Seit 2019 ist der Taycan am Markt, Porsches Superstromer und auch bei uns immer wieder gerne gesehen für verschiedene Tests. Jetzt hat Porsche den Taycan nachgeschärft. Unsere Vermutung: da er äußerlich wirklich schon unglaublich gut abgestimmt war, hat man sich zwangsweise der Technik gewidmet. Spaß beiseite!
Wie der gewogene Leser weiß, testen wir an E-Fahrzeugen im filter querbeet alles, was die Händler und Hersteller uns zum Test anbieten. Da in Tanks von Verbrennerfahrzeugen einfach mehr Energie abgespeichert werden kann als in einem Akku und diese trotz schlechter Verwertung weiter kommen tun sich manche E-Konzepte Reichweitenbedingt schwerer. Es kommt also immer auf den Verwendungszweck des Stromers an und damit auf das Konzept des Herstellers für seine Kunden. Ein flaches, windschnittiges Auto benötigt weitaus weniger Energie bei 130 km/h wie ein SUV-Schrank, der wie ein Riesen-Würfel durch den Sturm gezogen wird. Ist der Würfel dann noch schwer, braucht es – im Vergleich zu einem leichten Auto – auch noch mehr Energie, um ihn „berganzuheben“ und so ergänzt sich eins zum anderen und bedeutet geformelt: maximale Reichweite = flach und leicht = Taycan. Wollen Sie also nicht nur langsam durch die Stadt (Windwiderstand irrelevant) sondern auch mal reisen, dann kommen die meisten Stromkonzepte schnell an die Grenze bzw. Zapfsäule.
Dazu kommt beim Taycan ein weiteres Plus: wer Porsche mag und sich mit Preisen auskennt, sieht und erfährt: für das Geld bekommt man wahnsinnig viel Porsche. Testen Sie die Fahrdynamik selbst: Überraschung garantiert. 90 Prozent Elferdynamik für 75 Prozent Elfer-Preis. Der eine präferiert dabei die heckseitig perfekt gestaltete Limousine, der andere die sportliche Kombivariante Sport Turismo oder deren offroadig angehauchtes Derivat Cross Turismo.
Auf also ins neue Porsche Zentrum Regensburg und den neuen Taycan abgeholt. Neu ist natürlich relativ, haben wir doch ein Facelift vor uns. Und da der Taycan einfach dermaßen zeitlos in der Linienführung 2019 auf den Markt gebracht wurde, ist eine optische Umgestaltung nicht ganz risikofrei. Der Taycan wurde nur behutsam gepflegt, bleibt sich treu. Neu gestaltete Schweller und Schürzen verbreitern das Fahrzeug optisch, umrahmt von neuen Scheinwerfern und Heckleuchten. Wer hier „steil“ gehen will, bedient sich eines Taycan Turbo S GT mit Weissachpaket und max. 1108 PS – da gibt es dann eine Kuchenbude hintendrauf, damit der Anpressdruck da ist, wenn man ihn braucht. Unser ziviler 4S bleibt brav und elegant. Auch innen wird man eher wenig Neues finden: Kombiinstrument, Zentral-Display und optionales Beifahrer-Display verfügen über eine optimierte Nutzeroberfläche, links vom Lenkrad gibt es einen neuen Wählhebel zur einfacheren Steuerung der Fahrassistenzen. Mit freibelegbaren Tasten kann man auch Assistenzen abschalten ohne in die Menüs zu müssen – Speed-Klingeln (EU-Vorgabe) goodbye.
Das Interieur des Taycans ist porschetypisch am obersten Level. Instrumente, Armaturenträger, Türverkleidungen – alles ist perfekt aufeinander abgestimmt und fließt harmonisch ineinander. Es sitzt. Der Kofferraum fasst übrigens 407 (1200 umgeklappt), der Frunk 84 Liter.
Den Fokus des Facelifts hat Porsche eben ganz woanders gelegt: Fahrwerk & Antrieb. Alle Taycans erhalten serienmäßig ein adaptives Luftfederfahrwerk. Wer das neue Porsche Active Ride Fahrwerk optioniert, erhält damit ein System, das die Karosserie (hydraulisch) horizontal hält (Wanken und Nicken adé), egal ob beim Bremsen, Beschleunigen oder unebenem Terrain. In der Kurve kann es sogar überhöhen, Sie werden also etwas mehr in den Sitz gedrückt und etwas weniger Richtung Türe. Beide Systeme sorgen sowohl für mehr Grip, aber eben auch für erhöhten Komfort. Andererseits hat Porsche die Motoren und deren Stromspeisung und Effizienz verbessert. Zwischen 408 und 1038 PS entscheidet der Geldbeutel. Dazu wurde die Akkukapazität vergrößert, das Gewicht selbigens aber verringert (maximal sind 105 kWh verbaut und davon 97 kWh nutzbar). Ebenfalls wird – aus dem Rennsport übertragen – in einem optionalen Sport Chronopaket ein Push-to-Pass Button verbaut, der kurzfristig nochmal Extrapower (je nach Modell) bereitstellt. Im 4S sind es 82 PS für 10 Sekunden – samt Countdown im Display.
Bleiben wir bei unserem 4S. Mit der Performance Batterie Plus kann er bis zu 517 PS abrufen, mit Overboost kurzfristig 598 PS. Als Drehmoment liegen dabei gesamt bis zu 718 NM an. Beim Verbrenner haben Sie die maximale Leistung in einem schmalen Drehzahlband, da müssen Sie hintreiben, hinschalten, hinwarten. Der Tay liefert sofort ab: ins Pedal hacken – Kopf in Nacken. Mit Launchcontroll schafft er es in 3,7 Sekunden auf 100 km/h und regelt bei 250 km/h ab. Mit der Performance Plus Batterie wiegt der Taycan 4S dabei 2250 kg, ohne Batterie 2170 kg (alle etwas leichter als der Prefacelift). Zu Gute kommt ihm natürlich sein tiefer Schwerpunkt und die extrem gute Gewichtsverteilung. Mit 1,37 Metern Höhe ist er gerade mal einen halben Zentimeter höher als ein aktueller Elfer – dynamischer Fahrgenuss pur. Porsche hat mit dem neuen Akku auch bei der Ladetechnik mehr als deutlich nachgeschärft. Sind Sie unterwegs und nutzen eben den Schnelllader, so zieht er sich einen Teil der Zeit bis zu 300 kW zum Laden. Von 10 auf 80 Prozent benötigte man vorher eine gute halbe Stunde, jetzt sind es nur noch 18 Minuten im direkten Vergleich – mehr als 50 Prozent weniger trotz 12 kWh mehr Kapazität. Auch die maximale Rekuperation wurde um 30 Prozent angehoben – bis zu 400 kW Bremsleistung können rückgeführt werden.
Unsere Langstreckentests mit dem ersten Taycan haben die Werksangaben (bei passendem Wetter) damals weit überschritten, heute messen wir bei 100 km/h 16,5 kW/h und bei 130 km/h 23,5 kW/h benötigte Energie. Damit wären 590/535 km möglich. In der Stadt geht es erheblich weiter, bremst hier ja kein Fahrtwind nennenswert dagegen.
Zu den Modellen: Los geht es mit dem Taycan bei 101.500 Euro und in unter 5 Sekunden auf 100 km/h. 408 Elektro-PS sind mehr als genug und er schafft auch die größte Reichweite schon im standardisierten WLTP-Messzyklus (kombiniert Stadt/Land) mit bis zu 678 km. Den 4S gibt es ab 120.900 Euro (544 PS, 642 km – unser Testwagen lag dank vieler Optionen bei gut 145.000 Euro) – und wer sich zum Mond schießen möchte, wählt Turbo (+175 k, 884 PS, 630 km), Turbo S (+209 k, 952 PS, 630 km) oder zum Mars dann den Turbo GT oder GT mit Weissachpaket und mehr Downforce. Beide haben dann 1034 PS und brauchen knapp über 2 Sekunden auf 100 km/h und werden auch nicht abgeregelt (+/- 300 km/h). Dafür geht es aber bei extraterristischen 240.000 Euro los. Der Taycan – einfach seiner Zeit voraus.
Auto:
Nick Lengfellner | filterVERLAG