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Bayernweit ändert die Polizeiuniform ihre Farbe von Grün auf Blau. Doch was geschieht mit den alten, grünen Uniformen? Was haben sie spannendes erlebt? In welchen Situationen kamen sie zum Einsatz? Welche Menschen haben sie getragen? Und wem sind sie begegnet? Fragen, die sich Birgit Strasser zu Herzen nimmt. Gemeinsam mit der Behindertenhilfe GmbH der Barmherzigen Brüder in Straubing verwandelt die Designerin die Uniformen zu allem Möglichen, was den Alltag etwas spannender machen könnte.

Wer hat schon einen Rucksack, der sprichwörtlich hautnah bei der Verhaftung polnischer Autoschieber dabei war oder einen Turnbeutel, der haarscharf dem Schuss eines flüchtenden Kleindealers ausweichen konnte? In Straubing gibt es sie: Devotionalien aus echter Polizeiarbeit. Im Schweiße seiner Träger den Freistaat beschützt und bewacht.

Nach der Phase der Neueinkleidung der Polizistinnen und Polizisten in Bayern mit neuen blauen Uniformen werden die grünen nicht mehr gebraucht. Um diese aber nicht einfach wegzuwerfen, fertigt die gemeinnützige Behindertenhilfe GmbH der Barmherzigen Brüder exklusive Sporttaschen, Rucksäcke, Decken und andere einzigartige Produkte mit witzigen und individuellen Details für Jung und Alt. In den Werkstätten in Straubing werden aus den alten Uniformen handgemachte Einzelstücke geschaffen, sodass die ausgedienten Uniformen auch weiterhin im Alltag einsatzbereit sind.

Als man dem Projekt zustimmte, ging die bayerische Polizei von etwa 600.000 Kleidungsstücken aus, die den Weg in die Straubinger Werkstätten finden sollten. „Bislang sind es weit über 110 Tonnen an Kleidungsstücken, die bei uns schon eingetroffen sind“, erzählt Projektleiterin Katharina Werner von den Barmherzigen Brüdern. Das Projekt in Rollen brachte Andreas Holzhausen von der bayerischen Polizeigewerkschaft, der aus anderen Bundesländern von ähnlichen Initiativen hörte. Er wusste um die Kunstprojekte der Förderstättengruppe der Barmherzigen Brüder – und auf dem kurzen Dienstweg war vor einem Jahr die Idee geboren.

Immer wenn das Roll-Out (Uniform-Wechsel) einer Polizeidienststelle abgeschlossen ist, klingelt in Straubing das Telefon. Mindestabnahmemenge pro Abholung sind sechs Kubikmeter Polizeibekleidung. „Es ist eine freiwillige Geschichte, aber die meisten Beamten finden die Aktion prima und spenden“, berichtet Katharina Werner. „Die meisten Beamten holen alles raus, was ihr Dienstspind so an Grün zu bieten hat und werfen es in die Sammelcontainer. Dort landen dann auch wirklich kuriose Dinge, die sich über die Dienstjahre so in den Uniformtaschen ansammelten.“

So fanden die Mitarbeiter der Förderstätte neben Kugelschreibern, Blöcken oder Büchern tatsächlich auch Liebesbriefe oder andere sehr persönliche Gegenstände. Im Grunde wird fast alles verwertet – nur bei den Socken sind die Kreativen noch etwas ratlos. „Derzeit haben wir 16 Produkte im Sortiment, aber unsere Designerin Birgit Strasser entwirft Prototypen aus Materialien, die wir bislang noch nicht berücksichtigt haben“, verrät Werner. Die Diplom-Industriedesignerin entwickelt  in enger Zusammenarbeit mit der Barmherzigen Brüder Behindertenhilfe mit viel Kreativität und Begeisterung die Produktideen, die von den Menschen mit Behinderung umgesetzt werden können.

Seit Ende 2017 sind die 16 Produkte der Kollektion „110 2.0“ im Onlineshop erhältlich. „In kürzester Zeit haben sich einige Produkte zum absoluten Renner entwickelt und sind bereits chronisch ausverkauft. Da kommen wir auch mit dem Produzieren kaum hinterher“,  berichtet Katharina Werner. Obwohl zwischen 99.- und 129,- Euro nicht gerade ein Schnäppchen, sind vor allem Rucksäcke und Sporttaschen der absolute Verkaufsschlager.

„Wir können im Sinne der Polizei natürlich Produkte vermarkten, die für sie stimmig sind.“ Aber das sei bislang immer der Fall gewesen. Gut – das Yoga-Kissen oder die Damen-Clutch Marke „110 2.0“  haben mit Polizei-Arbeit jetzt nicht ganz so viel zu tun. Aber man wollte in erster Linie auch vom militaristischen Touch weg und quasi erst beim zweiten Hingucken einen AHA-Effekt erzielen. So taucht beispielweise der Schriftzug POLIZEI immer mal wieder auf, aber nie komplett. „Wir dürfen an einem Stück maximal ein Drittel davon verwenden“, verrät Werner.

Natürlich müssen gewisse polizeiliche Sicherheitsaspekte erfüllt bleiben. So wird peinlich darauf geachtet, dass die abgegebenen Uniformen nicht in falsche Hände kommen. Schließlich wird in Bayern immer noch Grün getragen. Auch müssen Hoheitszeichen entfernt werden, um Missbrauch zu vermeiden. Allerdings bleiben viele der Produkte aber ohnehin „in der Familie“. Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass vor die upgecycelten Polizei-Devotionalien vor allem unter Polizeibeamten beliebt sind, um beispielsweise ausscheidenden Kollegen ein einzigartiges Abschiedsgeschenk zu bereiten.
 
Für die Mitarbeiter der gemeinnützige Behindertenhilfe GmbH der Barmherzigen Brüder ist die Arbeit mit den Uniformen längst zu einer Passion geworden. „Es wäre schade, sie einfach zu entsorgen. Gerade in einer Zeit, in der es immer wichtiger wird, verantwortlich mit allen Ressourcen umzugehen“, so Mitarbeiterin Claudia Zerr, die mit der Sortierung der angelieferten Teile jede Menge zu tun hat. Unter Upcycling versteht man eine Form des Recyclings, also eine Wiederverwertung, die mit einer Aufwertung des verwendeten Stoffes oder Produktes einhergeht.

„Ein Gegenstand wird aufgewertet, indem man ihn in einem ganz neuen Umfeld einsetzt“, erklärt Katharina Werner.  Bei Uniformen steht, wie es der Name schon ausdrückt, eine einheitliche Form und Erscheinung im Vordergrund. Dabei ist der unkonventionelle Umgang mit der ehemaligen Dienstkleidung wesentlich. Die Diplomdesignerin Birgit Strasser ist der kreative Kopf, der hinter dem Prozess der Verwandlung dieser „Uni-Formen“ in individuelle und einzigartige Produkte steckt.

Wenn jede dieser Uniformen viele Geschichten erzählen kann – warum nicht diese Geschichten weiter erzählen oder neue Geschichten daraus machen? Selbst so ein Turnbeutel aus der Kollektion „110 2.0“ kann einiges erleben – wenn man ihn nicht vergisst.  Nur die Verwertung der Uniform-Socken bereitet der Kreativ-Abteilung noch schlaflose Nächte. Aber auch dafür wird Birgit Strasser irgendwann eine Verwendungsmöglichkeit finden. Wir hätten da eine Idee …

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