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Die Lobeshymnen überschlagen sich. „Das Wunder von Regensburg“ nennen es die einen, das „Spektakel-Spiel“ titeln die anderen. Dabei hat der SSV Jahn Regensburg am 24. Spieltag der laufenden Zweitligasaison einfach nur den Fußball gespielt, der die Mannschaft gerade in den vergangenen Wochen so erfolgreich werden ließ. Das Außergewöhnliche daran: Sie haben damit erst beim Stande von 0:3 angefangen – und brauchten keine Stunde, um das Spiel gegen Fortuna Düsseldorf in einen 4:3 zu drehen.

Friedhelm Funkel hat als Spieler so manch historisches Match erlebt. Als der Trainer von Fortuna Düsseldorf am Freitag Nachmittag zum ersten Mal ein Regensburger Fußballstadion betrat, ahnte er nicht, dass er diesen Tag und die Continental Arena wohl sein Leben lang nicht vergessen wird. Dies tat er erst Recht nicht nach 15 Spielminuten, als sein Aufstiegsaspirant Nummer 1 bereits mit einem Zwischenstand von 0:3 einen Unterschied zwischen beiden Teams deutlich machte.

Bin dahin gab es sehr wohl einen Unterschied. Der SSV Jahn spielte wie gewohnt sein offensives Pressing, vollendete jenes aber zu ungenau, was dem Tabellenzweiten entsprechend Raum für kluge, wunderschöne Konter bescherte. So waren es Hennings (nach 3 Minuten), Raman (nach 13) und Usami (nach 15), die Philipp Pentke im Regensburger Tor überwinden und die Fortuna Richtung erste Liga bomben konnten.

Denn auch Düsseldorf war gewarnt vor dem Jahn. Selbst sieglos in den letzten zwei Partien konnte der SSV Jahn sieben der letzten neun Heimspiele gewinnen. „Es war das erwartete Spiel voller Hingabe auf beiden Seiten. Was den Jahn besonders auszeichnet ist die Tatsache, dass sich das Team nie aufgibt“, lobte Friedhelm Funkel nach dem Spiel. Dabei hatte er bereits vor der Begegnung das 3:2 gegen Ingolstadt im Hinterkopf, das die Regensburger aus einem 0:2 Rückstand noch drehten.

Sicherlich ging es mit den drei Gegentoren nach nur 15 Minuten drei Nummern zu schnell. Fast hätten Usami und Ayhan das Ergebnis nach 30 Minuten noch auf 0:5 geschraubt. Doch einmal rettete der Pfosten, ein andermal blieb Pentke Herr der Lage. In dieser Phase kam dem Jahn einer Verletzungsunterbrechung zu Hilfe. Achim Beierlorzer nahm sich seine Jungs wie bei einem Time Out im Basketball zur Brust (Foto links).

„Er sagte, dass wir jetzt bei Null anfangen. Wir sollten einfach so tun, als stünde es 0:0 und uns unserer Werte besinnen“, verriet Sargis Adamyan. Der armenische Nationalstürmer sollte an diesem Abend noch eine wichtige Rolle spielen. Zunächst war es aber Marco Grüttner, der mit der Aufholjagd begann. Nach einer Ecke und einer Verlängerung per Hüfte von Gimber stocherte der Jahn-Kapitän das Leder aus kürzester Distanz über die Linie. Nur noch 1:3! Nur fünf Minuten später marschierte Saller mit viel Dampf die rechte Seitenlinie entlang, ohne großartig dabei gestört zu werden.

Am Elfmeterpunkt fand er Jonas Nietfeld zwischen fünf Gegenspielern, von denen sich allerdings keiner zuständig fühlte. Nachdem er eben schon eine gute Chance vergeben hatte, fackelte Nietfeld diesmal nicht lange und beförderte den Ball nach geschickter Drehung (Foto rechts) platziert im rechten unteren Toreck. Fußball verrückt – das 2:3 nach 41 Minuten sorgt dafür, dass die zweite Hälfte wieder komplett offen sein sollte.

Und der SSV kam nun wesentlich selbstbewusster aus der Kabine. Nietfeld, Stolze und Grüttner hatten den Ausgleich bereits auf den Schlappen. Dieser war aber Marvin Knoll vergönnt. Nachdem Nietfeld nach 60 Spielminuten im Strafraum umgestoßen wurde, zeigte Schiedsrichter Marco Fritz zurecht auf den Elfmeterpunkt.

Routinier Knoll übernahm schnell die Verantwortung und schob bei seinem ersten Elfmeter rechts unten ein. 3:3 nach einer Stunde.  Nur sechs Minuten später stand das Stadion dann völlig Kopf. In der verrückten 66. Minute hob Nachreiner einen Freistoß aus dem Mittelkreis so geschickt in den Strafraum, dass Adamyan zwischen den Verteidigern hindurch als erster ans Leder kam und den Ball unhaltbar an Keeper Wolf vorbei zur 4:3 Führung einschoss.

Und so wie Düsseldorf gegen Ende der ersten Hälfte zwei Großchancen liegen ließ tat es ihnen nun der Jahn zehn Minuten vor Ende gleich. Erst landete Knolls Freistoß-Kunstschuss am Pfosten, dann vergab Grüttner völlig frei vor Wolf die Vorentscheidung. Doch es blieb beim Jahrhundert-Heimsieg für den Jahn. Ganz Regensburg jubelt und in Düsseldorf fragt man sich auch heute noch, wie der größte Aufstiegskandidat der Liga dieses Spiel noch verlieren konnte.

„Sie haben eben gegen uns gespielt – da muss man mit sowas rechnen“, betonte Siegtorschütze Adamyan (Foto rechts) mit einem Augenzwinkern. Durch mehr Struktur und Durchschlagskraft der Gastgeber war der SSV Jahn verdienter Sieger. Mit dem zwischenzeitlichen vierten Tabellenplatz schnuppert der Aufsteiger nun natürlich am Relegationsplatz. Offiziell aber verboten.

Noch drei Punkte fehlen – dann darf auch mit dem Sehen des Trainers geträumt werden. „Noch spielen wir um den Klassenerhalt“, drückt Achim Beierlorzer auf die Repeat-Taste seines eingebauten Kassetten-Rekorders. Mittlerweile denkt aber fast jeder in der Continental Arena einen Schritt weiter. Denn das, was der Franke jetzt schon mit dieser Mannschaft auf die Beine gestellt hat, ist reif für die Geschichtsbücher. Noch dazu hat seit 1999 kein Team mehr nach 0:3-Rückstand gewinnen können.

„Natürlich ist es für uns ein ganz besonderer Abend. Ein 0:3 in ein 4:3 zu drehen. Und das nicht gegen irgendeine Mannschaft, sondern gegen Fortuna Düsseldorf, die höchstwahrscheinlich in die Bundesliga aufsteigen“, schwärmte Achim Beierlorzer von seiner Truppe. „Vielleicht kommt ihr ja mit nach oben“, erwiderte Funkel mit einem Augenzwinkern im Vorbeigehen. Böse Worte. Verbotene Worte. Aber schöne Worte.

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