ihrer Herkunft, ihres Gesundheitszustandes oder ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert. Das ist das Ergebnis einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. In der Berufswelt sind Diskriminierungen ebenfalls weit verbreitet.

Weißt du wie es sich anfühlt, wenn du dich neben jemanden hinsetzt, er aufsteht und sich einen neuen Platz sucht? Weißt du wie es sich anfühlt, wenn im Hauswirtschaftsunterricht niemand mehr von dem Gericht essen will, dass du abgeschmeckt hast? Weißt du wie es sich anfühlt, anders zu sein? Vielleicht gehörst auch du zu den Menschen, die wie Yao Animaka schon einmal ihre Erfahrungen mit Vorurteilen, Beleidigungen oder Alltagsrassismus gemacht haben.

Wer eine andere Hautfarbe, Herkunft oder sexuelle Neigung besitzt, wird laut einem aktuellen Antidiskriminierungsbericht des Bundes nicht selten diskriminiert. Auch Menschen mit einer Behinderung erleben häufig Kränkungen. Vor allem Diskriminierungen im Bildungsbereich und Benachteiligungen im Arbeitsleben sind in Deutschland weit verbreitet. Dem Bericht zufolge fühlt sich jede(r) vierte Schüler(in) oder Studierende mit Migrationshintergrund im Bildungsbereich diskriminiert; sechs Prozent der Befragten mit einer anerkannten Behinderung gaben an, eine Benachteiligung in Schule oder Hochschule erlebt zu haben. Homosexuellen Schülerinnen und Schülern wird durch Schulhofbeleidigungen häufig jedwedes Selbstwertgefühl genommen. Immer wieder werden Personen aufgrund ihres türkischen oder arabischen Hintergrunds beschimpft oder stigmatisiert. Die 26- jährige Cânân kann dies bestätigen: "In einem Seminar nannte mich der Dozent immer nur die Türkin. Er sagte nie meinen Namen, auch nicht nachdem ich ihn darauf aufmerksam gemacht habe, dass es mich stört." Weiter beklagt die Regensburgerin, dass sie nie als Deutsche wahrgenommen wird: "Die versteckten, unbewussten Beleidigungen ärgern mich. Obwohl ich einen deutschen Pass besitze, werde ich immer in die Schublade Ausländer gesteckt." Betroffene wie Cânân sind traurig und wütend. Viele leiden still, einige laut und bei fast allen wirken sich die Diskriminierungen negativ auf Leistung, Erfolg und Motivation aus.

Dies kann der 24-Jährige Yao, der vor neun Jahren aus dem Togo nach Regensburg kam, ebenfalls bestätigen. Obwohl sich der Westafrikaner in Deutschland gut integrierte, im Vorfeld die Sprache lernte, hier seinen mittleren Schulabschluss und seine Ausbildung machte und Freunde fand, gab es trotz allem immer wieder negative Erlebnisse. Diese reichten von rassistischen Bezeichnungen bis hin zu Ausgrenzung am Arbeitsplatz. So berichtet Yao beispielsweise von einer älteren Dame mit schweren Einkäufen: "In meiner Heimat ist es normal, Ältere zu unterstützen. Deshalb bot ich der Frau höflich meine Hilfe an. Sie allerdings beschimpfte mich aufs Äußerste." Vorbehalte gegenüber Menschen einer anderen Hautfarbe oder Herkunft hatte wohl auch seine ehemalige Lehrerin. Sie äußerte ihre unwahren Klischees über afrikanische Männer unverblümt vor der gesamten Klasse. Dies machte ihn sehr traurig. Zum Glück hatte er seinen Vater, der als politischer Flüchtling ebenfalls nach Deutschland kam und dessen Freunde. Auch einige Lehrer fingen ihn in solchen Situationen auf. Sie munterten den ehrgeizigen Togolesen, der vier Sprachen fließend spricht, auf und unterstützen Yao wo es nur ging. "Ich musste lernen, mich dem deutschen Verhalten anzupassen und die Anfeindung nicht persönlich zu nehmen. Schließlich hatten die Hänseleien sogar etwas Gutes: Ich war noch ehrgeiziger in der Schule, wollte noch besser werden in meinem Deutsch."

Im Arbeitsleben gehen die Diskriminierungen weiter. Bereits bei der Bewerbung müssen die oben beschriebenen Personengruppen mit Vorbehalten rechnen. "Ich habe für mein Praxissemester nahezu 40 Bewerbungen verschickt. Meine Kommilitonin hat ähnliche Noten wie ich, aber einen typisch deutschen Namen. Bei ihr reichten drei Bewerbungen. Glück, Zufall, wer weiß," so die 26- jährige Cânân. Arbeitgeber haben ihrer Meinung nach manchmal einfach keine Erfahrung mit Migration oder glauben, Personen die anders sind passen nicht in den Betrieb. Gerade auf dem Arbeitsmarkt wird aber deutlich, dass Unternehmen von Vielfalt profitieren können, wenn sie nur auf die Qualifikation und Motivation eines Menschen schauen. "Transparenz, Antidiskriminierungs- und Diversitystrategien müssen das Ziel eines jeden Unternehmens sein, wenn es nicht Gefahr laufen will, das Potential wertvoller, gut qualifizierter Arbeitskräfte zu verlieren", so die Reaktion der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Yao Animaka: "Ich wollte es allen zeigen!"

Yao Animaka fand recht zügig eine Ausbildungsstelle als Koch. Schnell merkte er allerdings, dass er im Team nicht willkommen war. Dies änderte sich auch nach einiger Zeit nicht. Stattdessen nahm das Mobbing zu: "Egal wie viel ich leistete oder wie gut meine liebevoll zubereiteten Gerichte auch waren, alles wurde von meinem Vorgesetzten negativ bewertet." Ob die Ausgrenzung im Zusammenhang mit seiner Herkunft steht, weiß Yao nicht, er weiß aber das sie sein Handeln beeinflusst haben. Zuerst verlor er die Lust, zog sich immer mehr zurück. Jede Beleidigung, jede ungerechte Behandlung machte er allein mit sich aus. Schließlich wurde der Druck zu groß. Er begab sich für drei Monate in Therapie. Dort lernte er seine negativen Erfahrungen und seine Lebensumstellung bewusst wahrzunehmen und mit ihnen umzugehen. Yao beschreibt diese Zeit so: "Ich konnte in den Gesprächen über wirklich alles offen reden. Es war als ob eine Last von meinen Schultern fiel. Das tat gut." Er kämpfte sich zurück ins Leben, lernte mit seiner Depression umzugehen und obwohl die Fachkräfte ihm dazu rieten die Ausbildung zu beenden, zog er sie durch. "Es war ein tolles Gefühl es allen und mir selbst gezeigt zu haben", so der ausgebildete Koch heute.

Damit Opfer von Diskriminierungen rasche Hilfe erhalten, fordern die Auftraggeber der Studie eine höhere Anzahl an unabhängigem Beratungs- und Beschwerdestellen. Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: "Gerade im Hinblick auf die demografische Entwicklung braucht Deutschland jeden qualifizierten Menschen, unabhängig von Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung, Geschlecht, Behinderung, aber auch sozialer Herkunft". Darüber hinaus müssten sich gesetzliche Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung in den jeweiligen Landesbildungsgesetzen wiederfinden. Als Orientierung kann hier das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes dienen. Reden ist laut Yao das A und O. "Eltern und Freunde stehen in der Verantwortung aufmerksam zu sein, zuzuhören." Dem 24-Jährigen hilft im Übrigen auch die Musik: "In meinen Songs kann ich meine Gefühle ausdrücken, Erlebnisse verarbeiten und anderen Mut machen".

Wer sich aufgrund seiner ethnischen Herkunft, Religion, seines Geschlechts, der sexuellen Identität oder einer Behinderung benachteiligt fühlt, dem bietet die Hochschule Regensburg sowie die Universität Regensburg die Möglichkeit einer Beratung. Studierende und Mitarbeiter der HS wenden sich an die Beschwerdestelle bei Diskriminierung und sexueller Belästigung (Gender und Diversity). An der Uni stehen die zentrale Studienberatung, die Psychologisch-Psychotherapeutische Studienberatung, die Frauen- und Elternspezifische Beratung sowie die Koordinationsstelle Chancengleichheit & Familie Ratsuchenden zur Seite.

Bild: Der 24-jährige Yao Animaka spricht im Interview über seine Erfahrungen mit Diskriminierung. (Foto: Juri Lotz)

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