Wir haben mit Robert Brüderlein, Pressesprecher bei der Agentur für Arbeit, darüber gesprochen, warum es in Regensburg und der Region aktuell zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen kommt, welche Branchen besonders betroffen sind und wie Zuwanderung, Kurzarbeit und die Möglichkeit zur Weiterbildung den Arbeitsmarkt prägen.
Ein Interview mit Robert Brüderlein, Pressesprecher der Agentur für Arbeit Regensburg.
Können Sie uns bitte die aktuellen Arbeitslosenzahlen für Regensburg und die Umgebung nennen?
Im gesamten Agenturbezirk (Regensburg, Kelheim, Neumarkt) waren im Dezember 11.931 Menschen arbeitslos gemeldet. Das waren um 428 mehr als im November und 1.204 mehr als im Dezember des Vorjahres und entspricht einer Arbeitslosenquote von drei Komma drei Prozent. Im Bereich der Stadt Regensburg bedeutet dies 4.226 Arbeitslose (Arbeitslosenquote vier Komma sechs Prozent). Das sind 76 Arbeitslose mehr als im Vormonat und 537 mehr als im Vorjahr. Im Landkreis Regensburg sind 3.232 Menschen arbeitslos gemeldet (zwei Komma acht Prozent). Dies sind um 143 Personen mehr als im Vormonat und 394 mehr als im Vorjahr.
Können Sie einordnen, warum es zu einem Anstieg gekommen ist?
Die Arbeitslosenzahlen sind im Jahresdurchschnitt gegenüber dem Vorjahr um neun Komma vier Prozent gestiegen. Der Arbeitsmarkt läuft zwar nach wie vor besser als die Konjunktur, aber es zeigen sich Effekte der angespannten Wirtschaftslage. Mit einer Arbeitslosenquote von drei Komma zwei Prozent im Jahresdurchschnitt 2024, haben wir im Agenturbezirk noch einen guten Wert. Allerdings beschränken die Inflation, gedämpfter Konsum und sinkende Investitionsbereitschaft die wirtschaftlichen Aktivitäten. Die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen ist zwar nach wie vor gegeben, verläuft allerdings verhaltener.
In welchen Branchen verzeichnet sowohl der Landkreis Regensburg als auch die Stadt Regensburg die höchsten Arbeitslosenzahlen? Woran liegt das?
Im Gebiet der Stadt Regensburg verzeichnen wir die größte Anzahl an Arbeitslosen in der Verkehrs- und Logistikbranche (521) gefolgt vom Handel (465). Im Landkreis Regensburg liegt der höchste Bestand an Arbeitslosen ebenfalls im Berufssegment Verkehr und Logistik (411) vor, gefolgt von der Branche der Sicherheitsberufe (366).
Dass speziell in der Logistikbranche eine besonders hohe Arbeitslosigkeit zu verzeichnen ist, liegt unter anderem daran, dass diese stark von einer Transformation betroffen ist. Die Ausrichtung der Unternehmen hat sich sehr gewandelt – von einer großen Lagerhaltung wird abgesehen, stattdessen läuft vieles nach der Produktions- und Lieferstrategie just-in-time. Somit verringert sich der Bedarf an Lagerpersonal.
Also führt diese Transformation einerseits zu einer höheren Arbeitslosigkeit, aber andererseits auch zu einem erhöhten Fachkräftemangel?
Die Arbeitslosigkeit steigt aufgrund einer schwächeren Konjunktur. Dadurch sinkt die Produktion in vielen Bereichen und es werden somit einerseits weniger Arbeitskräfte benötigt. Andererseits wirkt sich neben der demographischen Entwicklung die Transformation der Arbeitswelt auf den Fachkräftemangel aus. Die Veränderungen durch die Dekarbonisierung, erneuerbare Energien, Klimawandel, Digitalisierung und Automatisierung – um nur einige zu nennen – nehmen Einfluss auf die Berufsfelder.
Ein Beispiel ist der ehemalige Beruf des Kraftfahrzeugmechanikers. Mittlerweile sind Fahrzeuge so hoch technisch ausgestattet, dass Fehleranalyse und Reparaturen nicht mehr mit Werkzeug, sondern dem Laptop erfolgen. Elektrofahrzeuge stellen völlig andere Anforderungen an die Werkstätten. Die Konsequenz hieraus ist, dass Unternehmen bei der Einstellung von Mitarbeitern höhere Anforderungen stellen und auf Zusatzqualifikationen bedacht sind. Für die Arbeitnehmer bedeutet dies, dass sie in immer schnellerem Tempo ihr berufliches Know-how anpassen müssen, um mit dem technischen Fortschritt mithalten zu können.
Welche Jobs sind für Arbeitnehmer attraktiver geworden, und welche weniger?
Bei den Beschäftigten steigt tendenziell der Wunsch nach mehr Flexibilität in der individuellen Arbeitszeitgestaltung. Die zu beobachtende steigende Teilzeitbeschäftigung beruht zu einem erheblichen Teil auf dem Wunsch von Männern nach einer Einschränkung der Arbeitszeit.
Diese Wünsche und Tendenzen wirken sich auch darauf aus, welcher Beruf ergriffen wird, da sich diese nicht in allen Branchen gleich gut umsetzen lassen. So werden die Dienstleistungsbranchen hier klar gegenüber dem Handwerk bevorzugt. Die Großindustrie bleibt nach wie vor attraktiv für Arbeitnehmer, da auch hier flexible Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten werden und gute Verdienstmöglichkeiten bestehen.
Welche Programme und Initiativen setzt die Agentur für Arbeit ein, um Arbeitslose in der Region Regensburg gezielt in den Arbeitsmarkt zu integrieren, insbesondere in Branchen mit hohem Fachkräftebedarf?
Fachkraft ist und bleibt nur, wer bereit ist, seine Qualifikationen anzupassen und auszubauen. Arbeitslose können im Beratungsgespräch mit ihrer Vermittlungskraft Bedarfe für Qualifizierung herausarbeiten und umsetzen.
Die Beratungsdienste der Agentur für Arbeit beschränken sich aber nicht auf die Beratung von Arbeitslosen, sondern stehen auch für Menschen in Beschäftigung zur Verfügung. Die Agentur für Arbeit Regensburg bietet ab sofort jeden Dienstag von 09:00 Uhr bis 12:00 Uhr und jeden Donnerstag von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr eine telefonische Sprechstunde für die Berufsberatung für Erwachsene an. Unter der Rufnummer 0941-7808-750 können erste Fragen geklärt und bei Bedarf ein persönlicher Beratungstermin vereinbart werden.
Weitere Informationen unter: www.arbeitsagentur.de/vor-ort/regensburg/berufsberatung-fuer-erwachsene
Es wird häufig prophezeit, dass die Arbeitslosenzahlen weiter steigen werden. Denken Sie das auch? Und wenn ja, was ist der Grund dafür?
Eine Prognose ist nur sehr schwer möglich. Derzeit stehen die Zeichen eher so, dass die Arbeitslosigkeit vermutlich noch etwas ansteigen wird. Mit einem großen Einbruch am Arbeitsmarkt ist jedoch nicht zu rechnen. Die Unsicherheiten durch die konjunkturelle Schwäche, den anhaltenden Krieg in der Ukraine und die eventuelle politische Neuausrichtung nach der Bundestagswahl werden sicherlich den Arbeitsmarkt beeinflussen.
Zuwanderung und Migration
Inwieweit beeinflussen Zuwanderung und Migration die Arbeitsmarktsituation in der Region und welche Strategien verfolgt die Agentur für Arbeit zur Integration von Migrantinnen und Migranten?
Grundsätzlich sprechen wir von drei Phasen der Integration. Ob Menschen in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt werden, entscheidet sich rechtlich nach wie vor danach, ob sie etwa als Kriegsflüchtlinge oder politisch Verfolgte als schutzbedürftig eingestuft werden. Bei Anerkennung erhalten sie zunächst eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis. Parallel in dieser ersten Phase des Ankommens und der Orientierung laufen Integrations- und Sprachkurse. Fachkräfte und Experten, die auch ohne Deutschkenntnisse arbeiten können, wie etwa im IT-Bereich, werden sofort vermittelt. Die zweite Phase ist die Arbeitsaufnahme. Die Beschäftigung von Geflüchteten lohnt sich für Unternehmen und die Gesellschaft. Gerade angesichts der demographischen Entwicklung und des Arbeits- und Fachkräftemangels. Anerkennungsverfahren ausländischer Berufsqualifikationen werden neben dem Job durchgeführt. In der dritten Phase geht es um Stabilisierung und Ausbau der Beschäftigung. Es können Kompetenzen und Sprachkenntnisse angewendet und verbessert werden. Arbeit ist der Schlüssel für eine gelingende Integration.
Dennoch ist es so, dass bei Geflüchteten eine Arbeitsaufnahme aufgrund vorgelagerter Sprach- und Integrationskurse im ersten Jahr eher die Ausnahme bleibt.
Kommen diese mittlerweile schneller in Arbeit?
Das war ja auch ein zentrales Anliegen von Olaf Scholz.
Ende 2023 wurde der sogenannte Job-Turbo initiiert. Der Kerngedanke ist es, geflüchtete Menschen mit grundlegenden Deutschkenntnissen frühzeitig in Arbeit zu integrieren und ihre Weiterentwicklung parallel zum Beruf voranzutreiben. Deutlich steigende Zahlen bei der Beschäftigung von Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit bestätigen die Aktivitäten.
Die Realität zeigt zudem, dass die meisten Menschen nicht nur ihren Lebensunterhalt mit Erwerbsarbeit bestreiten, sondern sie vielfach auch ihre soziale Teilhabe, ihre Identität und ihren Selbstwert stärkt.
In welchen Branchen finden Geflüchtete in erster Linie Arbeit?
Im Agenturbezirk verzeichnen wir im Vergleich zum Vorjahr bei Ausländern die größten Zuwächse bei der Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe, im Gastgewerbe und im Gesundheits- und Sozialwesen.
Kurzarbeit
Neben der hohen Arbeitslosenzahl ist auch Kurzarbeit seit einiger Zeit wieder ein großes Thema. Wie viele Menschen sind aktuell davon betroffen? Welche Branchen trifft es am stärksten?
Derzeit befinden sich im Agenturbezirk Regensburg (Stadt und Landkreis Regensburg, Kelheim und Neumarkt) 47 Betriebe in konjunktureller Kurzarbeit. Davon betroffen sind rund 800 Beschäftigte, die fast ausschließlich im verarbeitenden Gewerbe tätig sind.
Die betroffenen Arbeitnehmer erhalten von der Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld. Das sind 60 Prozent des Nettoentgelts. Arbeitnehmer mit Kindern erhalten 67 Prozent. Wie groß ist dadurch die finanzielle Belastung für die Bundesagentur für Arbeit?
Die BA hat im Jahr 2023 bundesweit rund 1,7 Milliarden Euro an Kurzarbeitergeld gezahlt. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor.
Fort- und Weiterbildung
Welche Weiterbildungsangebote werden besonders stark nachgefragt und wie unterstützt die Agentur für Arbeit die Qualifizierung von Arbeitskräften in zukunftsträchtigen Berufsfeldern?
Weiterbildungen werden in sehr vielen Bereichen nachgefragt. Hervorzuheben sind die Fortbildungen und Umschulungen im Bereich Pflege. Dort geht man vom größten Potenzial an Personalbedarf aus. Die Transformation in den Unternehmen macht aber Qualifizierung in allen Bereichen notwendig.
Können auch aktuell beschäftigte Arbeitskräfte Zuschüsse für Fortbildungen von der Agentur für Arbeit erhalten, wenn sie sich in bestimmten Bereichen weiterqualifizieren möchten?
Die BA kann die berufliche Weiterbildung einzelner Beschäftigter eines bestehenden Arbeitsverhältnisses durch Zuschüsse zum Arbeitsentgelt sowie volle oder teilweise Übernahme der Weiterbildungskosten fördern. Die berufliche Weiterbildung kann flexibel an die Bedürfnisse des Betriebes angepasst und in Vollzeit, Teilzeit oder berufsbegleitend durchgeführt werden. Wie die Förderung genau aussieht und wie man den Antrag stellt, erfahren Sie auf der Seite der Bundesagentur für Arbeit unter www.arbeitsagentur.de/unternehmen.
Nach welchen Kriterien wird entschieden, wer Anspruch auf Förderungen für Fortbildungen hat?
Folgende grundsätzliche Voraussetzungen für die individuelle Förderung von Beschäftigten müssen unter anderem erfüllt sein:
- Die berufliche Weiterbildung umfasst mehr als 120 Stunden (muss nicht am Stück absolviert werden).
- Die berufliche Weiterbildung sowie der Bildungsträger sind für die Förderung zugelassen.
- Es werden Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die über ausschließlich arbeitsplatzbezogene, kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinausgehen.
Ein Interview von Marina Triebswetter / filterMagazin