Sperrungen, Schleifenverkehr, weniger Parkplätze, mehr Bäume und Wasser: Der Planungsausschuss hat über das neue Verkehrskonzept für die Regensburger Innenstadt beraten. Dabei waren sich die Parteien nicht immer einig. Wer fürchtet Nachteile – und was könnte die Verkehrsberuhigung für Regensburgerinnen und Regensburger bedeuten?
Die Verkehrsberuhigung der Regensburger Altstadt und die geplante Mobilitätsdrehscheibe am Unteren Wöhrd standen am gestrigen Dienstag, den 15. Juli, auf dem Plan der Sitzung des Planungsausschusses. Dreieinhalb Stunden wurde über die Vor- und Nachteile debattiert.
Stadt spricht von städtebaulichem Wandel
Tanja Flemmig, Leiterin des Stadtplanungsamtes, betonte zu Beginn der Sitzung, wie intensiv die Stadt und das Stadtplanungsamt am Konzept zur Verkehrsberuhigung der Altstadt gearbeitet hätten und dankte ihrem gesamten Team für ihr Engagement. Planungs- und Baureferent Florian Plajer bezeichnete das Verkehrsberuhigungs-Konzept als „städtebaulichen Wandel“ – es handle sich um mehr als nur eine Änderung der Verkehrsfläche.
Obwohl auch von den Parteien viel Lob für den Planungsaufwand kam, wurde auch viel debattiert.
Kein Durchkommen durch die Altstadt: Schleifen sollen Pkws zum Umfahren zwingen
Geplant ist, dass der motorisierte Individualverkehr die Altstadt nur noch in festgelegten Schleifen um das Stadtzentrum herum befahren darf. Besonders die langfristige Sperrung des Fischmarkts für den Individualverkehr sorgte für Diskussionen. Während Klaus Rappert (SPD) das Schleifenkonzept als geeignet betrachtete, um die Altstadt sowohl für Bewohner als auch Besucher gut erreichbar zu halten, ist Michael Lehner (CSU) anderer Meinung: „Dadurch werden Geschäfte sterben“, prophezeit der Fraktionschef der CSU. Er habe bereits mit verschiedenen Geschäftsleuten gesprochen und viele würden die Verkehrsberuhigung am Fischmarkt besonders fürchten.
Irmgard Freihoffer vom BSW hält dagegen, dass Studien aus dem Ausland gezeigt hätten, dass der Einzelhandel im Falle einer Verkehrsberuhigung in der Regel leicht zunehme – ausgenommen seien bestimmte Branchen.
Lehner kritisiert in diesem Zusammenhang auch, dass die Parkhäuser in der Stadt zum Teil sehr schwer erreichbar seien, man müsse etwa auf vielbefahrene und staugefährdete Straßen wie die Friedensstraße im Süden ausweichen. So würden Fahrtwege unnötig verzögert werden. Tanja Flemmig verweist an der Stelle darauf, dass die aktuellen Umfahrungswege genau geprüft und Verkehrsführungen gegebenenfalls optimiert werden, sodass Parkplätze wieder besser anfahrbar werden.
Bewohner- statt Besucherparkplätze
Im Zuge der Verkehrsberuhigung fallen in der Innenstadt viele öffentliche Parkplätze weg. Das sei ein wichtiger Schritt zu mehr Klimaresilienz und soll der Lärmbelastung durch den hohen Parksuchverkehr entgegenwirken.
Einige dieser Parkplätze sollen nicht ganz entfallen, sondern in Anwohnerparkplätze umgewandelt werden. Ein Punkt, den etwa Michael Lehner (CSU) kritisch sieht. An dem Punkt sind sich CSU und ÖPD einig. So führt Benedikt Suttner (ÖDP) an, dass sich Altstadtbewohner bewusst für diese Lage entscheiden – mit allen Vorzügen und auch Nachteilen, die auch er als Innenstadtbewohner in Kauf nehme. Dazu zähle auch, keinen Stellplatz vor der eigenen Haustüre zu haben.
Flemmig ordnet ein, dass nicht in jeder Gasse Bewohnerparkplätze geplant seien, der Stadt gehe es in erster Linie darum, dass die Stellplätze besser geordnet werden und für Bewohner klar als Anwohnerstellplätze erkennbar sind.

Auch auf der Mobilitätsdrehscheibe am Unteren Wöhrd gibt es bereits einen augewiesenen Parkplatz für Bewohner.
Was passiert mit den Kurzzeitparkern?
CSU-Fraktionschef Lehner äußert außerdem Bedenken, dass durch den Wegfall vieler Kurzzeitparkplätze – wie etwa dem am Alten Kornmarkt – für viele Besucher ein schneller Einkauf, ein Friseurtermin oder ein Mittagessen mit Kollegen fast unmöglich werden würden. Hans Teufl (Die Grünen) kontert, dass Kurzzeitparker eigentlich zu jeder Tageszeit Parkplätze im Parkhaus bekommen würden.
Zu genau festgelegten Zeiten soll auch der Lieferverkehr in die Stadt einfahren können. Zudem sind mehr Packstationen geplant, so können Lieferfahrzeuge etwa alle Pakete auf einmal abliefern, ohne sich durch die einzelnen Altstadtgassen zwängen zu müssen. Auf Rückfragen verschiedener Parteien äußerte Flemmig, dass die Innenstadt selbstverständlich weiterhin für Notärzte, Ärzte und Pflegedienst anfahrbar bleibe.
Mehr Aufenthaltsqualität oder Gefahr für den Einzelhandel?
Michael Lehner (CSU) bleibt der Überzeugung, dass wenn die Maßnahmen so wie geplant umgesetzt werden würden, dass der „Einzelhandel massive Existenzprobleme“ bekommen werde.
Weniger Verkehr und parkende Autos in der Innenstadt würden zur Steigerung der Aufenthaltsqualität beitragen, entgegnet Flemmig. Auch Klaus Rappert (SPD) und Grünen-Fraktionschefin Maria Simon gehen davon aus, dass die Aufenthaltsqualität in der Stadt durch die Verkehrsberuhigung gestärkt werde.
Fußgängerzonen, mehr Begrünung und Wasser
Im gesamten Altstadtraum sollen mehr Fußgängerzonen entstehen und nach und nach Teile der Stadt umgestaltet werden. 2026 soll sich zum Beispiel die Obermünsterstraße in eine grüne Stadtoase verwandeln – viele gepflanzte Bäumen und sogar ein Bachlauf sind geplant. Diese Maßnahmen befürworteten alle Parteien.

Eine Skizze, wie das Obermünsterviertel künftig aussehen könnte. © Stadtplanungsamt
Mehr Barrierefreiheit sorgt für Einigkeit
Einer der weiteren unstrittigen Punkte der Sitzung waren eine Verbesserung der Barrierefreiheit in der Stadt sowie mehr barrierefreie Buszustiege, etwa am Fischmarkt.
Dürfen Fahrräder in der Innenstadt künftig noch fahren?
In sehr schmalen Gassen zieht das Verkehrskonzept Fahrverbote für Fahrräder in Erwägung. Das stößt bei vielen Parteien auf Ablehnung. Brücke-Fraktionschef Thomas Thurow spricht sich klar gegen ein Verbot aus und auch Horst Meierhofer (FDP) verweist darauf, dass die eigentliche Gefahr eher in großen Straßen oder Gebieten wie dem Neupfarrplatz entstehe, wo Radfahrer zum Teil mit 30 durchrasen würden. Florian Rottke (Brücke) wünscht sich stärkere Kontrollen statt Verbote.
Mobilitätsdrehscheibe am Unteren Wöhrd: Was, wenn der Platz nicht reicht?
„Das gesamte Verkehrskonzept steht und fällt mit der Mobilitätsdrehscheibe“, ist Christoph Schießl von den Freien Wählern überzeugt. Sowohl Schießl als auch Horst Meierhofer (FDP) bezeichnen das geplante Parkhaus am Unteren Wöhrd in der aktuellen Ausarbeitung als zu klein. Nach diesen sind die Parkmöglichkeiten auf 1.000 Plätze begrenzt. Zuerst waren deutlich mehr Stellplätze geplant. Nach diesen Plänen könnte die Mobilitätsdrehscheibe den Wegfall der Parkplätze in der Innenstadt nicht ganz ersetzen – insgesamt stünden 123 Stellplätze weniger im Vergleich zu vorher zur Verfügung, erläutert auch Brücke-Fraktionschef Thomas Thurow.
Florian Rottke (Brücke) bemängelt darüber hinaus, dass das Parkhaus im Falle eines Mehrbedarfs nicht mehr erweitert werden könne, was nach den ersten Plänen möglich gewesen wäre. Die Grünen hatten befürchtet, dass über die bereits versiegelte Fläche des alten Eisstadions hinaus weitere Flächen zur Vergrößerung des Parkhauses versiegelt werden würden. Deshalb ging die Stadt den Kompromiss ein, das Parkhaus in Zukunft nicht mehr zu erweitern. Sollten in Zukunft hingegen weniger Parkplätze benötigt werden, könnten die Parkplätze auf der freien Parkfläche zurückgebaut und etwa durch Grünflächen ersetzt werden.
Grüne und ÖDP stehen dem Parkhaus allgemein kritisch gegenüber. Grünen-Fraktionschefin Maria erklärt, dass ihre Partei gespalten sei: Während ein Teil das Parkhaus als Teil des Gesamtkonzepts betrachtet, spricht sich der andere stattdessen für eine Stärkung des ÖPNV und die P + R-Parkplätze außerhalb aus. Obwohl sie hier unterschiedlicher Meinung sind, würden die Grünen dem Gesamtkonzept geschlossen zustimmen, kündigt Simon bereits zu Beginn der Sitzung an.

Die Mobilitätsdrehscheibe am Unteren Wöhrd.
Hotel-Check-in am Parkplatz?
Hotelbetreiber in der Innenstadt befürchten weniger Gäste durch die Verkehrsberuhigung. So scheint die Idee, einen Art Hotelcounter direkt an der Mobilitätsdrehscheibe zu installieren, als durchaus sinnvoll. Hier soll bequem geparkt und gleich sein Gepäck aufgegeben werden und langfristig eventuell sogar eingecheckt werden können – dann geht es kostenlos mit dem E-Bus Emil oder zu Fuß in die Innenstadt. Für dieses Konzept sitzt die Stadt jedoch aktuell noch an der Ausarbeitung und steht im Austausch mit den Hotels.
Soviel kostet die Verkehrsberuhigung
18 Millionen Euro wurden für die Verkehrsberuhigung und die Mobilitätsdrehscheibe angesetzt. Aufgrund der eineinhalbjährigen Verzögerung und einer erheblichen Steigung der Baukosten in dem Zeitraum rechnen die Stadtwerke mit einer höheren Gesamtsumme, wobei ein genauer Betrag noch nicht benannt werden könne. Sollte das Konzept scheitern und nicht gebaut werden, würden dem Stadtwerk Kompensationszahlungen in Millionenhöhe drohen.
Die finale Entscheidung steht noch aus
Was trotz aller inhaltlicher Differenzen klar wurde ist, dass fast allen Parteien wichtig ist, dass endlich etwas vorangeht. Das ist wohl auch der Grund, warum einige Parteien zwar mit der Entscheidung rangen, weil sie nicht alle Punkte des Konzepts gut fanden, dem Entwurf letztendlich aber trotzdem zustimmten.
Mit den Stimmen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der Freien Wähler, der ÖDP und des BWS beschloss der Ausschuss die Verkehrsberuhigung der Innenstadt. Diese sieht zusammengefasst unter anderem vor, dass der motorisierte Individualverkehr die Altstadt künftig nur noch in festgelegten Schleifen anfahren darf, öffentliche Parkplätze entfallen oder in Bewohnerparkplätze umgewandelt werden, die Fußgängerzonen deutlich erweitert werden, der Lieferverkehr zeitlich beschränkt wird und die Umgestaltung mit mehr Grün- und Wasserflächen vorangetrieben wird. Die CSU und die FDP stimmten gegen den Beschluss.
Doch bevor die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, wird das Thema am nächsten Donnerstag, den 24. Juli, noch einmal im Ausschuss für Verwaltung, Finanzen und Beteiligungen diskutiert, bevor am 30. Juli dann die finale Entscheidung in der Vollversammlung des Stadtrates fällt.
Wie finden Sie das Konzept einer Verkehrsberuhigung der Innenstadt und was halten Sie von der Mobilitätsdrehscheibe? Senden Sie uns Ihre Meinung gern an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Alle weiteren Infos zur Verkehrsberuhigung in der Altstadt sowie der Zukunft der Mobilitätsdrehscheibe am Unteren Wöhrd erfahren Sie auf Regensburger Nachrichten.
Marina Triebswetter | RNRed