In Würde altern – das wünschen wir uns alle. Doch nicht allen wird dieses Geschenk zuteil. Viele Familienmitglieder können sich nicht um Angehörige kümmern. Unterstützung bei der häuslichen Pflege ist nicht ausreichend und Pflegepersonal ist hoffnungslos überlastet. Die Regensburger Kandidaten der Parteien erläutern, wie sie dieses Problem anpacken möchten.
Unsere Gesellschaft altert und stellt unser Pflegesystem vor schier unüberwindbare Herausforderungen. Bereits heute haben wir aufgrund des signifikanten Personalmangels einen dramatischen Pflegenotstand. Dieser wird sich in den nächsten Jahre noch weiter verschärfen. Pflegeberufe sind anstrengend, unterbezahlt und werden in unserer Gesellschaft nicht ausreichend gewürdigt. Wir haben die Regensburger Kandidaten gefragt, wie sie dieses Problem bewältigen möchten, falls sie in den Bundestag einziehen.
Regensburger Nachrichten:
Das Durchschnittsalter unserer Gesellschaft steigt stetig und damit auch der Bedarf an Versorgungsleistungen für diese Altersgruppe. Bereits heute verzeichnen wir einen eklatanten Pflegenotstand in Deutschland. Laut Statistischem Bundesampt wird der Bedarf an Pflegekräften bis zum Jahr 2049 im Vergleich zu 2019 um rund ein Drittel auf 2,15 Millionen ansteigen. Somit werden in Deutschland im güntigsten Fall 280,000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt. Welche konkreten Pläne verfolgen Sie, um diesem Versorgungsbedarf gerecht zu werden?
CSU, Peter Aumer:
Pflege darf kein Armutsrisiko sein – das ist unser Anspruch. Wir lassen uns von Solidarität und Generationengerechtigkeit leiten. Die Soziale Pflegeversicherung in Deutschland ist ein Erfolgsmodell in der Sozialpolitik. Aufgrund veränderter Rahmenbedingungen braucht sie 30 Jahre nach ihrer Einführung durch die Union ein Update. Dazu brauchen wir einen umfassenden gesellschaftlichen Dialog über das zentrale Zukunftsthema Pflege und müssen neue Wege gehen, damit die Versorgung von Pflegebedürftigen verlässlich und bezahlbar bleibt. Wir schaffen gute Rahmenbedingungen für Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und die Beschäftigten in der Pflege. Mit einer klaren Finanzierungsstruktur schaffen wir die Voraussetzungen, um gute Pflege für Jung und Alt in unserem Land zu gewährleisten.
- Vorsorge bezahlbar und nachhaltig machen: Wir setzen bei der Vorsorge für den Pflegefall auf einen Finanzierungsmix bestehend aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, der betrieblichen Mitfinanzierung, Steuermitteln sowie einer eigenverantwortlichen Vorsorge. Bezahlbare Pflegezusatzversicherungen können die Finanzierungslücke in der Pflege schließen. Wir prüfen die bessere steuerliche Absetzbarkeit solcher Modelle als Teil einer nachhaltigen Vorsorge. Unser Ziel ist eine bestmögliche Absicherung der pflegebedingten Kosten gerade für diejenigen, die andernfalls Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssten.
- Für finanzielle Stabilität der Sozialen Pflegeversicherung sorgen: Neben einer schnellen finanziellen Stabilisierung erarbeiten wir ein umfassendes Konzept für eine stabile pflegerische Versorgung in einer alternden Gesellschaft und setzen es schnellstmöglich um. Dabei geht es auch darum, die Mittel der Sozialen Pflegeversicherung bedarfsgerechter so einzusetzen, dass finanzielle Belastungen der Betroffenen bestmöglich abgefedert werden.
- Angehörigen den Rücken stärken: Wir stellen die häusliche Pflegesituation in den Mittelpunkt und wollen die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf stärken. Wir wollen mehr Vereinfachung mit einem Pflegebudget erreichen, das flexibel für pflegerische Leistungen eingesetzt werden kann. Durch starke Netzwerke im direkten Umfeld und Chancen der Digitalisierung ermöglichen wir es weiterhin einer hohen Anzahl von Pflegebedürftigen, so lang wie möglich in den eigenen vier Wänden zu wohnen.
- Prävention und Rehabilitation vor Pflege: Die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit ist für uns nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit. Mit Prävention und Reha wollen wir Pflegebedürftigkeit möglichst lange aufschieben. Somit entlasten wir das System tiefgreifend.
- Pflegeberufe attraktiver machen: Eine zukunftsfeste Pflege braucht Menschen, die in den vielfältigen Berufen arbeiten. Um dem Personalnotstand entgegenzuwirken, setzen wir auf attraktive Arbeitsbedingungen wie planbare Einsatzzeiten und Springerpools zum Abfedern von Belastungsspitzen, Aufstiegsmöglichkeiten, neue Berufsbilder und Anwerbungen im Ausland. Gleichzeitig unterstützen wir den Einsatz und die Zusammenarbeit multiprofessioneller Teams und von Fachkräften unterschiedlicher Qualifikationsstufen. Wir stärken die Rolle von Pflegefachpersonen in der gesundheitlichen Versorgung und vereinfachen Dokumentationsprozesse, die viel Zeit in Anspruch nehmen.
- Pflege ganzheitlich denken: Stationäre und ambulante Einrichtungen sollen mehr Gestaltungsmöglichkeiten in der Versorgung erhalten. Durch neue Wohn- und Betreuungsformen, in denen Pflege- und Betreuungskräfte sowie Angehörige die Versorgung gemeinsam übernehmen, wollen wir starre Sektorengrenzen abbauen.
- Weniger Bürokratie, mehr Zeit für menschliches Miteinander: Wir bringen die Digitalisierung in der Pflege voran, streben die enge Verzahnung von Medizinischem Dienst und Heimaufsicht zur Vermeidung von Doppelstrukturen an und prüfen deren Zusammenlegung. Wir bekämpfen überbordende Bürokratie und wollen Öffnungsklauseln und Erprobungsmöglichkeiten für flexible Lösungen und neue Modelle schaffen. Unser Ziel ist: Mehr Zeit für den Menschen und weniger Zeit für Verwaltung.
- Schutz und Würde des Lebens: Wir bauen die Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung aus und wollen so einen würdevollen Abschied aus dem Leben ermöglichen. Die aktive Sterbehilfe lehnen wir ab. Für einen wirksamen Lebensschutz beschließen wir ein umfassendes Suizidpräventionsgesetz.
SPD, Dr. Carolin Wagner:
Pflegebedürftigkeit darf nicht zur Armutsfalle werden! Das Zwei-Klassen-System von gesetzlicher und privater Pflegeversicherung muss beendet werden. Stattdessen brauchen wir ein solidarisch finanziertes Pflegesystem, das allen Menschen eine Versorgung bietet, stabile Beiträge gewährleistet und ein Armutsrisiko ausschließt. Die private Pflegeversicherung muss in eine soziale und leistungsgerechte Finanzierung aller Pflegekassen einbezogen werden. Über einen Pflege-Deckel wollen wir die hohen Kosten für Pflegebedürftige in der stationären Langzeitpflege begrenzen: Die Pflegekosten müssen bei 1.000 Euro begrenzt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Menschen in häuslicher Pflege nicht schlechter gestellt werden. Die SPD wird sich deswegen unter anderem für mehr Zeitsouveränität für alle pflegenden Angehörigen durch die Familienpflegezeit und das Familienpflegegeld – analog zum Elterngeld – einsetzen. So können Familien ohne Nachteile ihre Angehörigen so lange wie möglich im vertrauten, häuslichen Umfeld versorgen.
Ein klarer Fokus liegt auf dem Pflegepersonal: Es wäre katastrophal, wenn der Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen noch weiter ansteigen würde. Deshalb sind hier Verbesserungen von Lohn, Arbeitszeiten aber auch von Befugnissen des Personals nötig. Das beginnt bei der Ausbildung: Wir setzen uns für eine praxisnahe und kostenfreie Ausbildungen in den Gesundheitsfachberufen ein.
Als SPD wollen wir mit den Maßnahmen die Solidarität im Sozialstaat stärken und ein klares Signal setzen: Pflege darf kein Luxus sein, sondern muss für alle bezahlbar bleiben – unabhängig von regionalen und wirtschaftlichen Unterschieden.
Bündnis 90 / Die Grünen, Stefan Schmidt:
Pflegebedürftige Menschen müssen sich darauf verlassen können, würdevoll behandelt zu werden. Dazu gehört auch, dass Pflege wieder bezahlbar wird. Pflegebedürftige sollen bei der Pflege, Therapie oder bei der Haushaltsführung flexibler als bisher unterstützt werden, zum Beispiel in Form eines Pflegebudgets. Wir wollen auch die Situation der pflegenden Menschen verbessern. Wer Angehörige pflegt, soll einfacher vom Beruf freigestellt werden und finanzielle Unterstützung erhalten. Pflegekräfte brauchen gute Arbeitsbedingungen, um sich würdevoll um ihre Patient:innen kümmern zu können. Dafür wollen wir unter anderem die Bürokratie in der Pflege auf ein Mindestmaß reduzieren.
FDP, Ulrich Lechte:
Jeder kann im Alter oder durch eine Krankheit in die Situation geraten, dass er seinen Alltag nicht mehr alleine bewältigen kann. Wir setzen uns für eine menschliche und qualitativ hochwertige Pflege in Deutschland ein. Die Realität ist allerdings: In Deutschland haben wir einen zunehmenden Mangel an Pflegefachkräften und zu viel Bürokratie. Die Pflegefachkräfte sind oftmals überlastet und die individuelle Zuwendung kommt viel zu kurz. Wir Freie Demokraten wollen mehr Zeit für Zuwendung ermöglichen – durch einen umfassenden Bürokratieabbau, bessere Arbeitsbedingungen und Digitalisierung im Pflegebereich.
Wir setzen uns für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege ein. Darum wollen wir von der Bildung über eine bedarfsgerechte Personalbemessung bis hin zu mehr Karrierechancen dafür sorgen, dass der Beruf wieder attraktiver wird. Nur so können wir den Personalmangel an seinem Ursprung angreifen und mehr Personal in die Versorgung bringen. Geben wir den Pflegenden wieder Zeit und Raum für ihre Arbeit.
Für die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland wollen wir ein modernes Zwei-Säulen-System etablieren: Die Blue Card wollen wir auch für nichtakademische Fachkräfte weiter öffnen und Mindestgehaltsgrenzen senken. Zudem wollen wir einen europäischen Talentpool mit Punktesystem nach kanadischem Vorbild einführen. Wir wollen Einwanderung in den Arbeitsmarkt und nicht in die sozialen Sicherungssysteme. Für gut integrierte Schutzsuchende muss es die Möglichkeit eines „Spurwechsels“ in eine der beiden Säulen der Einwanderung in den Arbeitsmarkt geben.
Freie Wähler, Regina Seebauer-Sperl:
Wie bereits in Ihrer Frage zur Bekämpfung von Fachkräftemangel formuliert, haben wir dazu einige Vorschläge als kurz- und langfristige Aktion.
Um dem Pflegenotstand nachhaltig zu begegnen, setzen wir uns für eine langfristige Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufs ein. Dies umfasst insbesondere bessere Bezahlung, moderne Arbeitsbedingungen und die gesellschaftliche Wertschätzung, die Pflegekräfte verdienen. Doch wir wissen: Die Pflege braucht nicht nur langfristige Lösungen, sondern auch sofortige Maßnahmen, um den akuten Personalmangel zu bewältigen. Deshalb schlagen wir folgende Schritte vor:
- Die Delegation von Pflegeaufgaben an angelernte Kräfte ermöglicht es Pflegekräften, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren, während einfache Tätigkeiten oder organisatorische Aufgaben von unterstützenden Kräften übernommen werden. Dies entlastet das Fachpersonal und bietet Quereinsteigern die Chance, aktiv im Pflegebereich mitzuwirken.
- Wir setzen uns ausserdem dafür ein, dass Berufsgruppen wie Heilerziehungspfleger offiziell als Pflegefachkräfte anerkannt werden. Diese Fachkräfte bringen bereits wertvolle Kompetenzen und Erfahrungen mit, die sie zu einer wichtigen Unterstützung im Pflegebereich machen. Mit der Anerkennung weiterer Berufsgruppen können wir nicht nur die Zahl der verfügbaren Pflegekräfte erhöhen, sondern auch die Vielfalt und Qualität der Pflege insgesamt verbessern.
BSW, Irmgard Freihoffer:
Wir wollen eine Gesundheits- und Pflegepolitik, die jedem Kranken und Pflegebedürftigen eine gute Versorgung sichert, und nicht eine, die die Profite von Pharma- und Klinikkonzernen sowie der Finanzinvestoren, die immer mehr Pflegeheime und Arztpraxen übernehmen, in die Höhe treibt.
Die Palliativmedizin, die Versorgung mit Hospizen und die stationäre Pflege sind so zu fördern, dass diese Phase des menschlichen Lebens in Würde verbracht werden kann.
Anstatt qualifiziertes Personal aus dem Ausland abzuwerben brauchen wir eine Aufwertung der Pflegeberufe durch faire Löhne als auch einen entsprechenden Personalschlüssel bei der Betreuung der zu pflegenden Personen, der die Pflegekräfte nicht überlastet. Der Beruf muss deutlich attraktiver werden.
Die Linke, Sebastian Wanner:
Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind katastrophal, jedoch wären aktuell bis zu 300.000 Pflegekräfte wieder bereit in die Pflege zurückzukehren, wenn die Arbeitsbedingungen besser werden. Deswegen fordern wir flächendeckende Tarifverträge und eine Rücknahme von Ausgliederungen, Privatisierung und Outsourcing. Die gesetzlich vorgeschriebene Personalbemessung muss dazu führen, dass Pfleger:innen wieder Zeit für ihr Patient:innen haben. Wir sagen: Jede Pflegekraft leistet mehr als alle Spitzenmanager zusammen, das muss in Politik und Gesellschaft ankommen. Schluss mit dem Ökonomisierungsdruck und hin zu einer menschengerechten Pflege – ein Gewinn für alle Beteiligten!
AfD, Carina Schießl:
Um dem Pflegenotstand in Deutschland effektiv zu begegnen, muss der Fokus auf praxisnahen Lösungen liegen. Ein wesentlicher Schritt ist, dass wir Bürgergeldempfänger in den Arbeitsmarkt integrieren, insbesondere in systemrelevante Berufe wie die Pflege. Die Schaffung von attraktiveren Ausbildungsbedingungen und einer fairen Bezahlung kann diese Berufe wieder interessanter machen. Doch dafür müssen wir auch die Verschwendung von Steuergeldern beenden. Ein Paradebeispiel für diese Verschwendung sind die Radwege in Peru – Projekte, die mit deutschen Steuergeldern finanziert werden und nichts mit den dringenden Bedürfnissen der deutschen Bevölkerung zu tun haben. Ein Teil der so eingesparten Gelder muss direkt in die Pflege fließen, um sicherzustellen, dass wir den steigenden Bedarf an Pflegekräften decken können, ohne den Steuerzahler zusätzlich zu belasten.
Welcher Partei trauen Sie zu, das Problem zu bewältigen? In unserer nächsten Frage geht um das Thema Umwelt – bleiben Sie dran!
In unserem Bundestagswahl-Special finden Sie weitere Antworten der Regensburger Kandidaten auf drängende Fragen: Bundestagswahl 2025: Regensburgs Kandidaten und ihre Antworten auf drängende Fragen
Kathrin Gnilka | filterRedaktion