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Auf Videoplattformen im Internet kann der User Videos finden, in denen Leute mit Pinseln über Mikrofone streichen, auf Dinge klopfen oder leise flüstern. Meistens handelt es dabei um herausgeputzte, junge Frauen mit augenscheinlich unterdrückter Helferpersönlichkeit. Die Aufrufzahlen für bekannte ASMR-„Künstler“ gehen dabei in die Millionenhöhe. Was ist dieses ASMR?

ASMR ist eine Abkürzung für Autonomous Sensory Meridian Response. Der Begriff bezeichnet die Erfahrung eines statisch-ähnlichen oder kribbelnden Gefühls auf der Haut, das typischerweise auf der Kopfhaut beginnt und sich am Nacken und der oberen Wirbelsäule entlang bewegt (sogenannte Tingles). Im Alltag empfinden Personen solche Wahrnehmungen zumeist in entspannten Situationen in Verbindung mit leichten Berührungen, z.B. beim Friseurbesuch, wenn die Schere leicht die Kopfhaut berührt, oder bei der zärtlichen Zuwendung einer anderen Person. Bei den ASMR-Videos auf Youtube wird dieser Effekt ähnlich, aber anders erzielt. Wie oben beschrieben, erzeugen die Videoproduzenten den Effekt vorrangig durch feine Geräusche und der Darstellung von entspannenden Situationen. Da werden Personen jugendfreundlich massiert, Friseurbesuche gefilmt oder sogar Hintergrundgeräusche von allen Möglichem aufgenommen. Eine Frau erzählt flüsternd Geschichten und Schaufensterpuppen-Köpfe, mit Mikrofonen im Ohr ausgestattet, werden mit Ohrstäbchen penetriert. Wie im Netz zu sehen ist, gibt es eine sehr große Variation an Videos, in denen solche Geräusche/Gefühle erzeugt werden.

Aber den Effekt von ASMR in Videos zu nutzen, ist natürlich nicht ganz so neu, wie der Laie vermuten könnte. Denn insgeheim nutzten Fernsehzuschauer Sendungen, um sich an diversen behaglichen Geräuschen zu laben. Zum Beispiel wurde die Sendung „The Joy Of Painting“ mit Bob Ross unter anderem angesehen, da die kratzenden Geräusche der Pinsel und die angenehme Stimme des Afroträgers den Zuschauern ein wohliges Gefühl brachte. Die zur besten Einschlafzeit (nach Mitternacht) auf BR-alpha gesendete Show hatte schon lange vor dem Auftreten der ersten ASMR-Videos auf Youtube ihr Debut.

Der Trend ASMR-Videos zu produzieren, begann frühestens im Jahr 2005. Damals als Youtube im Netz auftauchte und dem kleinen Mann die Möglichkeit bot, sich selbst in Videoform zu verwirklichen, konnten einige Personen zu richtigen Stars der ASMR-Szene aufsteigen. Der indische Barbier „Baba Sen“ aus Pushkar ist einer von ihnen. Im Jahre 2008 wurde von ihm ein Video hochgeladen, das ihn bei seiner Arbeit mit der „kosmischen Energie“ zeigt. In seinem kleinen Friseurladen verabreicht er seinen Kunden eine Kopf- und Oberkörpermassage, die er mit erratischen Bewegungen und Zischlauten aus dem Mund ausschmückt. Seitdem folgten eine ganze Reihe weiterer Videos, in denen er seine einzigartige Technik vorführt. Er erreichte dabei nahezu internationale Bekanntheit, die ihm einen besseren Lebensstandard ermöglichte. 2016 wurde ihm sogar eine zweiteilige Dokumentation gewidmet, namens „World's Greatest Head Massage“. Ein anderer Vertreter dieser „Zunft“ ist Luo Dong. Der ursprünglich aus China stammende Mann treibt sein Unwesen in Amerika: Auf der offenen Straße bietet er kostenlose Massagen an, um im Austausch die „Kneterei“ filmen zu dürfen und hochzuladen. Der Youtuber „HairCut Harry“ begann schon in den späten Neunzigern seine Friseurbesuche zu filmen. Dabei bereist er – wie so einige andere – die ganze Welt, um Barbershops aufzusuchen. Die hauptsächlich im englischsprachigen Raum lebenden Personen machten ASMR zum Massenphänomen.

Wenn also mal am Abend der Freund oder die Freundin nicht zur Hand ist oder die Sehnsucht nach Entspannung aufkommt, dann schaltet der eine oder die andere ein Youtube-Video mit einer klopfenden und kratzenden Person an. ASMR umreißt somit mit seinem beschworenen Wohlfühlaroma ein neues gesellschaftliches Fürsorgekapitel, welches Zärtlichkeit und Wohlwollen zu einem digitalen Kollektivereignis erhebt – Gute Nacht.

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