Er kommt - spät, aber dafür umso frischer. Porsches neuer Macan ist seit Ende Oktober auf dem Markt und wir testen im kühlen Spätherbst Porsches erste Komplettumstellung einer Verbrennerreihe in ein rein elektrisches Modell und sind mehr als gespannt, ob er im SUV-Bereich eine ähnlich gute Performance wie der Taycan im Segment der sportlichen Limousinen leistet.
Cayenne und Macan sind die bei Porsche weltweit am meisten verkauften Fahrzeuge. Knapp jeweils 90.000 verlassen die Werke pro Jahr und fahren dann auf und um die ganze Welt. In den letzten 200.000 km meines eigenen Cayennes musste ich lediglich eine Glühkerze (25 Euro) wechseln – ein quasi eigener und überzeugender Langstreckentest, der den Wert dieser Fahrzeuge mehr als rechtfertigt. Dazu vereinen auch die SUVs eben durchaus Eigenschaften, die die Marke Porsche ausmachen: elegant, absolut kraftvoll und mit einem Fahrwerk-Setup, dass ein sportliches Fahren ermöglicht. Das Ganze wird immer ergänzt durch ein stimmiges und wertiges Interieur mit motorsportlichen Akzenten. Die Marke Porsche bedeutet also weit mehr als markiger Sound aus der Abgasanlage und trotzdem ist es mutig, diesen wichtigen Topseller in Sachen Antriebsstrang komplett umzudenken.
Die wichtigsten Komponenten für sportliches Fahren: Durchzug und ein niedriger Schwerpunkt samt guter Gewichtsverteilung. Wo im Verbrenner vorne z. B. ein schwerer V8 wütet, sitzt im Stromer-Macan nur Kühlung und Regeltechnik. Der schwere Akku (einzelne Module austauschbar!) befindet sich unten in der Bodenplatte, die Motoren arbeiten hinter und vor den Achsen: Gewicht perfekt verteilt.
Jede Achse wird dabei von zwei PSM-Elektromotoren (permanentangeregt) angetrieben – aufgrund ihres Bauprinzips nicht ganz entkoppelbar, aber dafür absolut straight in der Reproduzierbarkeit der abzugebenden Power, falls diese einmal öfter nacheinander gefordert wird.
Sportlich ist auch die stark ausgeprägte, porschetypische Flyline der Karosserie und ergibt in Kombination mit den starken Schultern ein kraftvoll-geducktes Äußeres. Neu ist dabei auch die Aufteilung der Frontscheinwerfer mit obigem Vierpunkttagfahrlicht und unten, etwas tiefer im Bugteil sitzend, dem Hauptscheinwerfermodul. Schnittig ist die Karosserie nicht nur für das Auge, auch der Fahrtwind umströmt hier günstig. 0,25 cW-Wert ist außerordentlich wenig, erreicht mitunter auch durch aktive und passive Elemente: Porsche Active Aerodynamics (PAA) – wie u.a. aktive Kühlklappen, Abrisskanten am Heck, dem Diffusor oder einem vollflächig verschlossenen Unterboden.
Ab auf die Straße
16 Grad, bestes Wetter. Ist es draußen wirklich kalt, wärmt eine 6kW Heizung den Akku an, um sein Leben möglichst angenehm und lange zu gestalten. Über die Porsche App kann dies auch geplant werden – sich ein bisschen um sein Auto kümmern schadet nie. Wir holen unseren Macan 4 direkt im Porsche Zentrum Regensburg von der Ladesäule. Warm und voll quasi – und sofort geht es auf die Autobahn zum Verbrauchstest. Laut Hersteller schafft das Einstiegsmodell Macan Electric 641 km im WLTP-Testzyklus, unser Macan 4 bis zu 612 km, der 4S bis zu 606 km und der Turbo 590 km. Die neuen und kompakteren Akkus können 100 kWh speichern und davon 95 nutzen.
Wir testen unseren Macan 4 auf ebener Strecke (konstante Geschwindigkeit, Verbraucher reduziert):
Speed 100 km/h, Verbrauch für 100 km 15,7 kWh, Reichweite so gefahren ca. 600 km. Bei 130 km/h: 21,5 kWh, Reichweite so ca. 440 km. Auf der Landstraße zurück aus dem Bayerischen Wald haben wir bei zwangsweise langsamer Fahrt 75 km/h als Durchschnittsgeschwindigkeit erzielt, knapp 12 kWh für 100 km benötigt und kämen so knapp 800 km weit. Der Fahrer hat es am Fuß. Dabei können wir im Overboost bis zu 300 kW/408 PS und satte 650 NM Drehmoment abrufen, immer und zu jederzeit. Damit geht es in 5,5 Sekunden auf 100 km/h, bei 220 km/h ist die Maximalgeschwindigkeit erreicht.
Zum Vergleich hat das Einstiegsmodell Macan Electric 265 kW/360 PS (5,7 auf 100, 563 NM, Vmax 220), der 4S 380 kW/516 PS (4,1 auf 100, 820 NM, Vmax 240) und der Turbo 470 kW/639 PS (3,3 auf 100, 1130 NM, Vmax 260). Dabei kann mit 240 kW rekuperiert werden – das ist ungefähr die Hälfte der Energie beim Vollbremsen. Alle Macans können mit bis zu 270 kW geladen werden – in gut 20 Minuten von 10 auf 80 % oder 100 km in vier Minuten. Zu Hause dauert eine komplette Ladung je nach Leistung eine Nacht oder etwas mehr.
Fahrspaß dank Kontrolle
Und wie immer sei auch hier angemerkt: die Charakteristik Verbrennermotor versus Elektroantrieb ist komplett unterschiedlich und ledigliche Leistungswerte der Maschinen zum Vergleich ungeeignet. Egal wie viele Gänge man einbaut, um den Verbrenner in seinem besten Drehzahlbereich abzuholen – der Stromer pulverisiert ihn. Die Kraft, also das Drehmoment, liegt bei Pedaltritt immer an, egal bei welcher Drehzahl und schalten muss er auch nicht. Im Gegensatz zum Taycan spart sich der Macan sogar den zweiten Gang, die weiterentwickelten Motoren drehen höher aus. Damit wird wiederum Gewicht und zusätzliche Technik vermieden. Großes Auto (4,98 m), großer Akku, großes Gewicht – trotz allen Maßnahmen stehen unbepackt 2.330 kg auf der Straße. Wanken und Nicken bei Lastwechseln also? Nein, die kurvige Landstraße räubert er präzise. Knackigst vor der Kurve abbremsen, durchzirkeln und vollgas herausbeschleunigen, ohne dass nachkorrigiert werden muss. Auf diesem Level steht der Macan alleine auf weiter Flur: tiefer Schwerpunkt mit Porsches extrem gut eingestelltem Fahrwerk – Fahrspaß dank Kontrolle. Wie immer ist ein optionales adaptives Luftfederfahrwerk samt Höhenregulierung eigentlich ein Musthave, will das SUV auch mal artgerecht genutzt werden. Urlaub im wilden Hinterland Umbriens? Unverhoffte Rampen, Wasserdurchfahrten, Schlammpassagen und ausgefahrene Wege – Karosserie hoch und durch, so macht das Leben Spaß. Macan und Cayenne können das erst recht mit dem Winterpneu. Übrigens hat der neue Macan 8,6 cm mehr Radstand als sein Vorgänger und damit noch kürzere Überhänge. Auf der Autobahn und der kurvigen Landstraße dann tief absenken, Dämpfung auf Sport: Genießen!
Wie im Motofilter 2024 länger ausgeführt: auch ein schweres Fahrzeug geht genauso gut um die Ecke, wenn das Fahrwerkssetup und der Grip passen. In Serie laufen beim Macan vorne 235er und hinten 285er auf 20 Zöllern. Mit optionalen 21 oder 22 Zollfelgen bekommt man dann schon 255 und 295er Pneus. Die Gripgrenze zu erreichen dauert. Wer ultraagil und dabei noch spurtreuer sein will, optioniert eine Hinterachslenkung (max. 5 Grad Lenkwinkel pro Rad) und setzt sogar dazu noch eines mit Torque Vectoring Plus samt einhergehender Hinterachs-Quersperre drauf. Deutlich kleineres Sportlenkrad – die Lenkung und deren Feedback ist wirklich besonders gut gelungen.
Interieur: hebt sich der Macan schon durch sein fein gestaltetes Äußeres aus der etwas nüchternen SUV-Masse ab, so legt er innen nochmals nach. Wertigkeit und Eleganz verdienen das Prädikat Championsleague. Porsche hat auch hausintern die Nase vorne und vielleicht die Ellbogen entsprechend ausgefahren. Hier sitzt man (mit sehr gutem Seitenhalt) im Platzhirsch. Alles ist perfekt aufgeräumt, die Klimatisierung hat eigene Wippen – diese vermissen wir nur für das Fahrwerk, welches über den Touchscreen eingestellt wird. Dieser, sowie auch die anderen Screens sind harmonisch ins Design eingepasst und Gott sei Dank nicht so ausladend groß und alienhaft aufgesetzt wie bei anderen. 32,2 cm vor dem Fahrer, 27,3 cm für Center und den optionalen Schirm des Beifahrers – mit welchem (nur) er auch Videos beim Fahren schauen kann. Viele optionale Pakete gestalten und individualisieren auf Wunsch weiter. Der Kofferraum fasst bis zu 1.348 Liter, der Frunk 84 Liter. Das sind 136 Liter mehr als im Vorgänger. Im Vergleich zu vielen anderen zieht der Macan jedoch stattliche zwei Tonnen Anhängelast.
Fazit: Der Macan zeigt einen Weg nach vorne – für Freunde der elektrifizierten Fahrkultur ein deutscher Lichtblick. Der Preis ist dabei nicht weit weg von einem in der Leistung vergleichbaren (!) Vorgänger-Macan und startet bei 80.700 Euro. Unser 4er beginnt bei 84.100 Euro.
Nick Lengfellner | filterVERLAG